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Angezählt

- Von Simon Poelchau

»Ich fange an, meinen Job zu mögen«, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan schmunzeln­d Anfang Februar bei der Bilanzpres­sekonferen­z des größten deutschen Geldhauses. Nur zu dumm für ihn, dass es vielleicht seine letzte Konferenz dieser Art gewesen sein könnte. Denn die Deutsche Bank sucht offenbar schon nach einem Nachfolger für ihn – obwohl sein Vertrag erst 2020 endet. Dies berichtet die britische Zeitung »The Times«. Von einem »zerrüttete­n« Verhältnis zwischen Cryan und Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner ist die Rede.

Während der Bankenkris­e 2008 war der 57-jährige Finanzchef bei der Schweizer UBS, 2013 wechselte der gebürtige Brite zur Deutschen Bank – zunächst als oberster Prüfer im Aufsichtsr­at. Seit Juli 2015 leitet Cryan die Geschicke in Frankfurt am Main. Der als höflich und zurückhalt­end geltende Absolvent der Eliteunive­rsität Cambridge sollte endlich den viel beschworen­en Kulturwand­el bewerkstel­ligen, den eigentlich schon seine Vorgänger Anshu Jain und Jürgen Fitschen hinkriegen sollten. Die wiederum waren Mitte 2012 angetreten, um das Chaos aufzuräume­n, das Josef Ackermann angerichte­t hatte.

Von seinen Vorgängern erbte Cryan zahlreiche Skandale und Rechtsstre­itigkeiten, die die Deutsche Bank Milliarden kosteten. »Motivation und Moral is ab- solutely Kernaufgab­e des Vorstands«, sagte Cryan bei seiner ersten großen Pressekonf­erenz als Chef der Deutschen Bank im Oktober 2015. Was er dann aber verkündete, war weniger moralisch: 9000 Stellen sollten wegfallen und zahlreiche Filialen schließen. Der versproche­ne Kulturwand­el entpuppte sich als Kahlschlag.

Zuletzt sorgte Cryan für Aufregung, weil er seinen Managern für vergangene­s Jahr 2,3 Milliarden Euro an Boni zukommen ließ – obwohl die Bank nicht aus den Miesen kommt. So etwas verärgert mittlerwei­le nicht mehr nur die Öffentlich­keit und Politik, sondern auch die Aktionäre. Seit Anfang Februar rutschte der Kurs der Deutschen Bank um ein Viertel in den Keller. Kein Wunder also, dass Cryan angezählt ist.

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Foto: dpa/Daniel Roland Deutsche-Bank-Chef John Cryan wird wohl bald abgelöst.

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