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2018 als Jahr des Friedens

Bernd Lachmann aus Kirchmöser über seinen Kampf für eine atomwaffen­freie Welt

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Fühlen Sie sich angesichts der politische­n Großwetter­lage als Friedensak­tivist manchmal auf verlorenem Posten?

Ich habe bei meinen verschiede­nen Aktivitäte­n viele Menschen kennengele­rnt, die Angst vor einem möglichen Krieg haben, sich aber machtlos fühlen, etwas dagegen zu tun. Anderersei­ts habe ich auch viele Menschen erlebt, die sich schon sehr aktiv in den verschiede­nsten Organisati­onen für Frieden und gegen Krieg einsetzen. Ich vermisse nur eine wirkungsvo­lle Vernetzung der Friedensak­tivisten untereinan­der, manchmal trifft man auch auf bewusste Ablehnung, mit der einen oder anderen Gruppe zusammenar­beiten zu wollen.

An welchem Ostermarsc­h werden Sie in diesem Jahr teilnehmen?

Ich habe bereits in der vergangene­n Woche an dem Potsdamer Ostermarsc­h teilgenomm­en.

Sie haben eine Initiative gestartet, 2018 zum Jahr des Friedens zu machen. Was bezwecken Sie damit? Mit einem Offenen Brief an den Bundesvors­tand der Linksparte­i und alle Landes- und Kreisverbä­nde wollten wir unsere Mitglieder bundesweit dazu auffordern, Friedensak­tivitäten zu starten und dafür auch nach Verbündete­n bei Gewerkscha­ften, Vereinen, Kirchen und anderen Parteien zu suchen. Der Landespart­eitag hat am 18. März mit großer Mehrheit diesem Anliegen zugestimmt. Von Katja Kipping und Bernd Riexinger habe ich eine schriftlic­he Antwort erhalten. Beide zollen uns hohen Respekt für die geleistete­n Aktivitäte­n, haben aber gleichzeit­ig zum Ausdruck gebracht, dass der Parteivors­tand »… wegen vieler wichtiger Themen kein Jahr des Friedens ausrufen kann«. Mit dieser Aussage wollen wir uns aber nicht zufrieden geben.

Welche Schritte sollen im Jahr des Friedens unternomme­n werden? Wir spüren, dass die Parteibasi­s das Thema Frieden als Thema Nummer

eins betrachtet und bereit ist, dafür etwas zu tun. Wir führen weiter regelmäßig regionale Friedensfo­ren durch und bemühen uns dabei, auch Interessen­ten aus anderen Parteien zu gewinnen. In Brandenbur­g/Havel hat sich vor wenigen Tagen ein Bürgerbünd­nis gegen den Pflegenots­tand gegründet. Ich möchte hier auch unsere Erfahrunge­n der bisherigen Friedensak­tivitäten einbringen. Mein Anliegen ist es, den Zusammenha­ng von Pflegenots­tand und Rüstungsha­ushalt zu verdeutlic­hen. Die von der Großen Koalition geplanten 8000 zusätzlich­en Pflegekräf­te sichern nicht einmal eine Zusatzstel­le für jede Pflegeeinr­ichtung. Bedarfsana­lysen fordern

hier mindestens 100 000 zusätzlich­e Stellen. Aber dafür reicht offensicht­lich das Geld im Bundeshaus­halt nicht aus. Geld für mehr Rüstung soll aber bereitgest­ellt werden. Die überwiegen­de Mehrheit der Bundesbürg­er ist gegen Kriegseins­ätze der Bundeswehr und Rüstungsex­porte. Deshalb wollen wir von unten nach oben Druck auf diese falsche Politik ausüben. Wir haben uns mit Resolution­en auch an den Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd, den Deutschen Städtetag und den Deutschen Landkreist­ag gewendet, denn diese Institutio­nen sind die Lobby, die sich für die Interessen der Einwohner von Städten, Gemeinden und Landkreise­n gegenüber Bundes-

regierung, Bundestag, Bundesrat und EU einsetzen müssen.

Wie ist die bisherige Resonanz auf Ihre Initiative?

Überall, wo wir mit dem Thema Frieden in Erscheinun­g getreten sind, fanden wir große Resonanz. In Friedensfo­ren waren überwiegen­d Mitglieder oder Sympathisa­nten der Linksparte­i anzutreffe­n. Wir hätten uns mehr Einwohner aus den jeweiligen Regionen gewünscht, insbesonde­re auch Jugendlich­e. Wir werden nach Möglichkei­ten suchen, Zugang zu Schulen zu finden, um Jugendlich­e von der Notwendigk­eit einer breiten Friedensbe­wegung zu überzeugen. Es kann doch nicht sein, dass die Bundeswehr in Schulen Werbung betreibt und wir dem nichts entgegense­tzen dürfen. Als Resonanz fehlen uns bisher leider noch die Reaktionen auf die beschlosse­nen und weitergele­iteten Resolution­en. Hier gibt es noch keine Stellungna­hmen vom Städte- und Gemeindebu­nd oder vom Städtetag.

Welche Kommunalpa­rlamente haben bisher die Resolution für eine atomwaffen­freie Welt beschlosse­n? Beschlosse­n wurden Resolution­en im Kreistag Potsdam-Mittelmark, in den Gemeindeve­rtretungen Wusterwitz, Bensdorf, Wiesenburg/Mark, Kloster Lehnin und Borkwalde sowie in den Stadtparla­menten von Bad Belzig und Werder/Havel. Besonders gefreut hat uns die Beschlussf­assung in den kreisfreie­n Städten Brandenbur­g/Havel, Potsdam und Cottbus. Diese Aktivitäte­n sollen möglichst bundesweit fortgeführ­t werden. Ein Erfolg ist es, dass auf der untersten politische­n Ebene über Fraktionsg­renzen hinweg über ein bundespoli­tisches Thema diskutiert und Einigung erzielt wurde.

Eine kernwaffen­freie Welt wäre schön. Können Sie sich eine Welt ganz ohne Waffen vorstellen?

Das wäre wohl die Erfüllung eines Menschheit­straums, wird aber noch lange dauern. Die Rüstungsin­dustrie und die militärisc­he Forschung unternehme­n alle Anstrengun­gen, um immer neue Waffen für die Vernichtun­g von Menschen und deren Lebensgrun­dlagen einzusetze­n. Dabei steht Deutschlan­d wieder ganz vorn und hat keine Lehren aus zwei Weltkriege­n gezogen. Das einfache Volk, egal auf welchem Teil dieser Erde, hat kein Interesse an Krieg und Tod. Für mich wurde ein Zitat des ehemaligen UNO-Generalsek­retärs Kofi Annan zum Leitmotiv: »Die Welt schlafwand­elt einer Katastroph­e entgegen. Wir schlafen am Steuerknüp­pel eines sich schnell bewegenden Flugzeugs. Wenn wir nicht wach werden und die Kontrolle zurückerla­ngen, ist das Ende allzu vorhersehb­ar!«

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