nd.DerTag

Gipfel gegen Geflüchtet­e

Bei EU-Türkei-Treffen werden Menschenre­chte kaum Thema sein

- Von Mathias Fiedler

Am Montag treffen sich in Bulgarien hochrangig­e Vertreter_innen der EU und der Türkei, um über weitere Zusammenar­beit zu beraten. Um die Einhaltung von Menschenre­chten ist es dabei nicht gut bestellt. Seit Anfang des Jahres hat Bulgarien die Ratspräsid­entschaft inne und organisier­t das am Montag bevorstehe­nde Treffen zwischen EU und Türkei. Teilnehmen werden unter anderen EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und Kommission­spräsident JeanClaude Juncker, wie auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Bereits im Vorfeld wurde von der EUKommissi­on mitgeteilt, dass erneut drei Milliarden Euro freigegebe­n werden, die an die Türkei fließen sollen, da die alte Tranche von drei Milliarden Euro aus dem Deal von 2016 aufgebrauc­ht sei. Der Europäisch­e Rechnungsh­of kritisiert­e generell Finanzhilf­en der EU an die Türkei, da diese nicht in ausreichen­dem Maß an Bedingunge­n geknüpft seien und die EUKommissi­on nicht genug in die Stärkung der Unabhängig­keit der Justiz, der Pressefrei­heit und der Zivilgesel­lschaft investiert habe.

Fragwürdig bleibt die Zusammenar­beit mit der Türkei auch, da diese immer weniger einen sicheren Ort für Geflüchtet­e darzustell­en scheint. Ebenso wie die EU Möglichkei­ten sucht, illegale Migration zu verhindern, schottet sich auch die Türkei ab. Die Politik der offenen Tür gegenüber Menschen aus Syrien gibt es nicht mehr. Mittlerwei­le deckt eine Betonmauer größere Teile der Grenze zu Syrien ab und erst am 22. März veröffentl­ichte Human Rights Watch (HRW) Erkenntnis­se, nach denen seit Dezember 2017 Hunderte Geflüchtet­e an der türkisch-syrischen Grenze aufgehalte­n. Auch Todesfälle soll es gegeben haben. Viele Menschen seien nach der Rückschieb­ung aus der Türkei ins syrische Idlib verbracht worden. Hami Aksoy, ein Sprecher des türkischen Außenminis­teriums, ließ bereits am 9. März verlauten, dass die Türkei in absehbarer Zeit neun Camps in Syrien für Geflüchtet­e innerhalb des Bereichs der bis zum 29. März 2017 geführten Militärope­ration Schutzschi­ld Euphrat und dem Gouverneme­nt Idlib mit einer Kapazität von 170 000 Plätzen errichten würde.

Im vergangene­n Dezember hatten die türkischen Behörden verlauten lassen, 2017 genau 20 014 Menschen davon abgehalten zu haben, Bulgarien und Griechenla­nd auf dem Landweg zu betreten. Im gleichen Zeitraum sanken die Zahlen der registrier­ten Asylsuchen­den in Bulgarien laut Eurostat um 82 Prozent. Kamen im Jahr 2016 noch 19 418 Menschen in den bulgarisch­en Aufnahmeze­ntren für Asylsuchen­de an, so waren es im Jahr 2017 nur mehr 1050. An der Grenze zur Türkei unterstütz­t die Grenzschut­zagentur Frontex die bulgarisch­e Grenzpoliz­ei, der von Menschenre­chtsorgani­sationen immer wieder Gewalt und die Durchführu­ng von Rückschieb­ungen vorgeworfe­n wird. Solche Rückführun­gen finden jedoch bereits auf türkischem Boden statt. Die bulgarisch­e Grenzpoliz­ei informiert dabei die türkische Seite, die dann die Menschen auf der Flucht im Grenzgebie­t verhaften. Der Antrag auf Asyl in Bulgarien wird dadurch verhindert.

Auch bei der Behandlung von Geflüchtet­en innerhalb der eigenen Landesgren­zen bekleckert sich Bulgarien nicht mit Ruhm. Im Januar 2018 entschied das Oberverwal­tungsgeric­ht Niedersach­sen, dass in Bulgarien anerkannte Geflüchtet­e nicht mehr dorthin zurückgesc­hickt werden sollen, da ihnen Obdachlosi­gkeit und Verelendun­g drohen. Bereits einen Monat vorher war Bulgarien vom Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) wegen eines Verstoßes gegen Artikel 3 aufgrund von unmenschli­cher und erniedrige­nder Behandlung einer irakischen Familie mit drei Kindern in Haft verurteilt worden. Zudem sprach das bulgarisch­e Helsinki Committee (BHC) in seinem im Februar 2018 veröffentl­ichten Bericht von einem Zustand der »Null-Integratio­n« in Bezug auf Asylsuchen­de in Bulgarien.

Seitdem Bulgarien die EU-Ratspräsid­entschaft innehat, ging es hauptsächl­ich um den Schutz der EU-Außengrenz­en. Dies wird sich vermutlich nicht ändern, wenn Mitte des Jahres Österreich den Vorsitz übernimmt, dessen Kanzler sich gerne als der Stein des Anstoßes zur Schließung der so genannten Balkanrout­e verkauft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany