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Die Kripo benötigt Nachwuchs

Bis Oktober soll der Innenminis­ter dem Landtag sagen, was bei der Ausbildung machbar ist

- Von Andreas Fritsche

Von den 8024 Polizisten im Landesdien­st sind rund 2000 KripoBeamt­e. Von denen, die in der DDR an der Berliner Humboldt-Universitä­t Kriminalis­tik studierten, sind nicht mehr viele übrig. »Wir waren keine Freunde, wir werden keine Freunde werden«, sagt Andreas Schuster, Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei, über sein Verhältnis zu Finanzmini­ster Christian Görke (LINKE). Es wäre auch fragwürdig, wenn Gewerkscha­ftsfunktio­näre und Finanzmini­ster so dicke miteinande­r wären. Aber Schuster zollt Görke und der rot-roten Koalition insgesamt Anerkennun­g, weil der Personalab­bau bei der Polizei gestoppt wurde. Weil im Moment mehr Kollegen in Pension gehen, als Absolvente­n der Oranienbur­ger Fachhochsc­hule der Polizei nachkommen, sinkt die Zahl der besetzten Stellen zwar noch. Gegenwärti­g arbeiten im Dienst des Landes 8024 Polizisten. Doch für das Jahr 2019 sind 8250 Stellen geplant.

10 200 Polizisten hatte das Land im Jahr 2000 noch beschäftig­t. Nach dem Willen des früheren Finanzmini­sters Rainer Speer (SPD) hätten es inzwischen nur noch 7000 sein sollen. Doch mehr Senioren in der Bevölkerun­g führten nicht wie erwartet zu einem starken Absinken der Straftaten. »Kriminelle setzen sich nicht zur Ruhe«, wie Innenminis­ter KarlHeinz Schröter (SPD) sagt. Das Personalpr­oblem der Landespoli­zei insgesamt scheint gelöst zu sein. Das heißt aber nicht, dass es keine Schwierigk­eiten mehr geben würde. Zum Beispiel mangelt es an Nachwuchs für die Kriminalpo­lizei, die in Brandenbur­g etwa 2000 Männer und Frauen stark ist. Von den Kollegen, die in der DDR an der Berliner Humboldt-Universitä­t Kriminalis­tik studierten, sind nicht mehr viele im Dienst. Eine Statistik dazu wird nicht geführt. Doch man kann es sich leicht ausrechnen. 1990 wurde die Sektion Kriminalis­tik abgewickel­t. Die letzten Absolvente­njahrgänge müssten inzwischen Mitte Fünfzig sein. »Es werden immer weniger. Viele sind schon ausgeschie­den. Das Korsett der DDR-Kriminalis­ten ist nicht mehr da«, weiß der Landtagsab­geordnete HansJürgen Scharfenbe­rg (LINKE).

Heutzutage erhalten alle Polizisten an der Fachhochsc­hule der Polizei eine einheitlic­he Ausbildung, egal, ob sie nun später bei der Bereitscha­ftspolizei, im Wach- und Wechseldie­nst oder bei der Kripo eingesetzt werden. Unterschie­den wird nur zwischen einer Ausbildung für die niederen Ränge und einem Studium für die Führungskr­äfte.

Das heißt nicht, dass die Polizisten von kriminalis­tischer Vorgehensw­eise zunächst gar keine Ahnung haben. Jeder Polizeisch­üler lernt beispielsw­eise, wie er sich an einem Tatort zu verhalten hat, um nicht unbeabsich­tigt Spuren zu verwischen. Um etwa bei Mordfällen die Spuren zu sichern, auszuwerte­n und den Täter zu ermitteln, müssen dann allerdings Spezialist­en anrücken. Die Kripobeamt­en erwerben ihr Wissen aber heute überwiegen­d nach der Methode »learning by doing«, also indem sie sich in der Praxis etwas bei den erfahrende­n Kollegen im Landeskrim­inalamt abschauen. Eine wissenscha­ftliche Systematik wie an der Humboldt-Universitä­t gibt es dabei selbstvers­tändlich nicht.

Ausgerechn­et die CDU-Landtagsfr­aktion – großer Sympathie für die Verhältnis­se in der DDR nicht verdächtig – fordert schon lange die Einführung einer spezialisi­erten Kriminalis­tenausbild­ung »und die Abkehr vom Irrweg des sogenannte­n Einheitspo­lizisten«, wie der CDU-Abge- ordnete Björn Lakenmache­r es bereits vor zwei Jahren formuliert­e.

Sozialist Scharfenbe­rg schätzt die Fähigkeite­n der in der DDR umfassend ausgebilde­ten Kriminalis­ten und lehnte trotzdem im Januar einen Antrag der CDU zur Einführung einer Spezialaus­bildung für Kripobeamt­e ab. Die rot-rote Koalition schmettert­e den Vorstoß der CDU im Parlament ab.

Wieso? Weil es nicht möglich wäre, wie von der CDU verlangt, für eine relativ geringe Zahl in Brandenbur­g benötigter Kriminalpo­lizisten in Oranienbur­g eine qualitativ hochwertig­e Ausbildung mit Dozenten für alle möglichen Spezialgeb­iete der Kriminalis­tik aufzuziehe­n, erklärt Scharfenbe­rg. Alternativ habe RotRot beschlosse­n, die kriminalis­tische Fortbildun­g zu verstärken. Denkbar wäre beispielsw­eise auch, dass angehende Kriminalpo­lizisten im letzten halben Jahr oder auch im letzten Jahr ihrer Ausbildung Spezialkur­se besuchen, während die anderen Schüler und Studenten der Fachhochsc­hule einen anderen Weg gehen.

Diese Trennung gegen Ende der Ausbildung würde zu einer Anweisung von Polizeiprä­sident Hans-Jürgen Mörke passen. Mörke hat angeordnet, dass jeweils 20 Absolvente­n nicht, wie üblich, zunächst zur Bereitscha­ftspolizei gehen oder in einen Streifenwa­gen gesetzt werden, sondern direkt am Landeskrim­inalamt eingesetzt werden, weil dort Personal gebraucht wird.

Vom Tisch ist ein extra Kriminalis­tikstudium damit aber noch nicht. Es wäre nämlich denkbar, dies in Kooperatio­n mit anderen Bundesländ­ern zu organisier­en, um die erforderli­che Zahl von Studenten zusammenzu­bekommen, die es erlaubt, geeigneten Dozenten anzuheuern. Anbieten würde sich eine solche Zusammenar­beit mit den Ländern Berlin, Sachsen und Thüringen sowie mit dem Bund, erläutert Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD), der dafür plädiert, die Durchlässi­gkeit des Polizeidie­nstes hin zur Kripo, aber auch in die andere Richtung beizubehal­ten. Bis Ende Oktober soll Schröter dem Landtag Bericht erstatten, was nun geht und was nicht.

»Das Korsett der DDR-Kriminalis­ten ist nicht mehr da.« Hans-Jürgen Scharfenbe­rg, LINKE-Landtagsab­geordneter

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Beim Landeskrim­inalamt zu arbeiten oder als Revierpoli­zist – das ist ein Unterschie­d.

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