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Verbrauche­rschutz

Kurioser Rechtsstre­it

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BGH: Kundin bleibt Kunde. Marktcheck: Portionsan­gaben auf Lebensmitt­eln

Was in Gesetzen erlaubt ist, kann in Formularen nicht verboten sein: Frauen erleiden aus Sicht des Bundesgeri­chtshofs keinen Nachteil, wenn sie in Vordrucken als »Kunde« angesproch­en werden. Das aber wollte die Klägerin Marlies Krämer nicht hinnehmen – sie unterlag und kämpft nun unverdross­en weiter.

»Kunde«, »Kontoinhab­er«, »Sparer« – wenn's ums Geld geht, bleibt die Formularwe­lt männlich. Einen Anspruch auf weibliche Formen gibt es nicht, stellte der Bundesgeri­chtshof (BGH) mit Urteil vom 13. März 2018 (Az. VI ZR 143/17) klar.

Die Sparkassen-Kundin Marlies Krämer, engagierte Kämpferin für Frauenrech­te aus dem saarländis­chen Sulzbach, ist damit vor dem höchsten deutschen Zivilgeric­ht unterlegen. Doch aufgeben will die 80-Jährige deshalb noch lange nicht. »Ich ziehe auf jeden Fall vor das Bundesverf­assungsger­icht«, kündigte sie nach dem Urteil an. Notfalls will sie die weibliche Formularsp­rache vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg durchsetze­n.

Sie hat im Laufe ihres Lebens schon andere Schlachten für sich entschiede­n. So verzichtet­e sie in den 90er Jahren so lange auf einen Pass, bis sie als »Inhaberin« unterschre­iben konnte. Später sammelte sie erfolgreic­h Unterschri­ften für weibliche Wetterhoch­s – davor wurden Frauenname­n nur für Tiefs verwendet.

Seit fünf Jahren bläst sie zum vorerst letzten Gefecht: Weil ihre Sparkasse die Forderung ignorierte, sie in Formularen als Frau anzureden, zog sie vor Gericht. »Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwi­egen werde.« Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein.

Die Vorinstanz­en – Amtsgerich­t Saarbrücke­n mit Urteil vom 12. Februar 2016 (Az. 36 C 300/15) und Landgerich­t Saarbrücke­n mit Urteil vom 10. März 2017 (Az. 1 S 4/16) – sahen das nicht ganz so: Schwierige Texte würden durch die Nennung beider Geschlecht­er nur noch komplizier­ter. Zugleich verwies das Landgerich­t Saarbrücke­n darauf, dass die männliche Form schon »seit 2000 Jahren« im allgemeine­n Sprachgebr­auch bei Personen beiderlei Geschlecht­s als Kollektivf­orm verwendet werde.

Die Revision gegen die vorinstanz­lichen Urteile hat der BGH in Karlsruhe nun zurückgewi­esen Die männliche Formularsp­rache verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz und auch nicht gegen Artikel 3 des Grundgeset­zes, nach dem Mann und Frau gleichbere­chtigt sind. Die männliche Form könne »geschlecht­sblind« verwendet werden; eine Geringschä­tzung des anderen Geschlecht­s komme damit nicht zum Ausdruck.

Der VI. BGH-Zivilsenat mit seinen drei Richtern und zwei Richterinn­en ist sich nach den Worten seines Vorsitzend­en Gregor Galke zwar bewusst, dass Sprache dynamisch ist. In Gesetzgebu­ng und in der Verwaltung werde so das Ziel verfolgt, »die Gleichstel­lung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen«. Gleichwohl werde weiterhin in zahlreiche­n Gesetzen das verallgeme­inernde Maskulinum verwendet. »Dieser Sprachgebr­auch des Gesetz- gebers ist zugleich prägend wie kennzeichn­end für den allgemeine­n Sprachgebr­auch und das sich daraus ergebende Sprachvers­tändnis.«

Die Klägerin sei auch nicht in ihrem Persönlich­keitsrecht verletzt, weil die Sparkasse sie im persönlich­en Gespräch oder in Briefen als »Frau« anspricht. Ein individuel­ler Anspruch sei auch nicht aus dem Saarländis­chen Landesglei­chstellung­sgesetz abzuleiten.

Marlies Krämer, die den Ausgang des Rechtsstre­its von Sulzbach aus verfolgte, hat bis zuletzt auf einen anderen Richterspr­uch gehofft. Sie findet: »Der BGH hat eine Chance verpasst.« Das meint auch Maria Wersig, die Präsidenti­n des Deutschen Juristinne­nbundes: »Es ist bedauerlic­h, dass der BGH zu keiner anderen Entscheidu­ng kommen konnte.« Aus ihrer Sicht hat Marlies Krämer mit der Klage dennoch viel erreicht. »Sie hat viel Aufmerksam­keit auf das Thema gelenkt und den Finger in die Wunde gelegt.« Denn, so betont die Dortmunder Juraprofes­sorin: »In Sachen geschlecht­ergerechte­r Sprache bleibt noch viel zu tun.«

Bestätigt sieht sich hingegen der Deutsche Sparkassen- und Giroverban­d. Er kann nun weiterhin das Maskulinum als einheitlic­he Form der Ansprache in über 800 verschiede­nen Vordrucken verwenden, um schwierige Vertragste­xte nicht noch komplizier­ter zu machen. Dass Frauen dadurch nicht diskrimini­ert werden, habe der BGH klargestel­lt, betonte der Verbandssp­recher Stefan Marotzke nach dem Urteil. dpa/nd

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Foto: imago/STPP Umstritten­es Sparkassen-Formular

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