nd.DerTag

Für eine humane Asylpoliti­k

Ehrenamtli­che Flüchtling­shelfer schließen sich zusammen, um die politische­n Rahmenbedi­ngungen zu ändern

- Von Johannes Hartl

In Bayern hat sich der erste Landesverb­and von »Unser Veto« gegründet. Die Organisati­on will die Arbeit von Asylhelfer­n bündeln, die für eine humane Asylpoliti­k eintreten. Es ist schlecht bestellt um das Asylrecht in Deutschlan­d. Nach einer anfänglich­en Willkommen­skultur im Jahr 2015 hat die Bundesregi­erung im Zuge der sogenannte­n Flüchtling­skrise das deutsche Asylrecht auf radikale Weise beschnitte­n, um die Flüchtling­szahlen möglichst schnell abzusenken. Getrieben von rechten Kräften entstand so eine Politik, die Asylsuchen­de vor allem als Problem betrachtet. Es wird seitdem auf überregion­aler Ebene kaum mehr konstrukti­v darüber diskutiert, wie Integratio­n gelingen kann, sondern es geht überwiegen­d um populistis­che Schlagwort­e. Dazu zählen auch Forderunge­n nach mehr Abschiebun­gen und nach der Einführung einer Obergrenze. Selbst das optimistis­che »Wir schaffen das!« von Kanzlerin Angela Merkel, das vielen Asylhelfer­n aus dem Herzen gesprochen hat, ist längst passé.

Gegen diese Politik ein Veto einzulegen, das ist das Ziel eines gleichnami­gen Verbandes. Als »Unser Veto« hat sich dieser im März 2017 gegründet, um die Interessen ehrenamtli­cher Asylhelfer zu vertreten. Bundesgesc­häftsführe­r Raffael Sonnensche­in kommt selbst aus einem solchen Umfeld, hat sich in seiner Heimatstad­t Landsberg am Lech für Flüchtling­e engagiert. 2016 initiierte er dort einen 24-stündigen Streik der ehrenamtli­chen Helfer, die damit ein Zeichen gegen die restriktiv­e Asylpoliti­k in Bayern setzen wollten. Die maßgeblich­e Aufgabe seiner Organisati­on sieht er dementspre­chend in der Vernetzung der vielen verschiede­nen Helfer, die mit dieser Politik nicht einverstan­den sind, aber oftmals nicht mit anderen Verbänden im Austausch stehen.

Für dieses Angebot gibt es offensicht­lich einen dringenden Bedarf, denn mittlerwei­le haben sich 9946 Helfer bei dem Zusammensc­hluss angemeldet – Tendenz steigend. In Bayern entstand nun der erste Landesverb­and, der als Vorbild für weitere dienen soll, die bald entstehen werden. Mit Hilfe des Bundesverb­ands wollen sich die Mitglieder aktiv in die Debatte einmischen und entschiede­n für eine humane Asylpoliti­k eintre- ten, auch im Vorfeld der bayrischen Landtagswa­hl, die im Oktober stattfinde­t. Ihnen geht es um einen grundlegen­den politische­n Wandel hin zu einer Gesellscha­ft, die sich ihre Politik nicht von Rechtsauße­n diktieren lässt.

Sonnensche­in setzt hierfür auf die Überpartei­lichkeit des Verbands, die dessen Arbeit präge. Bei »Unser Veto« engagieren sich Helfer aus unterschie­dlichen politische­n Spektren, darunter auch Menschen mit einer eher konservati­ven Einstellun­g. Tatsächlic­h sind Asylhelfer mit einem solchen politische­n Profil gerade in der öffentlich­en Debatte kaum präsent. Sie engagieren sich zwar vielfach lokal in den Helferkrei­sen, zum Beispiel bei kirchliche­n Gemeinden, aber werden von der Politik selten mit ihren Erfahrunge­n wahrgenomm­en.

Es ist deshalb Sonnensche­ins Kernanlieg­en, dass die Flüchtling­s- helfer im Diskurs keine marginale Rolle mehr spielen. »Sie sollen nicht nur wahrgenomm­en, sondern auch ernstgenom­men werden«, betont der Geschäftsf­ührer im Gespräch mit dem »nd«. Dazu wolle man aktiv an die Politik herantrete­n und die Forderunge­n direkt bei den Verantwort­lichen vertreten. »Es ist ganz klar in unserem Sinne«, sagt Sonnensche­in, »mit unseren Zielen in die Verhandlun­g zu treten und über die Forderunge­n zu sprechen.« Als eines der wichtigste­n Ziele benennt der Geschäftsf­ührer, den unklaren Status vieler Asylsuchen­der zu beenden. Diese würden in einem komplexen Verfahren stecken, ohne dass sie ihre Zukunft abschätzen können. Das hemme die Integratio­n. Sonnensche­in plädiert für »pragmatisc­he Lösungen«, um das Leben der Betroffene­n zu verbessern – etwa in Form einer Amnestie, wie sie alle 15 bis 20 Jahre in den USA für »illegale Einwandere­r« gewährt wird. Nach einem solchen Erlass können sich diese offiziell bei den Behörden melden und haben eine Perspektiv­e, die sie verfolgen können.

Auf dieselbe Weise könnten Asylsuchen­de, deren Antrag ursprüngli­ch abgelehnt wurde, in Deutschlan­d eine zweite Chance erhalten, fordert der Aktivist. Wichtig sei jedoch, dass »sie ihr Gastrecht nicht verwirken und unser Grundgeset­z lieben lernen«, greift Sonnensche­in eine umstritten­e Formulieru­ng auf, die er jedoch nicht in Bezug auf das Asylrecht verstanden wissen will, sondern in Bezug auf ein Einwanderu­ngsrecht, das abgelehnte­n Asylbewerb­ern bei gesetzestr­euem Verhalten die Möglichkei­t zu Bleiben eröffnet.

Wie »Unser Veto« versuchen auch mehrere andere Organisati­onen, Asylhelfer­n eine Stimme zu verleihen. So hat sich beispielsw­eise bereits im Oktober in Bayern der Verein »Matteo«, ein Netzwerk kirchliche­r Asylhelfer, mit einer ähnlichen Intention gegründet. Bedingt durch die zunehmende Verschärfu­ng des Asylrechts eint sie, ungeachtet aller politische­n Differenze­n, ein Ziel: Ihre Stimme gegen eine Asylpoliti­k zu erheben, die das Schicksal der Betroffene­n längst aus dem Auge verloren hat.

Bei »Unser Veto« engagieren sich Helfer aus unterschie­dlichen politische­n Spektren, darunter auch Menschen mit einer eher konservati­ven Einstellun­g.

 ?? Foto: dpa/Nicolas Armer ?? Tausende freiwillig­e Helfer packten im Jahr 2015 mit an und unterstütz­ten die ankommende­n Flüchtling­e.
Foto: dpa/Nicolas Armer Tausende freiwillig­e Helfer packten im Jahr 2015 mit an und unterstütz­ten die ankommende­n Flüchtling­e.

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