Ein Kieselstein
Eine
Künstlergeneration geht. Es fehlt nach Hans Vent, einem Verbündeten, nun auch Joachim John. Das ist bitter. Die Besten gehen. Jahre vorher Werner Stötzer, Tausendsassa, hochsympathischer Saufbold und unnachahmlicher Mann der Steine, des Holzes und des Eisens. Wie schwer John an dem Tod des Freundes trug, ist nicht auszumachen. Sein Garten in Neu Frauenmark bei Gadebusch bewahrt Skulpturen des Bildhauers und Zeichners. Geht der Gast durchs Haus, entdeckt er Fritz Cremer, Ernst Schroeder, Otto Niemeyer-Holstein und viele mehr, abgedrückt auf Leinwand, Papier, Plastik. Alles Freunde des Künstlers. Eine unterirdisch kommunizierende Gemeinschaft von Toten. Die Genannten vereint ihre Herkunft. Sie erlebten noch den Krieg, was man ihren Arbeiten anmerkt. Von Cremer lernte John, den Ast bekümmert schlank statt bizarr zu sehen, von Schroeder Arten, die Struktur von Fischernetzen in schüttere Landschaften zu transponieren. Sie marschierten kühn durch das Gestrüpp von Kunstbestrebungen in der DDR, halfen, das Bildnerische zu entwickeln und sich darüber selber zu entwickeln.
Er machte nie Gewese um sich. Tippte sich nicht auf die Brust. Geschäftlich war er ohne Neigung. All das Hervorgetue, das prekäre Sichselbst-Anpreisen auf der Oberfläche der Gesellschaft, worauf große Menschenmassen gedrillt werden, schien ihm Rost, Abhub, bröckelnder Lack. Kein Material, das Gedanken herausließe, die humanisieren, die den Denkapparat durchschütteln könnten. Wohl aber denen nützen würde, welche fortdauernd den stolzen Kunstbegriff verlachen, verhunzen, zerlöchern. Joachim Johns Kunst ist hiergegen ein Kieselstein in der Brandung, der funkelt wie Kristall und turmhoch darübersteht.
Geboren wurde der begnadete Zeichner in Böhmen, und seit dem Kriegsende lebte er in Deutschland, lange Zeit in Berlin, später in einer zum Zeichnen, Radieren, Kratzen, Formen geradezu einladende Landschaft bei Schwerin. Er wollte einst Schauspielregisseur werden. Stattessen malte und kritzelte er ganze Zyklen, auch Riesenformate für Schauspielhäuser. Von heute aus zählen John und seine Kollektivität, auf die es ihm immer ankam, zu den maßgeblichen Schöpfern in der deutschen Kunst, was dem kapitalistischen »Kunstmarkt«, wirtschaftet er so weiter, nie auffallen wird. Das ist auch scheißegal. Dem Gelde hinterher war John nie. Wie Fuchs und Amsel verhielten sich Kommerz und Kunst, sagte er einmal.
Zu dem Zeichner gehört kongenial der Schriftsteller John. In seiner Prosa wohnt der Beobachter nicht minder wie der Theatraliker, der Schalk, derjenige, dem die ganze elende wie schöne Welt wichtig ist, selbst wenn er Begebnissen um sich herum oder Landschaften poetischen Ausdruck verleiht. Für jedermann lesenswert die Bücher »Bube John« und »Kuckuck«.
Vergangenen Montag ist der 85Jährige gestorben.