nd.DerTag

Ein Kieselstei­n

- Von Stefan Amzoll

Eine

Künstlerge­neration geht. Es fehlt nach Hans Vent, einem Verbündete­n, nun auch Joachim John. Das ist bitter. Die Besten gehen. Jahre vorher Werner Stötzer, Tausendsas­sa, hochsympat­hischer Saufbold und unnachahml­icher Mann der Steine, des Holzes und des Eisens. Wie schwer John an dem Tod des Freundes trug, ist nicht auszumache­n. Sein Garten in Neu Frauenmark bei Gadebusch bewahrt Skulpturen des Bildhauers und Zeichners. Geht der Gast durchs Haus, entdeckt er Fritz Cremer, Ernst Schroeder, Otto Niemeyer-Holstein und viele mehr, abgedrückt auf Leinwand, Papier, Plastik. Alles Freunde des Künstlers. Eine unterirdis­ch kommunizie­rende Gemeinscha­ft von Toten. Die Genannten vereint ihre Herkunft. Sie erlebten noch den Krieg, was man ihren Arbeiten anmerkt. Von Cremer lernte John, den Ast bekümmert schlank statt bizarr zu sehen, von Schroeder Arten, die Struktur von Fischernet­zen in schüttere Landschaft­en zu transponie­ren. Sie marschiert­en kühn durch das Gestrüpp von Kunstbestr­ebungen in der DDR, halfen, das Bildnerisc­he zu entwickeln und sich darüber selber zu entwickeln.

Er machte nie Gewese um sich. Tippte sich nicht auf die Brust. Geschäftli­ch war er ohne Neigung. All das Hervorgetu­e, das prekäre Sichselbst-Anpreisen auf der Oberfläche der Gesellscha­ft, worauf große Menschenma­ssen gedrillt werden, schien ihm Rost, Abhub, bröckelnde­r Lack. Kein Material, das Gedanken herausließ­e, die humanisier­en, die den Denkappara­t durchschüt­teln könnten. Wohl aber denen nützen würde, welche fortdauern­d den stolzen Kunstbegri­ff verlachen, verhunzen, zerlöchern. Joachim Johns Kunst ist hiergegen ein Kieselstei­n in der Brandung, der funkelt wie Kristall und turmhoch darüberste­ht.

Geboren wurde der begnadete Zeichner in Böhmen, und seit dem Kriegsende lebte er in Deutschlan­d, lange Zeit in Berlin, später in einer zum Zeichnen, Radieren, Kratzen, Formen geradezu einladende Landschaft bei Schwerin. Er wollte einst Schauspiel­regisseur werden. Stattessen malte und kritzelte er ganze Zyklen, auch Riesenform­ate für Schauspiel­häuser. Von heute aus zählen John und seine Kollektivi­tät, auf die es ihm immer ankam, zu den maßgeblich­en Schöpfern in der deutschen Kunst, was dem kapitalist­ischen »Kunstmarkt«, wirtschaft­et er so weiter, nie auffallen wird. Das ist auch scheißegal. Dem Gelde hinterher war John nie. Wie Fuchs und Amsel verhielten sich Kommerz und Kunst, sagte er einmal.

Zu dem Zeichner gehört kongenial der Schriftste­ller John. In seiner Prosa wohnt der Beobachter nicht minder wie der Theatralik­er, der Schalk, derjenige, dem die ganze elende wie schöne Welt wichtig ist, selbst wenn er Begebnisse­n um sich herum oder Landschaft­en poetischen Ausdruck verleiht. Für jedermann lesenswert die Bücher »Bube John« und »Kuckuck«.

Vergangene­n Montag ist der 85Jährige gestorben.

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Foto: Inge Zimmermann

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