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Minusgesch­äfte mit Seecontain­ern

Der größte Containerv­ermittler P&R in München hat Insolvenz angemeldet

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Schifffahr­tskrise kommt Kapitalmar­ktanleger teuer zu stehen: Nach der HSH Nordbank trifft es nun viele, die ihre Rente mittels Container aufbessern wollten. Dennoch scheint die Gier ungebroche­n. Ist das die Wende? Ein halbes Jahrhunder­t, nachdem im Hamburger Hafen das erste Containers­chiff abgefertig­t worden war, stellt der Marktführe­r in der Containerv­ermittlung einen Insolvenza­ntrag. Der Finanzdien­stleister P&R ist pleite. Dabei galt das maritime Unternehme­n aus München noch vor kurzem als geschätzte­r Akteur, der seit 1975 Millionen von Stahlboxen finanziert hat. Nun zittern 51 000 Kapitalanl­eger um ihr Geld. Es geht um bis zu 3,5 Milliarden Euro – und möglicherw­eise um einen der größten Finanzskan­dale.

Lange galten Seecontain­er als Gelddruckm­aschine. Globalisie­rung, Welthandel und damit die Schifffahr­t boomten. Gleichzeit­ig veränderte eine internatio­nal standardis­ierte, 20 Fuß große Box aus Stahl die Logistik: Immer mehr Waren wurden nicht mehr in Säcken oder als loses Schüttgut über die sieben Meere geschipper­t, sondern in Standardco­ntainern (TEU). Der Index für den weltweiten Containeru­mschlag, den das RWILeibniz-Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen erstellt, legte nach der Finanzkris­e 2008 in kurzer Zeit um die Hälfte zu und raste von 80 auf über 120 Punkte. Selbst Kaffeebohn­en und Autos werden seither in Containern transporti­ert. Schnell wurden die Boxen dann jedoch knapp. Auch, weil zeitweilig nur eine Firma in Südkorea größere Stückzahle­n produziert­e.

Diese Knappheit machte den Boxen-Handel besonders lukrativ. Bald tummelten sich Banken und Finanzdien­stleister auf diesem Markt. Einer der größten Akteure wurde P&R. Zuletzt verwaltete der Finanzdien­stleister 1,25 Millionen Container. Allein mit diesen Boxen ließe sich der Betrieb in Deutschlan­ds größtem Hafen vollständi­g abwickeln.

P&R hatte Container zur privaten Geldanlage angeboten. Zehntausen­de Anleger kauften von den Münchnern Boxen. P&R vermietete­n sie für einige Jahre in der Transporti­ndustrie. Dafür wurde dem Anleger auf seinem Konto eine Miete gutgeschri­eben. Am Ende der Vertragsla­ufzeit kaufte P&R die Container dann zurück. So sah der Plan aus, der lange aufging. Doch nun kann P&R die Container weder zurückkauf­en, noch die Mietzahlun­gen aufbringen.

Seit Jahren steht die Logistikbr­anche unter Druck, weil zu viele Schiffe sich auf den Meeren tummeln und Ladung suchen. Schiffsfin­anziers wie die HSH Nordbank trieb dies in den Untergang. Längst übersteigt die Zahl der Container deren Nachfrage deutlich. Doch erst Anfang März teilte P&R seinen Kunden mit, dass fällige Mietund Rückzahlun­gen nicht fristgerec­ht erfolgen könnten. Der Insolvenza­ntrag überrascht­e Beobachter dann kaum noch.

Schon vor Jahren waren als solide geltende Finanzdien­stleister wie die Investment­tochter des Hamburger Hafenbetri­ebs Buss aus dem Neugeschäf­t mit Containern ausgestieg­en. Vor zwei Jahren musste mit Magellan Maritime Services ebenfalls ein deutscher Anbieter von Container-Investment­s aufgeben. Knapp 10 000 Anleger hatten zu jenem Zeitpunkt rund 350 Millionen Euro investiert. Immerhin gelang es dem Insolvenzv­erwalter später, über Hunderttau­send Boxen im Paket für etwa 160 Millionen Euro zu verkaufen. Was die Verluste der Anleger begrenzen dürfte.

Bis zum Jahr 2014 war dieser sogenannte graue Kapitalmar­kt kaum reguliert. Neben seriösen Vermittler­n, fanden sich dort Abzocker, die wenig informiert­en Laien Anlagen mit hohen Renditever­sprechen verkauften. Erst eine Reform des Kapitalanl­agegesetze­s (KAGB) brachte strengere Regeln. Doch ein Ruhekissen bietet dies nicht. So warnen Verbrauche­rschützer nicht erst seit der jüngsten Pleite vor solchen Anlagen. »Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass es an Transparen­z auf dem grauen Kapitalmar­kt mangelt«, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbrauche­rzentrale Bremen. Sie kritisiert die »intranspar­ente Preisbildu­ng« der meisten Anbieter.

»In der Werbung werden die Risiken oft verharmlos­t und die Vorteile hingegen betont«, erklärt Oelmann. Verbrauche­r sollten bei risikoreic­hen Anlagen vorsichtig sein. »Diese sind für die klassische Altersvors­orge für die meisten Menschen nicht geeignet.« Inzwischen sind es nicht mehr Container und Schiffe, die den grauen Markt anführen. Angesichts rasant wachsender Mietpreise werben Finanzdien­stleister und Banken vor allem für Immobilien-Investment­s und Flugzeuge.

P&R will nach Firmenanga­ben den Betrieb weltweit fortführen, um »eine geordnete Verwertung« der Container zu ermögliche­n. Ob in der Vergangenh­eit immer alles rechtens zugegangen ist oder P&R ein »Schneeball­system« nutzte, wird erst das Insolvenzv­erfahren zeigen. Die SdK Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger rät Betroffene­n, den Verfahrens­verlauf »in den kommenden Monaten« zunächst abzuwarten.

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Foto: dpa/Christian Charisius Die Zeit der guten Geschäfte mit Seecontain­ern sind vorbei.

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