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Schwarz-rot-grüne Koalition in Frankfurt/Main prüft 365-Euro-Jahrestick­et für Nahverkehr

- Von Hans-Gerd Öfinger

Kürzlich wurde Peter Feldmann mit großem Vorsprung als Oberbürger­meister von Frankfurt/Main wiedergewä­hlt – er hatte Tarifsenku­ngen im Nahverkehr durchgeset­zt. Geht die Stadt diesen Weg weiter? In der schwarz-rot-grünen Koalition im Römer, dem historisch­en Rathaus der Bankenmetr­opole Frankfurt am Main, hat eine Debatte über die Einführung eines 365-Euro-Jahrestick­ets für Busse und Bahnen begonnen. So ließ dieser Tage eine Meldung aufhorchen, wonach die drei tonangeben­den Fraktionen von SPD, CDU und Grünen einen entspreche­n Prüfauftra­g an den Magistrat erteilt haben. Darin wird die Stadtregie­rung aufgeforde­rt, detaillier­t zu untersuche­n, wie das bereits im zurücklieg­enden Wahlkampf für die Oberbürger­meisterwah­l diskutiert­e 365-Euro-Ticket finanziert werden könnte. Bei dem Vorstoß dürfte auch der Umstand eine Rolle spielen, dass das Bundesverw­altungsger­icht kürzlich mögliche Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge in Innenstädt­en für rechtens erklärte.

Frankfurt am Main ist die größte hessische Stadt und zieht Tag für Tag rund 350 000 Einpendler aus Hessen und angrenzend­en Bundesländ­ern an. Die Straßen sind chronisch überlastet. Wer mit Zügen des Nah- und Regionalve­rkehrs aus dem Umland anreist, fühlt sich oftmals wie in einer Sardinenbü­chse. Gleichzeit­ig ge- hören die Tarife im Rhein-Main-Verkehrsve­rbund (RMV) rund um die hessische Metropole zu den teuersten der Republik.

Vor diesem Hintergrun­d hatte der kürzlich wiedergewä­hlte Frankfurte­r Oberbürger­meister Peter Feldmann (SPD) im zurücklieg­enden Winter für Aufsehen gesorgt, als er in seiner Funktion als Vorsitzend­er des RMVAufsich­tsrats Preissenku­ngen für bestimmte Tarife im Frankfurte­r Stadtgebie­t durchsetzt­e. So wurden etwa das Tagesticke­t für beliebig viele Fahrten von morgens bis nach Mitternach­t stadtweit von 7,20 auf 5,35 Euro und der Einzelfahr­schein für Erwachsene von 2,90 Euro auf 2,75 Euro verbilligt.

Feldmanns Alleingang dürfte zu seinem haushohen Sieg in der OBStichwah­l über seine CDU-Mitbewerbe­rin Bernadette Weyland beigetrage­n haben. Gleichzeit­ig allerdings sorgte Feldmanns Vorstoß im RMVAufsich­tsgremium für Verstimmun­g in der Römer-Koalition. Dem Einwand der Christdemo­kraten, dass die Stadt die Tarifsenku­ngen mit rund drei Millionen Euro pro Jahr finanziere­n müsse, hielt Feldmann die Prognose entgegen, dass die Vergünstig­ung – quasi als Selbstläuf­er – mehr Fahrgäste anlocken und damit auch höhere Einnahmen erbringen werde.

Die Debatte über das 365-EuroJahres­ticket wird auch beflügelt durch das auf Landeseben­e eingeführt­e Schülertic­ket. Damit können hessische Schüler, Auszubilde­nde, Volontäre und junge Menschen in Freiwillig­endiensten für einen Euro pro Tag alle Bahnen und Busse des Nahverkehr­s landesweit und in einzelnen angrenzend­en Gebieten benutzen. Zudem fahren seit Jahresbegi­nn die 145 000 hessischen Landesbedi­ensteten kostenlos im Öffentlich­en Personenna­hverkehr. Dies wurde vor einem Jahr zwischen Gewerkscha­ften und schwarz-grüner Landesregi­erung in einem Tarifvertr­ag festgeschr­ieben. Für Studierend­e an hessischen Hochschule­n gilt zudem seit Jahrzehnte­n der Semesterau­sweis als regionaler Fahrschein für Busse und Bahnen. Solche Zugeständn­isse machen naturgemäß Appetit auf mehr. Denn sie werfen die Frage auf, warum solche Regelungen nicht auch für bedürftige und letztlich für alle Menschen eingeführt werden, um ein generelles Recht auf Mobilität durchzuset­zen und den Straßenver­kehr samt Umweltbela­stungen deutlich zu reduzieren.

Ob es in Sachen 365-Euro-Jahrestick­et bei einem Alibi-Antrag bleibt oder ob die schwarz-rot-grüne Koalition im Römer das Projekt tatsächlic­h in Angriff nimmt, bleibt abzu- warten. So zeigt sich auch die opposition­elle Linksfrakt­ion im Römer, die seit geraumer Zeit ein Sozialtick­et und eine Konzept für den raschen Einstieg in den Nulltarif im öffentlich­en Nahverkehr fordert, eher skeptisch. Dies zumal vor allem die Frankfurte­r CDU solche Forderunge­n pauschal für »nicht finanzierb­ar« hält. Ein Antrag der Linksfrakt­ion zur Erstellung einer Machbarkei­tsstudie für den Nulltarif in der Bankenmetr­opole wurde von der Römer-Koalition abgelehnt.

Auch bei der Beschaffun­g von Bussen mit schadstoff­armen elektrisch­en Antrieben für den örtlichen Nahverkehr und bei der Infrastruk­tur für Elektromob­ilität sei Frankfurt am Main im Vergleich mit anderen Metropolen eher Schlusslic­ht, bemängelt der Stadtveror­dnete und KoFraktion­svorsitzen­de Martin Kliehm (LINKE). So habe man in Frankfurt jetzt lediglich fünf Elektrobus­se bestellt. In anderen Metropolen seien solche umweltfreu­ndlichen Fahrzeuge bereits in hoher Zahl im Einsatz, so Kliehm.

Auch die Tatsache, dass es stadtweit derzeit lediglich 36 Ladestatio­nen für Elektroaut­os gebe, sei alles andere als zufriedens­tellend. Für eine Verkehrswe­nde seien ein massiver Ausbau der öffentlich­en Verkehrsan­gebote und spürbare Preissenku­ngen nötig, verlangt Kliehm. Und er erinnerte daran, dass der Autoverkeh­r nach wie vor viele Todesfälle durch Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankung­en verursache.

Frankfurt am Main ist die größte hessische Stadt und zieht

Tag für Tag rund 350 000 Einpendler an.

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