nd.DerTag

Auge um Auge

Stephan Fischer über die Logik eines neuen Kalten Krieges

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Die Osterzeit als eine Zeit der Besinnung und Einkehr – nicht in diesem Jahr, nicht in der internatio­nalen Politik: Just am Karfreitag bestellte Russland die Botschafte­r mehrerer Staaten ein, die Ausweisung­en von Diplomaten folgte. Dies ist eine Reaktion auf die Ausweisung russischer Diplomaten. Der wiederum die vermutete Beteiligun­g Russlands im Fall Skripal zugrunde liegt. Die Abfolge sich stetig aufschauke­lnder Reaktionen folgt dabei dem alttestame­ntarischen Prinzip des Strafens, des »Auge-um-Auge, Zahn-um-Zahn«.

Erstaunlic­herweise wissen die Beteiligte­n um die Sackgasse, in die sie sich damit begeben: Die jeweilige Reaktion des Gegenübers wird stante pede als »unangemess­en« bezeichnet, auch wenn sie eine genaue Spiegelung des eigenen vorherigen Schrittes ist. Nur kommen sie offenbar nicht aus dieser Logik heraus.

Man muss nicht unbedingt gläubig sein, um an den Ostertagen an eine andere Möglichkei­t, eine andere Logik zu denken – der neutestame­ntarischen des »Auch-die-andere-Wange-Hinhaltens«. Hoffnungsl­oser Idealismus, nur ein Fügen gegenüber der Gewalt? Es ist dort auch etwas anderes herauszule­sen – zwei zugewandte Wangen ermögliche­n erst den Blick in das Auge des Gegenübers. Und vielleicht das Erkennen der eigenen Ängste im Blick des anderen.

Wenn nur noch Glauben über vermeintli­che Absichten des anderen da ist – dann dreht sich die Eskalation­sspirale weiter. Wissen übereinand­er erlangt man nur im Dialog. Aber der erfordert verbale Abrüstung. Und Besinnung.

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