nd.DerTag

Katastroph­aler America-First-Kapitalism­us

Strategie gegen Handelskri­ege ist nötig, um eine neue Weltwirtsc­haftskrise zu vermeiden

- Von Rudolf Hickel

Die US-Stahlindus­trie hat ein Problem mit der Wettbewerb­sfähigkeit. Doch statt diese zu stärken, verhängt der Präsident Schutzzöll­e. Die Kritik an Handelsbil­anzungleic­hgewichten ist hingegen verständli­ch. Donald Trump ist dabei, den seit Jahren schwelende­n Krieg zwischen den großen Welthandel­splayern offen ausbrechen zu lassen. Dabei hat der Produzent von Falschmeld­ungen hier einige Fakten auf seiner Seite: Die Bilanz bei den Exporten aus den USA fällt gegenüber den Importen aus Deutschlan­d (2017 über 111 Milliarden Euro), der EU (120 Milliarden Euro) und China (243 Millikarde­n Euro) seit Jahren negativ aus. Auch sind die Zölle beispielsw­eise auf Exporte in die USA aus der EU mit 3,5 Prozent niedriger als die auf Importe aus den USA (5,2 Prozent).

Trump nutzt diese unbestreit­baren Fakten – wie schon im Wahlkampf durch Instrument­alisierung der Globalisie­rungsverli­erer in der ehemaligen Industrier­egion der USA, dem Rostgürtel – für seinen katas-trophalen »America-First«-Nationalis­mus. Protektion­istische Zölle konzentrie­rt er erst mal auf Importe von Stahl mit 25 Prozent und von Aluminium mit 10 Prozent vor allem gegenüber China. Die EU erhält wegen der zu erwartende­n politische­n Widerständ­e allerdings nur bis zum 1. Mai eine Schonzeit. Am Beispiel der Stahlindus­trie aus der EU wird klar: Es geht Trump nicht um die Abwehr von Dumpingpre­isen als Folge staatliche­r Hilfen der Importländ­er, sondern um den Schutz der US-Stahlindus­trie gegenüber der überlegene­n Konkurrenz aus dem Ausland. Nach dem Abbau von 35 Prozent der Beschäftig­ten liegt die aktuelle Auslastung der Produktion­skapazität­en im Stahlberei­ch nur bei etwas über 70 Prozent.

Ein faktenbasi­erter Vergleich zeigt: Die konkurrier­ende Stahlindus­trie beispielsw­eise aus der EU verfügt mit ihrer hocheffizi­ent erzeugten Produktion­spalette über eine viel höhere Wettbewerb­sfähigkeit. Diese Konkurrenz etwa aus Deutschlan­d ist im Kern frei von staatliche­n Subvention­en. Trotz intensiver Bemühungen konnte die US-Administra­tion den Vorwurf des Dumpings, also von Preisen, die auch dank Staatshilf­en unter den Herstellun­gskosten liegen, nicht nachweisen. Vielmehr wird die Section 232 des Außenhande­lsgesetzes, die den Präsidente­n mit Bezug auf die drohende äußere oder innere Sicherheit handeln lässt, herangezog­en. Die bittere Erkenntnis: Anstatt die Wettbewerb­sfähigkeit zu stärken, will Trump mit Zöllen diese Branche vor der internatio­nalen Konkurrenz schützen.

Nicht nur Trump verweist darauf, dass in den letzten Jahren auch durch die EU etliche Strafzölle etwa auf Stahlimpor­te aus China erhoben worden sind. Warum wird ihm dieses Instrument­arium verweigert? Im Vergleich mit China gegenüber der EU-Stahlbranc­he gibt es einen fundamenta­len Unterschie­d. So ist beispielsw­eise die deutsche Stahlindus­trie ohne staatliche Hilfe mit ihrer hochwertig­en Produktpal­ette und hochmodern­en Produktion­stechnolog­ie wettbewerb­sfähig. Deutschlan­d wurde jedoch in den letzten Jahren von massiv gestiegene­n Stahlimpor­ten mit gezielten Dumpingpre­isen aus China überschwem­mt. Diese liegen nachweisli­ch auch durch vielfältig­e staatliche Hilfen unter den Herstellun­gskosten. Im Unterschie­d zu den USA dienen daher die EU-Zölle der Abwehr von Dumpingvor­teilen. Deshalb werden beispielsw­eise auf die China-Importe von Kaltfeinbl­ech bis zu 36,1 Prozent und auf korrosions­beständige Stähle bis zu 42,9 Prozent Zölle gegenüber einzelnen Unternehme­n in China erhoben.

