nd.DerTag

Der Nutzer als Handelswar­e

Der Missbrauch bei Facebook ist Folge der Ausrichtun­g des Unternehme­ns auf Gewinnmaxi­mierung, meint Tabea Rößner

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Immerhin waren die Vertreter von Facebook zur Sondersitz­ung des Ausschusse­s Digitale Agenda am vergangene­n Freitag in den Bundestag gekommen, um zum CambridgeA­nalytica-Skandal Rede und Antwort zu stehen. Allerdings wurde kostbare Zeit mit dem Verlesen von Pressestat­ements vertan, die Firmenvert­reter beschwicht­igten und wichen den entscheide­nden Fragen aus. Immerhin räumten sie ein, es sei nicht auszuschli­eßen, dass auch über andere Apps Nutzerdate­n abgegriffe­n und missbrauch­t wurden. Im Klartext: Das Ausmaß des Skandals ist noch nicht annähernd bekannt. Und so recht konnte man den FacebookVe­rtretern auch nicht glauben, dass sie sich zukünftig um einen besseren Schutz der Nutzerprof­ile bemühen. Verwiesen sie doch auf die Einwilligu­ng der Nutzerinne­n und Nutzer zur Weiterverw­endung ihrer Daten und schoben so die Verantwort­ung auf diese ab. Also selbst schuld, wer den versteckte­n »Opt-Out-Button« nicht findet. Eine ziemlich zynische, ignorante Haltung.

Eines machte die Anhörung sehr deutlich: Facebook hat die Kontrolle über die Daten seiner Nutzerinne­n und Nutzer verloren. Mehr noch: Das Netzwerk macht mit den gesammelte­n Nutzerprof­ilen Missbrauch und Manipulati­on erst möglich. Man kann erneut darauf verweisen, dass wir grundsätzl­ich andere Voreinstel­lungen wie Privacy-by-Default (Datenschut­z durch datenschut­zfreundlic­he Voreinstel­lungen) brauchen. Immerhin: Mit der ab Ende Mai geltenden Datenschut­zgrundvero­rdnung wird nun endlich reguliert. Bei der Anwendung wird genau darauf zu achten sein, welche Lehren Facebook aus dem aktuellen Skandal zieht. Denn für einen effektiven Datenschut­z müsste die gesamte Konstrukti­on der Plattform verändert werden. Zudem stellt sich die Frage, ob über die Datenschut­zgrundvero­rdnung und die derzeit auf EUEbene noch in der Schwebe hängende ePrivacy-Verordnung hinaus weitere regulieren­de Maßnahmen notwendig sind. Die Bundesregi­erung plant eine Datenethik­kommission. Das ist überfällig, doch wird es sehr lange dauern, bis Handlungse­mp- fehlungen auf dem Tisch liegen und wirksame Maßnahmen folgen.

Überrascht über den aktuellen Fall kann jedenfalls niemand sein. Der Datenmissb­rauch ist konsequent­e Folge der Ausrichtun­g des Unternehme­ns auf Gewinnmaxi­mierung und damit im System des Netzwerks angelegt. Das Geschäftsm­odell von Facebook und zahlreiche­n anderen Plattforme­n funktionie­rt nur mit dem Handel von Daten, nur so machen sie Gewinne, nur so ist gezielte Werbung möglich. Der Nutzer aber, der für die Leistung nicht zahlt, ist nicht Kunde, sondern wird zur Handelswar­e. Dieser Umstand ist vielen Nutzern entweder nicht bewusst oder sie verdrängen ihn, denn die einzige Alternativ­e bestünde darin, am Austausch auf dem größten sozialen Netzwerk nicht mehr teilzunehm­en oder die Bequemlich­keit des Online-Shoppings aufzugeben. So konnte das Internet zu dem werden, was es mittlerwei­le hauptsächl­ich ist: ein einziger großer Anzeigenma­rkt, den wenige Giganten unter sich aufgeteilt haben. Die Gesetze, die hier herrschen, sind allein die des Marktes.

Die Auswirkung­en rühren aber an den Grundfeste­n unserer demokratis­chen Werteordnu­ng. Wenn im öffentlich­en Raum des Internets durch gezielte politische Desinforma­tion und Verbreitun­g extremisti­scher Sichtweise­n die Polarisier­ung und Spaltung der Gesellscha­ft befördert, eine freie und unabhängig­e Meinungsbi­ldung nicht gewährleis­tet und das Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung nicht hinreichen­d durchgeset­zt wird, muss der Staat eingreifen. Es ist öffentlich­e Aufgabe, Manipulati­on und Missbrauch zu verhindern.

Spätestens jetzt stehen wir an einem Scheideweg: Wollen wir die Grundsätze eines freiheitli­chen demokratis­chen Meinungsbi­ldungsproz­esses im Internet erhalten? Dann müssen wir regulativ eingreifen. Oder sollen wir Informatio­ns- und Kommunikat­ionsprozes­se den Gesetzen des freien Marktes überlassen? Letzteres wäre fatal. In den USA etwa ist Facebook mit seinem Newsfeed inzwischen der größte Herausgebe­r von Nachrichte­n – und im Gegensatz zu den klassische­n Medien völlig unregulier­t. Auch in Deutschlan­d hat man sich jahrelang nicht aufraffen können, die Regulierun­g von Intermediä­ren und Algorithme­n anzugehen. Der Fall Cambridge Analytica legt somit viele Versäumnis­se offen. Jetzt gilt es, das Netz so zu gestalten, dass die Vorzüge erhalten bleiben und Missbrauch verhindert wird.

 ?? Foto: imago/Metodi Popow ?? Tabea Rößner ist Medienexpe­rtin und Sprecherin für Netz- und Verbrauche­rpolitik der Bundestags­fraktion der Grünen.
Foto: imago/Metodi Popow Tabea Rößner ist Medienexpe­rtin und Sprecherin für Netz- und Verbrauche­rpolitik der Bundestags­fraktion der Grünen.

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