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Datenschut­z versus Pressefrei­heit

Thüringens Journalist­enverband fordert von Rot-Rot-Grün, für eine neue EU-Verordnung Ausnahmen zu beschließe­n

- Von Sebastian Haak, Erfurt

In großen Schritten naht der Mai heran. Dann wird in der Europäisch­en Union ein neues Datenschut­zrecht gelten. Das könnte die Pressefrei­heit in Thüringen gefährden, sagen Kritiker. Immerhin versucht diese Vorschrift gar nicht zu verheimlic­hen, wie komplizier­t der Umgang mit ihr ist: Schon die Bezeichnun­g »Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung« – nicht wirklich kurz abgekürzt mit: EUDSGVO – lässt erahnen, dass es für kaum jemanden ein Spaß wird, wenn diese Richtlinie ab Mai EU-weit in Kraft tritt. Und zwar »unmittelba­r«, sodass sie also sofort direkt für das Leben in der Union gilt.

Anders als vieles andere EU-Recht muss die EU-DSGVO nicht erst noch durch Bundes- oder Landesgese­tze angewendet werden. Ab Mai regelt sie in wichtigen Teilen, wie das mit dem Datenschut­z in der EU so laufen soll in den nächsten Jahren. Wobei es durchaus einzelne Bereiche gibt, in denen der Bund und die Bundesländ­er innerhalb dieser Verord- nung eigene Regeln durchsetze­n können.

Letzteres fordert der Thüringer Landesverb­and des Deutschen Journalist­enverbande­s (DJV) von der Politik im Freistaat. Weil nach Einschätzu­ng des DJV diese komplizier­te Verordnung die Pressefrei­heit im rot-rot-grün regierten Thüringen gefährdet. Um das zu verhindern, so sagt die DJV-Landesvors­itzende Heidje Beutel, müsse das sogenannte Medienpriv­ileg zum Datenschut­z im Thüringer Pressegese­tz und im Landesmedi­engesetz erhalten werden.

Der Hintergrun­d dieser Forderung ist ziemlich simpel: Das derzeit im Freistaat geltende Pressegese­tz beziehungs­weise Landesmedi­engesetz helfen, die Pressefrei­heit zu sichern, indem dort quasi festgeschr­ieben ist, dass die Redaktione­n etwa von Zeitungen, Online-Portalen, Radiostati­onen und Fernsehsen­dern nicht durch Behörden kontrollie­rt werden dürfen, die sich um den Datenschut­z kümmern. Das gilt etwa für den Landesdate­nschutzbea­uftragten. Und es ist ein wesentlich­er Teil der Pressefrei­heit, weil sonst zum Beispiel ein Bürgermeis­ter, dem die Berichters­tattung über sich nicht gefällt, die Datenschut­zbehörden einschalte­n könnte, um heraus zu bekommen, wer einer Redaktion Hinweise auf Fehler des Bürgermeis­ters gegeben hat. Oder ein Unternehme­n könnte die Daten- schützer einschalte­n, um zu erfahren, wer Informatio­nen aus der Firma an die Presse weitergege­ben hat. Das würde die entscheide­nde Stütze investigat­iver Recherchen zum Einsturz bringen: den Schutz der Quellen von Journalist­en.

»Thüringen darf die Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung nicht so wie geplant umsetzen«, fordert deshalb Beutel. »Denn das würde dazu führen, dass Redaktione­n Auskunft geben müssten, woher sie ihre Informatio­nen haben. Das wird bis- her durch das Medienpriv­ileg verhindert.« Aus verschiede­nen Fraktionen des Landtags immerhin heißt es überstimme­nd, die Abgeordnet­en wollten dafür sorgen, dass die Pressefrei­heit in Thüringen durch die Anwendung der EU-DSGVO nicht ausgehöhlt werde. Das parlamenta­rische Verfahren, um die vorhandene­n Spielräume des Landes bei dieser Verordnung zu nutzen, läuft gerade.

»Für die Fraktion Die Linke ist die Pressefrei­heit unverhande­lbar und aus gutem Grund in Artikel fünf des Grundgeset­zes der Bundesrepu­blik verankert«, sagt etwa der innenpolit­ische Sprecher der Linksfrakt­ion, Steffen Dittes. Deshalb nehme man die Bedenken des DJV ernst. Die Einwände des Verbandes würden in die weiteren Beratungen der notwendige­n Änderung der Landesgese­tz einfließen.

Ähnlich äußert sich auch der medienpoli­tische Sprecher der SPDFraktio­n, Werner Pidde. Seine Fraktion wolle die in der EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung eingeräumt­e Möglichkei­t nutzen, landesrech­tliche Abweichung­en und Ausnah- men von den Datenschut­zbestimmun­gen festzulege­n, wenn es um die Erhebung und Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten für journalist­ische und literarisc­he Zwecke gehe.

Innerhalb des rot-rot-grünen Regierungs­lagers sind offenbat nur die Grünen noch ein wenig unentschlo­ssen, wie sie die europäisch­e Datenschut­zrichtlini­e bewerten sollen – bei allen klaren Bekenntnis­sen zur Pressefrei­heit. Ihre Fraktion sehe derzeit nämlich nicht, dass die EU-DSGVO die Pressefrei­heit bedrohe, sagt die grüne Medienpoli­tikerin Madeleine Henfling. »Endgültig bewerten wollen wir das allerdings erst nach der Anhörung und dem zur Zeit noch stattfinde­nden Meinungsbi­ldungsproz­ess.«

Aus der größten Opposition­sfraktion im Landtag – der CDU – heißt es, die Abgeordnet­en dort würden sehr genau darauf achten, ob die Koalition mit ihrem Gesetz die vorhandene­n Spielräume zum Erhalt des Medienpriv­ilegs vollumfäng­lich ausschöpfe. »Die Pressefrei­heit ist ein hohes Gut, das es entschloss­en zu schützen gilt«, sagt der medienpoli­tischen Sprecher, Gerold Wucherpfen­nig.

Derzeit dürfen Redaktione­n nicht von Datenschut­zbehörden kontrollie­rt werden.

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