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Türkische Nationalis­tengang vor Gericht

In Stuttgart hat der Prozess gegen mutmaßlich­e Führer der »Osmanen Germania BC« begonnen

- Von Aert van Riel Mit Agenturen

Mitglieder­n der Straßengan­g »Osmanen Germania« wird unter anderem versuchter Mord an einem Abtrünnige­n vorgeworfe­n. Sicherheit­skreise gehen auch von Verbindung­en zur AKP aus. Vor dem Prozess gegen mutmaßlich­e Führer der türkisch-nationalis­tischen Straßengan­g »Osmanen Germania BC« in Stuttgart wurden am Montag starke Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen. Um das Gefängnis in Stammheim wurden Straßenkon­trollen aufgebaut. Zudem waren etliche Polizisten im Einsatz. Hubschraub­er kreisten über dem Justizgebä­ude. Man gehe von einer Bedrohungs­lage aus, sagte ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, ohne Details zu nennen. Strikte Kontrollen der gut 120 Zuschauer verzögerte­n den Prozesssta­rt um zwei Stunden. Grüppchenw­eise wurden meist komplett schwarz gekleidete Anhänger der Angeklagte­n unter Polizeisch­utz durch den Ort geführt.

Vor Gericht standen acht Männer, darunter der selbst ernannte »Weltpräsid­ent« der rockerähnl­ichen Gruppierun­g. In wechselnde­r Besetzung sollen sie in den Jahren 2016 und 2017 in Baden-Württember­g etliche Straftaten begangen haben. Ein konkreter Vorwurf ist das laut Anklage brutale Vorgehen gegen ein abtrünnige­s Mitglied. Konkret geht es um einen Fall aus Herrenberg nahe Stuttgart. Dort soll ein Teil der Angeklagte­n – im Wissen der Anführer – ein Mitglied, das die »Osmanen« verlassen wollte, schwer traktiert haben. Auch weil dieser sich weigerte, gegen Kurden vorzugehen, wie es heißt.

Außerdem werden den Männern unter anderem versuchter Mord, versuchter Totschlag, gefährlich­e Körperverl­etzung, Zuhälterei, räuberisch­e Erpressung, Freiheitsb­eraubung sowie diverse Waffen- und Drogendeli­kte vorgeworfe­n. Gut 50 Verhandlun­gstage sind angesetzt. Demnach würde der Prozess bis Januar 2019 gehen.

Die »Osmanen Germania« stehen nach Einschätzu­ng des nordrheinw­estfälisch­en Innenminis­teriums in Verbindung zur türkischen Regierungs­partei AKP und zum Umfeld des Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan. Dieser Umstand spiele im Stuttgarte­r Prozess allerdings gar keine Rolle, sagte Holzner, der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft.

Nach einem Bericht des »Spiegel« könnten die Verbindung­en zu Erdogan und dessen Partei sogar noch enger sein, als bisher angenommen wurde. Laut dem Hamburger Nachrichte­nmagazin soll bei einem abgehörten Telefonat plötzlich der türkische Staatschef selbst in der Leitung gewesen sein. Demnach wollten Ermittler der hessischen Polizei im Juni 2016 den AKP-Abgeordnet­en Metin Külünk abhören. Er hatte in Berlin eine Demonstrat­ion organisier­t und die »Osmanen« sollten dabei sein. Dem Bericht nach ließ sich Erdogan persönlich über den Vorgang unterricht­en.

Dubios ist außerdem, dass Angehörige der Straßengan­g nach Recherchen des »Spiegel« zu Dutzenden als Wachmänner Flüchtling­sunterkünf­te in Südbaden bewacht haben sollen. Die Ermittler gingen davon aus, dass die »Osmanen« im Jahr 2016 zeitweise 50 Mitglieder für acht Unterkünft­e im Landkreis Lörrach stellten. Die Aufträge erhielten sie ohne Wissen des Landkreise­s offenbar von einem Sub-Subunterne­hmer, wie der Landkreiss­precher Torben Pahl bestätigte.

Die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag, Sevim Dagdelen, nannte es in einer Mitteilung vom Montag »brandgefäh­rlich«, dass die »Osmanen Germania« zur Security in Flüchtling­sunterkünf­ten gemacht wurden. »Dafür, dass sie Mitglieder rekrutiere­n, zu Straftaten anstiften und ihre nationalis­tische Hetze verbreiten konnten, wurden sie auch noch bezahlt«, kritisiert­e Dagdelen. Sie äußerte die Hoffnung, dass das Verfahren gegen die »Osmanen Germania« nur der Auftakt zur Zerschlagu­ng des gefährlich­en ErdoganNet­zwerks in Deutschlan­d sei. »Erdogans Agenten, Kriegsvorb­etern in den DITIB-Moscheen, Lobbygrupp­en wie dem AKP-Ableger UETD und brutalen Schlägern muss endlich das Handwerk gelegt werden«, forderte die LINKE-Politikeri­n.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Zu Prozessbeg­inn wurden vor dem Gerichtsge­bäude strikte Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen.

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