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»Das ganze Nest muss brennen«

Eine Düsseldorf­er Ausstellun­g zeigt Fotos, mit denen Altmeister Josef Sudek die Zerstörung Prags dokumentie­rte

- Von Siegfried Schmidtke, Düsseldorf

Josef Sudek gilt als Legende der tschechisc­hen Fotografie. Stillleben, Gärten und Landschaft­en gehörten zu seinen Lieblingso­bjekten. Im Frühjahr 1945 machte Sudek jedoch ganz andere Fotos. Die Schreckens­herrschaft der Nazis in Prag und dem von ihnen installier­ten »Protektora­t Böhmen und Mähren« dauerte sechs Jahre lang, von März 1939 bis Mai 1945. Die jüdische Bevölkerun­g wurde enteignet, deportiert und schließlic­h in Konzentrat­ionslagern ermordet, tschechisc­her Widerstand gnadenlos liquidiert.

Die Hauptstadt Prag blieb aber während des gesamten Zweiten Weltkriegs von Luftangrif­fen fast verschont. Fast – denn im Februar 1945 wurde die »Goldene Stadt« irrtümlich­e von Flugzeugen der Alliierten bombardier­t – die Piloten hatten nach langem Anflug Prag mit Dresden verwechsel­t. Zahlreiche Denkmäler in der historisch­en Neustadt und auch das Emmausklos­ter wurden zerstört.

Die zweite Bombardier­ung Prags im Mai 1945 war dann voll beabsichti­gt. Trotz der näher rückenden Roten Armee hatte die »Nazi-Vernichtun­gselite« (so ein Wort des Historiker­s Erich Später) in Prag die tschechisc­he Hauptstadt noch nicht verlassen. Auch Hanns Martin Schleyer, der spätere Arbeitgebe­rpräsident in der Bundesrepu­blik, gehörte zum Besatzungs­apparat. Am 5. Mai begann der »Prager Aufstand« der tschechisc­hen Bevölkerun­g gegen die deutschen Besatzer. Mit Barrikaden versuchten die Tschechen der militärisc­hen Übermacht der Wehrmacht und der SS-Divisionen zu trotzen. SS-Gruppenfüh­rer Graf Pückler forderte die Bombardier­ung Prags. Die Altstadt solle dem Erdboden gleichgema­cht werden. »Das ganze Nest muss brennen«, verlangte er. In Prag brannte es dann tatsächlic­h vom 5. bis zum 8. Mai 1945. Das Altstädter Rathaus und viele andere Sehenswürd­igkeiten wurden zerstört.

Die Verwüstung­en in der tschechisc­hen Hauptstadt im Februar und Mai des Jahres 1945 hat der Fotograf Josef Sudek (1896 bis 1976) festgehalt­en. Als »Sudek Project« werden die Trümmerfot­os jetzt in Düsseldorf gezeigt. Sudek gilt als Legende der tschechisc­hen Fotografie. Stillleben, Gärten und Landschaft­en gehörten zu seinen Lieblingso­bjekten, doch auch über 800 Personenpo­rträts befinden sich in seinem Nachlass. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Jahr 1945 zeigen heute nicht mehr existieren­de Teile der Stadtarchi­tektur, wie etwa die Fenster eines später abgerissen­en Rathausflü­gels oder Gebäude in der Altstadt.

Josef Sudek dokumentie­rte systematis­ch die Prager Trümmerhau­fen und Ruinen als Auftragsar­beit für einen Wochenkale­nder für das Jahr 1946, der die »Kulturelle­n Verluste in Prag 1939-1945« aufzeigen sollte.

Die aktuelle Ausstellun­g im Düsseldorf­er Gerhart-Hauptmann-Haus (Deutsch-Osteuropäi­sches Forum) wurde von der tschechisc­hen Akademie der Wissenscha­ften konzipiert. Von Düsseldorf wandert die Ausstellun­g weiter nach Mailand, Rom und Warschau und wird im Sommer dieses Jahres dann in erweiterte­r Version in Prag zu sehen sein.

Josef Sudeks Aufnahmen zeigen heute nicht mehr existieren­de Teile der Stadtarchi­tektur.

Die Ausstellun­g »Prag in Trümmern« wird in Düsseldorf nur noch bis zum 29. März gezeigt: Gerhart-HauptmannH­aus, Bismarckst­r. 90 (nahe Hbf), 40210 Düsseldorf; Mo und Mi 10 bis 17 Uhr, Di und Do 10 bis 19 Uhr, Fr 10 bis 14 Uhr, Eintritt frei; Informatio­nen im Netz unter: www.g-h-h.de

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Prag im Frühjahr 1945, links ein Blick auf das zerstörte Rathaus
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Fotos: Institute of Art History, Academy of Sciences of the Czech Republic, v. v. i.

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