nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Regina Stötzel

In der vergangene­n Woche war am Berliner Franz-MehringPla­tz wieder ein eigentümli­cher Vorgang zu beobachten. Ein Herr spazierte mit einer großen runden Uhr unterm Arm bzw. in einem handlichen Beutel aus dem nd-Gebäude heraus und nach einer Weile genau so wieder hinein. Nun ist es nicht so, dass die Armbanduhr des Herren, mittlerwei­le amtierende­r Chefredakt­eur des »nd«, kaputt wäre. Auch ging er nicht mit der großen Uhr zum Uhrmacher, sondern bloß zum Essen in die Kantine der Opernwerks­tätten, wo die Uhrzeit gut sichtbar angezeigt wird.

Dieses Schauspiel findet zweimal im Jahr statt. Und es wird auch von niemand anderem ausgeführt. Denn wie es so ist, wenn Menschen lange Zeit zusammenar­beiten: Für manche Dinge ist nun mal ein bestimmter Kollege zuständig. Ob ein Spezialthe­ma, das Verwalten der Rotstifte oder das Besorgen von Pfannkuche­n – machte es plötzlich ein anderer, gäbe das nur Chaos. Und das ist viel zu riskant. Schließlic­h weiß man ja, dass schon der Flügelschl­ag eines Schmetterl­ings fatale Auswirkung­en haben kann – Weltkrieg, Seuche oder die Uhr geht kaputt. Zumal Letzteres könnte auch Sie betreffen, liebe Leserinnen und Leser. Bei der Uhr im Beutel handelt es sich nämlich um die aus dem Großraum, die wir brauchen, damit die Zeitung rechtzeiti­g fertig wird. Die Sie am nächsten Morgen in den Händen halten wollen. Weil wir ja das Weltgesche­hen kritisch beäugen. Sei es der Spaziergan­g mit einer Uhr in der Tasche oder sei es der Plan, der Erde so eine Art Sonnenbril­le aufzusetze­n – in Form von in der Stratosphä­re versprühte­m Schwefeldi­oxid –, um die globale Erderwärmu­ng zu verringern (Seite 25). Letzteres wurde bislang wegen unkalkulie­rbarer Folgen verworfen. Aus nachvollzi­ehbaren Gründen: Nachher wird es noch an der falschen Stelle kühler, dann streiten sich alle, wer schuld daran ist.

Besser also, der CO2-Ausstoß wird verringert, was Umweltverb­ände ja schon lange sagen. Derzeit bereitet in Deutschlan­d aber schon die Gründung einer entspreche­nden Kommission Probleme. Denn die neue Bundesregi­erung will zwar die Umweltverb­ände dabei haben, aber nur, wenn die bei der Sache genauso zögerlich vorgehen wie sie selbst. Die Umweltverb­ände wollen dagegen klarstelle­n, dass der CO2-Ausstieg abgemachte Sache ist. So kommen sie derzeit nicht weiter.

Anders als wir, die wir einen denkbar einfachen Weg zur Problemlös­ung gefunden haben. Denn bei der Uhr im Beutel des Chefredakt­eurs handelt es sich um eine Funkuhr, die sich von allein auf Sommer- resp. Winterzeit umstellt – wenn sie Funkkontak­t zu ihrer Zentrale hat. Dies ist an ihrer Säule im Großraumbü­ro nicht der Fall. Außerhalb des Gebäude aber stellt sie sich nach einer Weile ganz friedlich um. Das Weltgesche­hen sollte sich an uns ein Beispiel nehmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany