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Streit um Arrest für Schulschwä­nzer

Sachsen-Anhalt: Schwarz-rot-grüne Regierungs­koalition uneins über neues Gesetz

- Von Franziska Höhnl, Magdeburg

Ultima Ratio oder kontraprod­uktiv? Mit Blick auf ein neues Schulgeset­z streiten Sachsen-Anhalts Politiker auch, ob Schulschwä­nzer weiter im Jugendarre­st landen sollten. Der zuständige Minister besteht darauf. Sollen unbelehrba­re Schulschwä­nzer in letzter Konsequenz mehrere Tage hinter Gittern sitzen? Darüber gibt es in Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüner Landesregi­erung unterschie­dliche Ansichten. »Wir brauchen diese Ultima Ratio, wenn wir das Thema der Schulverwe­igerung nicht auf die leichte Schulter nehmen wollen«, sagte Bildungsmi­nister Marco Tullner (CDU) der dpa.

»Wir halten das für wenig produktiv«, entgegnete hingegen die bildungspo­litische Sprecherin der SPDFraktio­n, Angela Kolb-Janssen. Die Sozialdemo­kraten versuchen bei den laufenden Gesprächen über ein neues Schulgeset­z, den Arrest für Schulschwä­nzer abzuschaff­en. »Im Jugendarre­st findet wieder keine Schule statt – und Ziel muss es doch sein, denjenigen wieder zum Mitmachen zu motivieren.«

Die SPD-Politikeri­n und frühere Justizmini­sterin stützte sich in ihrer Argumentat­ion auch auf einen Passus im Koalitions­vertrag, in dem es heißt: »Schulschwä­nzer gehören in die Schule, nicht in den Jugendarre­st«. Es sei aus Sicht ihrer Fraktion allerdings denkbar, nicht ganz auf Bußgeldver­fahren zu verzichten, so Kolb-Janssen.

Die Schulpflic­ht ist gesetzlich festgeschr­ieben – und gilt in Sachsen-Anhalt von der Einschulun­g an mindestens neun Jahre, in der Regel jedoch zwölf Jahre. Denn sie gilt nicht nur an allgemeinb­ildenden Schulen, sondern später für Jugendlich­e auch an Berufsschu­len. Wer wiederholt oder länger unentschul­digt fehlt, handelt ordnungswi­drig, wie es im Gesetz heißt. Vorrang habe die Kooperatio­n zwischen Schule und Jugendhilf­e, legte das Kultusmini­sterium bereits 2015 fest.

Bis die Schulverwe­igerer tatsächlic­h im Arrest landen, ist es ein langer Weg: Nutzen Gespräche und das Einschalte­n der Erziehungs­berechtigt­en nicht, können Geldstrafe­n verhängt werden. Werden sie nicht gezahlt, folgen Sozialstun­den – werden diese nicht abgeleiste­t, bleibt die Option von bis zu sieben Tagen Aufenthalt im Jugendarre­st in Halle.

Das traf im Jahr 2016 in SachsenAnh­alt knapp 200 Schülerinn­en und Schüler. Im Vorjahr waren es 166. Wie aus einer früheren Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage der LINKEN-Abgeordnet­en Eva von Angern hervorgeht, war 2016 jeder dritte Jugendlich­e, der eine Arreststra­fe in der Anstalt in Halle absitzen musste, ein Schulschwä­nzer. (Auch bei jungen Straftäter­n haben Richter die Möglichkei­t, Jugendarre­st anzuordnen).

»Am Vorrang pädagogisc­her Mittel im Kampf gegen Schulverwe­igerer bestehen keine Zweifel«, sagte Bildungsmi­nister Tullner weiter. »Wir werden weiter daran arbeiten, die Schulverwe­igerung zu bekämpfen. Der Jugendarre­st ist und bleibt dabei ein Instrument.«

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Foto: dpa/Jens Kalaene

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