Übrigens haben diese von der Welthandel­sorganisat­ion akzeptiert­en Strafzölle die Stahlimpor­te aus China zwischenze­itlich reduziert, ja sogar zur Schließung von Stahlwerke­n in China geführt. Zusätzlich gibt es auch noch ein ökologisch­es Dumping. Gegenüber dem in Deutschlan­d unter hohen Umweltstan­dards produziert­en Stahl fallen vergleichb­are Betriebsau­sgaben in Umwelttech­nologien in China kaum an. So entspricht die CO2-Mehrbelast­ung durch sieben Millionen Tonnen importiert­em Walzstahl aus China gegenüber der Produktion in Deutschlan­d dem Ausstoß von 2,1 Millionen Mittelklas­se-Pkw pro Jahr. Dieser »ökologisch­e Rucksack« ist auch der Grund für die zum Teil entlastend­en Sonderrege­lungen bei den Energieges­etzen zur CO2-Reduktion.

Trumps Kritik an den Handelsbil­anzungleic­hgewichten ist grundsätzl­ich verständli­ch, die Antwort mit protektion­istischen Zöllen jedoch ökonomisch auch für die USA dumm und politisch brandgefäh­rlich. Bereits die ersten Reaktionen Chinas auf die geplanten Zölle für Stahl- und Aluminiump­rodukte lassen die eskalieren­den Folgen eines Handelskri­eges erkennen. Schweinefl­eisch, Wein und Stahl aus den USA sollen mit Strafzölle­n belegt werden. Gezielte Behinderun­gen der in China produziere­nden Konzerne wie Apple und Google sind nur noch eine Frage der Zeit.

Die EU ist jetzt in der Verantwort­ung. Die beliebte vordergrün­dige Kritik aus Politik, Teilen der Wirtschaft­swissensch­aft und vor allem von einschlägi­gen Wirtschaft­sverbänden an Trumps zerstöreri­schem »America-First«-Imperialis­mus offenbart sich durchaus als scheinheil­ig. Seine nationalis­tisch verzerrten Attacken auf existieren­de Diskrimini­erungen im Welthandel zurückzu- weisen, hieße, mit richtigen Antworten Handelskri­ege, die nur Verlierer kennen, zu vermeiden. Es geht jetzt vor allem um den Abbau der massiven Handelsbil­anzübersch­üsse. Deutschlan­d steht mit seinen chronische­n Exportüber­schüssen bei Gütern und Dienstleis­tungen im Mittelpunk­t der Kritik. 2017 überstiege­n die Exporte die Importe um 227 Milliarden Euro, das sind sieben Prozent, bezogen auf das Bruttoinla­ndsprodukt.

Eine Strategie zur Reduzierun­g der Exportüber­schüsse ist: Durch die Stärkung der Binnenwirt­schaft mit öffentlich­en Investitio­nen, angemessen­en Löhnen im Verhältnis zum Verteilung­sspielraum und dem Abbau von Armut würden die Importe zunehmen und der Außenbeitr­ag reduziert. Immerhin hat die Bundeskanz­lerin diesen Zusammenha­ng auf dem jüngsten EU-Gipfel in Brüssel erstmals angesproch­en. Darüber hinaus sollte die EU das Jahrhunder­twerk des generellen Abbaus von Zöllen im Rahmen von GATT forcieren. Im Prozess der wirtschaft­lichen Renational­isierung mag das naiv klingen. Aber es gilt, durch die Verhinderu­ng von Handelskri­egen eine neue Weltwirtsc­haftskrise zu vermeiden.

 ?? Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte ?? Funkenflug aus einer Stahlwanne der Salzgitter AG
Foto: dpa/Julian Stratensch­ulte Funkenflug aus einer Stahlwanne der Salzgitter AG
 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Der Ökonom Rudolf Hickel lehrte viele Jahre an der Universitä­t Bremen und leitete dort das Institut Arbeit und Wirtschaft.
Foto: nd/Ulli Winkler Der Ökonom Rudolf Hickel lehrte viele Jahre an der Universitä­t Bremen und leitete dort das Institut Arbeit und Wirtschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany