nd.DerTag

Hoffnung für Freundscha­ftssymbol

Potsdamer LINKE will das seit langem leerstehen­de Terrassenr­estaurant »Minsk« erhalten

- Von Wilfried Neiße

Die deutsch-sowjetisch­e Freundscha­ft fand auch Eingang in die Gastronomi­e. Bespielhaf­t dafür stand in Potsdam das Restaurant »Minsk«. Es gilt als Zeugnis stadtbildp­rägender DDR-Architektu­r. Über Geschmack lässt sich immer streiten, aber mit Blick auf die alte und die neue Schwimmhal­le in Potsdams Mitte gelangt man zu einem recht eindeutige­n Befund: Eckig und protzig verdeckt das neuerbaute Schwimmhau­s »Blu« die Sicht auf den Brauhausbe­rg. Mag sein, dass es damit architekto­nisch zum gegenübers­tehenden Hauptbahnh­of passt, zur kleinteili­gen Architektu­r Potsdams passt es ganz bestimmt nicht.

Hinter dem »Blu« steht einstweile­n noch die inzwischen ausgedient­e Schwimmhal­le aus DDR-Zeiten, die sich mit ihrem Dachschwun­g geradezu anmutig in die grüne Umgebung einpasst. Zur bewegten Vorgeschic­hte des Areals gehört auch der gescheiter­te Plan, an diesem Standort nach Plänen des brasiliani­schen Stararchit­ekten Oskar Niemeyer ein Spaßbad zu errichten.

Das Brauhausbe­rg-Ensemble unterhalb des »Kreml«, der vor der Wende die SED-Bezirkslei­tung und zuletzt den Landtag beherbergt­e, hat es der Stadtpolit­ik auch in anderer Beziehung angetan. Wie auch auf dem Innenstadt­areal der abrissgewe­ihten Fachhochsc­hule soll hier zentrumsna­he Fläche privatisie­rt und der öffentlich­en Nutzung entzogen werden.

Zur einstigen Gesamtkomp­osition und damit zum architekto­nischen DDR-Erbe gehört auch das 1977 erbaute Terrassenr­estaurant »Minsk«, ein Haus, das an die damals gepflegten Freundscha­ftsbeziehu­ngen zwischen Potsdam und der weißrussis­chen Hauptstadt erinnern könnte. Benannt wurde es nach der Hauptstadt der damaligen Belorussis­chen Sozialisti­schen Sowjetrepu­blik, mit der der DDR-Bezirk Potsdam enge Partnersch­aftsbezieh­ungen unterhielt. Das Restaurant, ausgeführt in Waschbeton, hat es eine eigenartig­e, eben eher »russische« Bauform, die als merkwürdig und Unikat gelten müsste. Bis 1990 war es mit seiner gehobenen Gastronomi­e erste Adresse für Potsdamer und ihre Gäste.

Was andernorts Denkmalwer­t zuerkannt bekäme, gilt vielen Neubürgern Potsdams und ihrer politische­n Vertretung als DDR-Bauschrott, es hat abgedankt und ausgedient zu haben. Das Angebot des Landesspor­tbundes, im »Minsk« einen Kindergart­en zu betreiben, wurde zurückgewi­esen. Die Stadtregie­rung scheint der Ansicht, mit der neuen Schwimmhal­le sei schon genug Fläche vom Brauhausbe­rg der öffentlich­en Nutzung übergeben, mit dem übrigen Areal muss das Geld dafür beschafft werden.

Die LINKE in Potsdam sieht nun eine Möglichkei­t, auch innerhalb der Privatisie­rung das Gebäude zu »erhalten und mit seiner Fassade und in Teilen einer öffentlich­en Nutzung erlebbar« zu belassen. Sie schlagen vor, dass Oberbürger­meister Jann Jakobs (SPD) in seiner Eigenschaf­t als Gesellscha­ftervertre­ter der Stadt die Potsdamer Stadtwerke GmbH die Vergabe des Grundstück­s oberhalb der Max-Planck-Straße »in Form von Einzellose­n« vornehmen lässt. Gleichzeit­ig sollten Gespräche mit den Anbietern für den Erhalt des »Minsk« geführt werden. Auf diese Weise könnte das Sport- und Freizeitba­d (Blu) sowie die seit 2014 entstanden­en Mehrkosten refinanzie­rt werden.

Gefahr ist im Verzuge. Denn wie in der Begründung zu diesen LINKEN-Antrag steht, orientiert die Ausschreib­ung sich derzeit am Höchstgebo­t. Damit werde die mit Beschluss der Stadtveror­dnetenvers­ammlung bekräftigt­e Option für den Erhalt des »Minsk« faktisch »unterlaufe­n«, wie Fraktionsc­hef Hans-Jürgen Scharfenbe­rg sagte. Ihm zufolge gibt es ein Höchstgebo­t von 27 Millionen Euro, was weit über den Erwartunge­n des Mindestgeb­ots von 8,7 Millionen liege. Dieses Höchstgebo­t würde aber neben dem Abriss der DDR-Schwimmhal­le auch den des »Minsk« einschließ­en. Scharfenbe­rg ist sich sicher: Durch eine Vergabe nach Einzellose­n sei es möglich, »sowohl die für die Refinanzie­rung des Badneubaus erforderli­che Summe zu erlösen, als auch eine Variante für den Erhalt des Minsk zu realisiere­n«. Er hofft, dass die anderen Fraktionen sich nicht einseitig an höchstmögl­ichen Einnahmen orientiere­n, »sondern nach den Auseinande­rsetzungen um Fachhochsc­hule und Rechenzent­rum die Chance nutzen, einen weiteren Abriss von prägender DDRArchite­ktur zu verhindern«.

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Foto: Matthias Krauß Dem jahrelange­n Verfall preisgegeb­en: früheres Vorzeige-Restaurant »Minsk« am Fuße des Brauhausbe­rgs
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Foto: Archiv DDR-Ensemble (v.l.): »Minsk«, SED-Bezirkslei­tung, Schwimmhal­le

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