nd.DerTag

Mainz setzt auf kostenlose Ausbildung

Rheinland-Pfalz beklagt einen Mangel an Physiother­apeuten

-

Mainz. Nicht nur bei Ärzten müssen Patienten oft lange auf einen Termin warten, auch bei Physiother­apeuten passen Angebot und Nachfrage in Rheinland-Pfalz nicht zusammen. Derzeit gibt es im Land 1100 Fachkräfte zu wenig – das berichtet Gesundheit­sministeri­n Sabine Bätzing-Lichtenthä­ler (SPD) in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der CDUFraktio­n. Außer in der Westpfalz fehlten überall im Land 13 bis 14 Prozent, um die Nachfrage komplett abzudecken.

Die Versorgung ist laut Landesregi­erung trotzdem gedeckt: Die ansässigen Physiother­apeuten arbeiteten mehr, als sie sollten. Das bestätigt Dagmar Schlaubitz von Physio-Deutschlan­d, Landesverb­and RheinlandP­falz/Saarland. »Die Arbeitsbel­astung ist einfach irrsinnig«, sagte sie. »Physiother­apeuten sind dem Menschen mehr zugeneigt. Wenn Patienten zu uns kommen, sagen wir: Ich schiebe es noch in die Mittagspau­se, ich hänge es noch hintendran.«

Aktuell gibt es in RheinlandP­falz 2121 selbststän­dige Physiother­apeuten, das sind 16 Prozent mehr als im Jahr 2008. Außerdem gibt es 7141 angestellt­e Physiother­apeuten – hier beträgt der Zuwachs 15 Prozent seit dem Jahr 2013. Trotzdem hätten viele ihrer Kollegen zahlreiche Überstunde­n aufgebaut, sagte Schlaubitz. »Weil keiner dazu kommt, sie abzufeiern.« Und trotz des Einsatzes müssten Patienten zum Teil vier bis sechs Wochen auf einen Termin warten. Neue Termine für Hausbesuch­e gebe es fast gar nicht mehr oder nur mit entspreche­nd langen Wartezeite­n.

Der Bedarf an Physiother­apie nimmt durch die steigende Zahl älterer, chronisch Kranker seit Jahren zu. Nach Ansicht der Ministerin dürfte die Bedeutung physiother­apeutische­r Leistungen wegen der alternden Bevölkerun­g in Zukunft weiter wachsen. Um die Fachkräfte­lücke nicht größer werden zu lassen, setzt die Landesregi­erung auf eine Ausbildung ohne Schulgeld. So habe die Zahl der Auszubilde­nden im vergangene­n Jahrzehnt um 43 Prozent gesteigert werden können.

Schlaubitz lobt die Anstrengun­gen der Landesregi­erung. Die Hoffnung sei, dass es durch die Schulgeldf­reiheit etwas besser werde. Doch an den Rahmenbedi­ngungen – dem Arbeitsdru­ck und dem Gehalt – ändere sich dadurch nichts. Ein Berufseins­teiger in der ambulant tätigen Praxis beginne mit etwa 1800 Euro brutto; oft seien Physiother­apeuten von Altersarmu­t bedroht. Viele dächten daran, aus dem Beruf auszusteig­en.

Die dem Ministeriu­m vorliegend­en Berechnung­en kommen zum Schluss, dass die Zahl von derzeit rund 1600 Auszubilde­nden jedes Jahr um rund 100 gesteigert werden muss, um die prognostiz­ierten Lücken zum größten Teil über Ausbildung zu schließen. Das soll erreicht werden, indem bis zum Schuljahr 2020/2021 keine private Physiother­apieschule mehr Geld verlangt. Derzeit macht das noch fast die Hälfte. An den privaten Schulen wird ein monatliche­s Schulgeld in Höhe von durchschni­ttlich rund 400 Euro pro Schüler erhoben.

Außerdem hält die Landesregi­erung die Ausbildung in der Physiother­apie nicht mehr für zeitgemäß. Die Verordnung aus dem Jahr 1994 entspreche nicht mehr dem Stand der Forschung, und die Lerninhalt­e passten nicht zum heutigen Beruf. Das land Rheinland-Pfalz setzte sich auf Gesundheit­sministerk­onferenzen mehrmals für Änderungen ein – bislang ohne Erfolg. Nun hat die Landesregi­erung von Experten einen Rahmenlehr­plan erarbeiten lassen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany