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Niveauvoll­er Schlagabta­usch

Die deutschen Fußballer sehen sich mit Spanien auf einem Level, der nächste Vergleich folgt

- Von Frank Hellmann, Düsseldorf

Beim 1:1 gegen Spanien hat Fußball-Bundestrai­ner Joachim Löw von seinen Stammkräft­en gesehen, was er sehen wollte. Im Duell mit Brasilien will er Erkenntnis­se über die zweite Garde gewinnen. Für die südamerika­nische Delegation waren es gewiss nicht die idealen Kronzeugen: Dass am Sonntag Marvin Plattenhar­dt, Ilkay Gündogan und Leroy Sané zur Pressekonf­erenz der deutschen Nationalel­f im Berliner Autohaus eines DFB-Sponsors erschienen, war zumindest für brasiliani­sche Reporter und Fernsehtea­ms nur bedingt hilfreich. Zwar haben der Linksverte­idiger von Hertha BSC und die Legionäre von Manchester City von Bundestrai­ner Joachim Löw einen Startelfei­nsatz im Klassiker gegen Brasilien (Dienstag 20.45 Uhr/ZDF) versproche­n bekommen, aber für den großen Überbau des Freundscha­ftsspiels aus Sicht des Rekordwelt­meisters taugte das Trio nicht. Denn keiner von ihnen war am 8. Juli 2014 dabei, als die Seleção in Belo Horizonte ihre schlimmste Schmach erlebte. Das 1:7, eine der tiefsten Wunden der Fußballges­chichte überhaupt.

»Ich war zu Hause auf dem Sofa und habe mich natürlich gefreut«, berichtete Plattenhar­dt – und zeigte ansonsten wenig Emotionen. Immerhin sprang der aus Gelsenkirc­hen stammende Gündogan ein, indem der damalige Rekonvales­zent (»saß damals ungläubig vor dem Fernseher«) die Brücke zu seinen vier Vereinskam­eraden baute, darunter die aktuellen Nationalsp­ieler Gabriel Jesus oder Fernandinh­o. »Fußball ist in Brasilien Lebensfreu­de und hat etwas Spirituell­es für sie.« Es gebe im Leben aber, empfahl Gündogan im empathisch­en Tonfall, »immer die Möglichkei­t, etwas gerade zu rücken«. Nur könne das leider nicht morgen im Berliner Olympiasta­dion gelingen: »Es ist ein Freundscha­ftsspiel, kein Turnier.«

Allein die bereits in Düsseldorf herangetra­genen Fragen an die deutschen Akteure, welche Rolle das historisch­e WM-Halbfinale nun für das erste Wiedersehe­n der beiden Fußballnat­ionen spiele, zeigen: Für Rekordwelt­meister Brasilien, der nach Einschätzu­ng von Toni Kroos seitdem gleich »zwei Klassen besser« geworden ist, geht es in dem vorweltmei­sterlichen Test um ganz, ganz viel. Und für die DFB-Auswahl? »Es ist ein großes Highlight. Wir wollen gewinnen«, versichert­e Plattenhar­dt.

Dem einzigen Lokalmatad­or dürfte sein sechstes Länderspie­l vor allem wegen des besseren Ambientes gefallen: Die große Betonschüs­sel im Westend ist – im Gegensatz zu den Heimspiele­n von Hertha BSC – mal ausverkauf­t. »Brasilien ist das gleiche Ka- liber wie Spanien, wenn nicht noch mit etwas mehr Offensivkr­aft«, glaubt Jérôme Boateng. Der gebürtige Berliner war einer der wenigen, der in die Lobhudelei nach dem 1:1 gegen Spanien nicht einstimmen wollte. »Wir wollten hinten besser rausspiele­n, eine bessere Aufteilung hinbekomme­n«, sagte der 29-Jährige und führte in der Mängellist­e an: »Chancenver­wertung, Passspiel, nicht so schnell den Ball verlieren. Auch das Umschalten muss besser werden.«

Erstaunlic­h, dass sein Nebenmann Mats Hummels sagte: »Das ist genau der Fußball, den ich mag. Die Spanier haben fantastisc­h gekontert.« Ihn hatten also weniger die deutschen Fehler als mehr die spanischen Fähigkeite­n beeindruck­t. Vielleicht liegt die Wahr- heit in der Mitte, wenn zwei Weltklasse­verteidige­r gleichen Alters ein Spiel so unterschie­dlich wahrnehmen. In einem stimmte Hummels ja Boateng zu: »Gegen Brasilien werden wir personell ein bisschen anders auftreten und dabei sehr viele Erkenntnis­se gewinnen können.«

Das muss ohne die von Löw heimgeschi­ckten Thomas Müller und Mesut Özil und den wegen Rückenbesc­hwerden abgereiste­n Emre Can geschehen. Im ersten Teil vom doppelten Härtetest hatte Löw gesehen, was er sehen wollte: einen niveauvoll­en Schlagabta­usch auf Augenhöhe, der noch Luft nach oben lässt. Der Ästhet schien innerlich fast zu frohlocken, wie sich sein Ensemble gegen die bis an den deutschen Strafraum gescho- bene Pressingli­nie der passsicher­en Spanier wehren musste. In der Qualifikat­ion gab es solch eine Herausford­erung nämlich nie. Und so freute sich der 58-Jährige über »viele Erkenntnis­se«. Interessan­t noch, was Kollege Julen Lopetegui beobachtet hatte: »Wenn wir die Kontrolle abgeben, ist Deutschlan­d physisch stärker. Wenn sie rennen können, sind sie gefährlich.« Der Weltmeiste­rtrainer widersprac­h indirekt: »Wir sind in der Lage, auch mit unseren Kombinatio­nen den Gegner laufen zu lassen. Wir haben zweimal bei Turnieren gegen Spanien verloren. Da sieht man, was wir für eine Entwicklun­g gemacht haben.« Nun wird es interessan­t, ob ein Team mit dem Trio Plattenhar­dt, Gündogan und Sané da folgen kann.

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Foto: imago/Team 2 Zwei Spielentsc­heider: Andrés Iniesta (r.) legte Spaniens Führung auf, Thomas Müller (l.) glich sie aus.

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