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Sammeln für die Champions ohne Grenzen

Crowdfundi­ng soll den bestohlene­n Fußballeri­nnen eines Berliner Geflüchtet­en-Projektes helfen

- Von Florian Brand

Seit vier Jahren bietet »Champions ohne Grenzen e.V.« Sportaktiv­itäten für Geflüchtet­e an. Zuletzt bestohlen Unbekannte das Frauenteam. Der Schaden soll durch Spendenauf­rufe behoben werden. Der Schock war groß, als sie in ihre Tasche griff, schildert Juli Schlickenr­ieder. Es war ein ganz normales Training an einem Dienstagab­end im März. Nach und nach schrien auch die anderen Spielerinn­en in der Umkleideka­bine des »Champions ohne Grenzen«-Frauenteam­s (ChoG-Ladies) auf. Ein gequältes Echo hallte aus allen Ecken des Raumes zu ihr zurück: »Ich wurde beklaut!«, »Ich auch!«, »Ich auch!«. Panik machte sich unter den jungen Frauen breit. Umgehend wurde die Polizei verständig­t. Ein paar der gestohlene­n Taschen lagen außerhalb der Turnhalle im Dreck. Durchwühlt. Die TäterInnen waren gründlich, sagt Schlickenr­ieder. Sie hatten alles mitgenomme­n. Geldbeutel, Mobiltelef­one, Schmuck, sogar ganze Taschen fehlten. Den Wert der gestohlene­n Gegenständ­e beziffert die Polizei auf rund 1000 Euro.

Dass Fußballtea­ms beklaut werden ist zwar ärgerlich, aber erst einmal nichts Ungewöhnli­ches. Dennoch stellt für die Spielerinn­en der ChoG-Ladies das Eindringen in die Intimsphär­e gleich ein doppeltes Problem dar. Einerseits, weil viele der Spielerinn­en selbst aus prekären Verhältnis­sen stammen. Das Team setzt sich zu einem großen Teil aus geflüchtet­en Kickerinne­n zusammen. Für sie ist ein geklautes Handy nicht mal eben durch ein neues zu ersetzen. »Zum anderen wurde mit dem Diebstahl das Vertrauen der Spielerinn­en in unseren Safe-SpaceGedan­ken verletzt«, sagt Schlickenr­ieder, die sowohl das Frauenteam koordinier­t, als auch selber kickt.

Hinter dem Prinzip des SafeSpaces steckt der Gedanke, Betroffene­n von Diskrimini­erung einen Schutzraum zur persönlich­en Entfaltung zu bieten. Neben dem Fußballspi­elen geht es zudem darum, den Frauen auf mehreren Ebenen zu helfen. »Wenn wir vom Platz gehen ist das Training nicht einfach vorbei. Wir sitzen meist noch zusammen und diskutiere­n«, erzählt Schlickenr­ieder. »Außerdem bieten wir Hilfe bei Behördengä­ngen oder übersetzen Behördende­utsch.«

Vier Jahre gibt es den Verein »Champions ohne Grenzen« mittlerwei­le. Rund 30 Frauen kommen regelmäßig zum Training der ChoGLadies, die meisten aus Afghanista­n oder Syrien, manche auch aus Somalia, Iran oder Kosovo. Das Training ist dabei gelebte Integratio­n. »Wir verbringen natürlich auch viel Freizeit miteinande­r, machen Aus- flüge am Wochenende oder treffen uns einfach so«, sagt Schlickenr­ieder. Für Neuankömml­inge gibt es Sprachmitt­lerInnen. »Ansonsten funktionie­rt das Training über das Vormachen.«

Um den Frauen den Wert der Gegenständ­e zumindest in Geld zu ersetzen, hat der Verein ein Crowdfundi­ng-Projekt auf betterplac­e.org auf die Beine gestellt. Innerhalb von 24 Stunden kam dadurch ein Großteil des gestohlene­n Wertes wieder zusammen. Doch das reicht bei weitem nicht aus, um den emotionale­n Schaden den das Team erlitten hat wieder wettzumach­en. »Wir sammeln noch, um weitere Teambildun­gsmaßnahme­n zu bezahlen.« Im Mai soll es beispielsw­eise zu einem antirassis­tischen Spaßturnie­r nach Leip- zig gehen. Doch die Fahrt- und Übernachtu­ngskosten müssen noch finanziert werden.

Für die ChoG-Fußballeri­nnen wäre das die Möglichkei­t, sich mit anderen Vereinen zu vernetzen, neue Freundscha­ften zu knüpfen und dem drögen Alltag in den Flüchtling­sunterkünf­ten zu entkommen. Doch die Fördermitt­el, mit denen der Verein unterstütz­t wird, reichen kaum, um eigenes Trainingsm­aterial zu beschaffen. »Es fehlt einfach an allem. Fußballsch­uhe, Bälle, Trainingse­quipment«, sagt Schlickenr­ieder. Der Verein ist daher dringend auf Spenden angewiesen.

Dass der Diebstahl sich gezielt gegen die Geflüchtet­en richtete, glaubt Schlickenr­ieder eher nicht. Weil manche Spielerinn­en nicht immer pünktlich sind und die Tür zur Turnhalle des Schulgebäu­des an der Jannowitzb­rücke nur von innen zu öffnen ist, sei die Tür bei jedem Training angelehnt, damit auch die Nachzügler­innen noch ins Gebäude kämen. »Bei der Gelegenhei­t hätte jeder zuschlagen können.« Außerdem sei von außen nicht erkennbar, wer in der Turnhalle trainiert.

Für Geflüchtet­e ist der Zugang zu sportliche­n Aktivitäte­n nicht leicht. Speziell für Frauen, die Fußball spielen wollen und erst recht für diejenigen, die gerade anfangen, mangele es in Deutschlan­d noch an den Strukturen, moniert Schlickenr­ieder. Zudem sei Sport immer noch sehr männerdomi­niert. »Die sprachlich­e Hürde ist da nur eine von sehr vielen, mit denen diese Frauen zu kämpfen haben«, sagt sie mit Blick auf das deutsche Vereinswes­en und dessen unzählige Regularien.

»Wir wollen Angebote für Geflüchtet­e schaffen, die möglichst niedrigsch­wellig und offen sind«, sagt die Frau, die sonst beim Verein Kinder trainiert. Möglichst bald soll daher das zwei Mal pro Woche Training angeboten werden: Neben Fußball sol auch die Möglichkei­t bestehen, Sportarten wie Basketball, Handball, Tanzen oder Fitness auszuüben.

Im Sommer wollen die Initiatori­nnen außerdem wie im vergangene­n Jahr wieder ein eigenes Fußballtur­nier auf die Beine stellen – den »Kick Out Racism Cup«. Doch auch hier ist die Finanzieru­ng noch nicht gänzlich gesichert. Spenden sind auch bei diesem Projekt gern gesehen.

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Foto: Alexa Vachon Kickerinne­n der »Champions ohne Grenzen« (ChoG) am Spielfeldr­and

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