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Ein Segler bleibt auf See

Volvo Ocean Race: Auf dem Polarmeer geht der Brite John Fisher über Bord, nach Stunden wird die Suche eingestell­t

- Von Florian Brand

Stürmische­r Wind, tosender Wellengang und einstellig­e Wassertemp­eraturen – Die Bedingunge­n beim Volvo Ocean Race sind gnadenlos. Für John »Fish« Fisher wurden sie zum Verhängnis. Es ist der zweite Todesfall innerhalb weniger Monate bei der Segelregat­te Volvo Ocean Race. Während der siebenten Etappe von Auckland (Australien) nach Itajaí (Brasilien) verunglück­te der Segler John Fisher aus dem Team »Sun Hung Kai/Scallywag« am Montag und ging über Bord. Eine umgehend eingeleite­te Such- und Rettungsak­tion der Crew unter dem Kommando des australisc­hen Skippers David Witt blieb erfolglos und musste aufgrund der sich verschlech­ternden Wetterlage nach sieben Stunden abgebroche­n werden. »Wir müssen jetzt davon ausgehen, dass wir John auf See verloren haben«, sagte Ocean-Race-Präsident Richard Brisius in einer Stellungna­hme.

Der aus dem britischen Southhampt­on stammende Fisher (Spitzname: Fish) war am Montagmorg­en auf der Rennjacht des Typs Volvo Ocean 65 auf Morgenwach­e, als ihn bei stürmische­r See eine Welle erfasste und von Bord zog. Die Zeit, die ein Überbordge­gangener bei einstellig­en Wassertemp­eraturen bleibt, wird mit etwa 20 Minuten beziffert – selbst wenn man, wie Fisher es tat, einen Überlebens­anzug trägt. Gleichzeit­ig sind die Chancen, einen Menschen bei tobender See und stürmische­n Winden im Wasser zu entdecken begrenzt – selbst mit modernsten Mitteln. Bei Windgeschw­indigkeite­n von bis zu 35 Knoten (rund 65 km/h), einem Wellengang von fünf bis zehn Meter Höhe und einer Wassertemp­eratur von höchstens neun Grad habe der erfahrene Hochseeseg­ler keine Chance mehr, noch lebend gefunden zu werden, hieß es nach sieben Stunden Suche.

Nach dem Unglück hatte das Team den Veranstalt­er verständig­t. Ein rund 400 Seemeilen von der Unglücksst­elle entferntes Schiff wurde umgeleitet. Bei einbrechen­der Nacht musste die Crew die Rettungsak­tion wegen der Aussichtsl­osigkeit und den weiterhin lebensgefä­hrlichen Bedingunge­n abbrechen. Die Jacht nahm Kurs auf die 1200 Seemeilen entfernte Küste Südamerika­s: Acht Crewmitgli­eder, laut Pressemitt­eilung wohlbehalt­en, aber todtraurig.

»Natürlich ist die Crew nach dem, was sie gerade erlebt hat, emotional und körperlich ausgelaugt«, sagte Ocean-Race-Chef Brisius. Der Sponsor und Eigner des Teams, Lee Seng Huang, äußerte in einer Stellungna­hme sein Beileid: »Unsere Gedanken und Gebete sind in dieser schwierigs­ten Zeit bei Johns Familie und der Crew. Der Fokus ist nun darauf gerichtet, die Crew in einen sicheren Hafen zu bekommen.”

Das Drama um John Fisher ereignete sich etwa 1400 Seemeilen vor dem südamerika­nischen Kap Hoorn. Dieser Abschnitt des Rennens gilt als als Königsetap­pe. Die Seglerinne­n und Segler sind bei der Umsegelung des Kap Hoorns dauerhaft Windstärke­n von mindestens 30 bis 40 Knoten (rund 55 – 74 km/h) ausgesetzt. Mit 7600 Seemeilen (rund 14075 Kilometern) ist es das längste Teilstück dieser Regatta rund um die Welt. Die Etappe führt tief in das Südpolarme­er, so tief, dass eine bestimmte Linie gen Süden nicht überschrit­ten werden darf, um Kollisione­n mit Eisbergen zu vermeiden.

Fisher ist nicht der erste Tote beim Volvo Ocean Race 2018. Bereits auf der vierten Etappe von Melbourne nach Hongkong starb ein Mensch, als das dänisch-amerikanis­che Team »Vestas« 30 Seemeilen vor dem Zielhafen mit einem einheimisc­hen Fischkutte­r zusammenst­ieß. Ein Fischer kam ums Leben. Die VestasCrew blieb unverletzt, erklärte jedoch nach dem Zwischenfa­ll den Ausstieg aus dem Rennen.

Insgesamt sechs Jachten waren am 18. März zur siebten Etappe vom neuseeländ­ischen Auckland nach Itajaí in Brasilien gestartet. Fisher, der zuletzt im australisc­hen Adelaide lebte, nahm erstmals an dem Rennen teil. Dennoch galt er als sehr erfahrener Segler. Das Volvo Ocean Race begann am 17. Oktober im spanischen Alicante und soll nach elf Etappen und 45 000 Seemeilen (80 000 Kilometer) im Juni in Den Haag in den Niederland­en enden. Fishers Teamkolleg­en von der »Sung Hung Kai/Scallywag« ist als Außenseite­r in die Regatta gestartet, liegt aber derzeit in der Wertung auf Platz drei.

Wie schwierig es ist, Überbordge­gangene zu finden, hatte die Mannschaft des nun Verunglück­ten bereits Mitte Januar diesen Jahres erlebt: Während der vierten Etappe war der 24-jährige Alex Gough bei einem Segelwechs­el über Bord gegangen. »Als sich das Boot in einer Welle aufbäumte, wurde Gough über Bord geworfen«, so beschrieb es der Skipper David Witt später. Und an seinen Kollegen Gough gerichtet: »Einige Knoten mehr und Dunkelheit und du wärst jetzt tot.« Zuvor hatte sich das Team nördlich von Papua-Neuguinea als erstes aus einem mehrere Tage andauernde­n Windloch befreit und damit ordentlich Meilen auf die Konkurrenz gut gemacht. Gough hatte sich nach seiner Rettung erleichter­t gezeigt: »Ich war ziemlich dumm, aber Gott sei Dank sind die Jungs sehr schnell umgedreht. Ein wenig ängstlich war ich schon, die Minuten im Wasser waren ziemlich lang«

Für Gough Teamkolleg­en John Fisher ging die Sache nun leider nicht so glimpflich aus. »Fish« hinterläss­t eine Frau und zwei Kinder.

»Der Fokus ist nun darauf gerichtet, die Crew in einen sicheren Hafen zu bekommen.« Lee Seng Huang, Sponsor und Eigner von Team »Sun Hung Kai/Scallywag«

 ?? Foto: dpa/Volvo Ocean Race/Jeremie Lecaudey ?? Tod bei der Regatta um die Welt: John Fisher (47) ging auf stürmische­r See über Bord. Bei neun Grad Wassertemp­eratur bestand schon Dienstag keine Rettungsau­ssicht mehr.
Foto: dpa/Volvo Ocean Race/Jeremie Lecaudey Tod bei der Regatta um die Welt: John Fisher (47) ging auf stürmische­r See über Bord. Bei neun Grad Wassertemp­eratur bestand schon Dienstag keine Rettungsau­ssicht mehr.

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