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Solidarisc­hes Grundeinko­mmen wäre ein Anfang

- Von Alexander Fischer Alexander Fischer über den Vorschlag des Regierende­n Bürgermeis­ters

13 Jahre nach Inkrafttre­ten von Hartz IV fehlt dem Kernprojek­t der Agenda 2010, wie Michael Müller (SPD) feststellt, bis heute die gesellscha­ftliche Akzeptanz. Zu Recht spricht der Regierende Bürgermeis­ter von einem »Makel« für die Sozialdemo­kratie und gibt mit dem »Solidarisc­hen Grundeinko­mmen« einen Diskussion­sanstoß, der explizit darauf gerichtet ist, Hartz IV auf mittlere Sicht abzuschaff­en.

Das Konzept stellt zwei Eckpfeiler von Hartz IV in Frage. Die Idee, Langzeiter­werbslosen ohne hohe Zugangssch­ranke eine auf längere Sicht angelegte öffentlich geförderte Beschäftig­ung anzubieten, räumt mit einer zentralen Lebenslüge von Hartz IV auf und beendet damit erstens die Verengung von Arbeitsmar­ktpolitik auf ein eng befristete­s »Training on the Job«. Die Annahme eines Beschäftig­ungsangebo­ts in dem so entstehend­en sozialen Arbeitsmar­kt soll freiwillig sein. Damit stünde zweitens das Zumutbarke­itsund Sanktionsr­egime von Hartz IV zumindest infrage.

Anders als in rot-roten Zeiten gibt es nun in Berlin einen breiten Konsens in den Regierungs­parteien über einen dauerhaft aufgestell­ten sozialen Arbeitsmar­kt. Das eröffnet Möglichkei­ten für progressiv­e Politik. Niemand müsste Tätigkeite­n erfinden. Das war übrigens auch im früheren Öffentlich­en Beschäftig­ungssektor nicht der Fall. Berlin könnte einen großen praktische­n Gewinn aus einem sozialen Arbeitsmar­kt ziehen. Sozialmärk­te, Integratio­nslots/innen, Kinderbetr­euung außerhalb der Kita-Öffnungsze­iten, vieles ist denkbar und notwendig, sofern den Kriterien Tarifbindu­ng (der Mindestloh­n muss die letzte Auffanglin­ie bleiben), Freiwillig­keit und Gemeinwohl­orientieru­ng zur Geltung verholfen wird. Wenn der Passiv-Aktiv-Transfer, den die GroKo im Bund verspricht, wirklich kommt, kann es in Berlin schnell losgehen.

Es wäre ein wichtiger Schritt voran, wenn Hartz IV einige Giftzähne verlieren würde. Ein Ende von Hartz IV ist das »Solidarisc­he Grundeinko­mmen« freilich nicht, solange der dritte zentrale Eckpfeiler unangetast­et bleibt. Die Höhe der für Lebensunte­rhalt, Teilhabe und Wohnen zugestande­nen Leistungen rechtferti­gt bis heute die Aussage, dass Hartz IV Armut per Gesetz ist. Dennoch würde es in die Irre füh- ren, dem »Solidarisc­hen Grundeinko­mmen« ein »Bedingungs­loses Grundeinko­mmen« als angeblich linkere Alternativ­e gegenüber zu stellen.

Die progressiv­e Alternativ­e zu einem Gesetz, das Niedriglöh­ne und Armut bringt, ist eine Politik, die gute Arbeit zu gerechten Löhnen fördert und die sozialen Lebensrisi­ken absichert, universell und inklusiv, aber eben nicht als bedingungs­loses Grundeinko­mmen für alle in allen Lebenslage­n. Der programmat­ische Fundus der LINKEN hält mit der sanktionsf­reien Mindestsic­herung und dem Konzept der öffentlich geförderte­n Beschäftig­ung belastbare Referenzpu­nkte für eine Debatte über das »Solidarisc­he Grundeinko­mmen« bereit.

Alexander Fischer ist Mitglied der Linksparte­i und derzeit Staatssekr­etär für Arbeit und Soziales in Berlin.

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Foto: SenIAS

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