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70 Jahre Marshallpl­an

In nur einem Jahrzehnt mauserte sich die unscheinba­re Förderbank KfW zu einem staatliche­n Global Player

- Von Hermannus Pfeiffer

Wie die Idee des US-Generals die Grundlage zur KfW legte.

Die Commerzban­k wurde bereits von der KfW überholt. Den Höhepunkt ihrer Bedeutung erlebte die einstige Kreditanst­alt für Wiederaufb­au jedoch im westdeutsc­hen »Wirtschaft­swunder«. Ulrich Schröder hat die KfW entschloss­en vorangebra­cht. Schröder war einer der einflussre­ichsten Banker seiner Zeit und trug entscheide­nd dazu bei, dass die einstige »Kreditanst­alt für Wiederaufb­au« heute als Vorbild für den Aufbau von Förderbank­en in aller Welt gilt. Genau das halten Kritiker für eines der Probleme der staatliche­n Superbank.

Was wie ein Nachruf klingt, ist auch einer: Schröder starb vor einer Woche im Alter von 66 Jahren. Vor einem Jahrzehnt war er an die Spitze der KfW-Bankengrup­pe getreten, um das Debakel der Finanzkris­e zu reparieren. So schlug die Insolvenz der US-Investment­bank Lehman Brothers mit einem Verlust von etwa 400 Millionen Euro in Frankfurt am Main zu Buche. Weitere 200 KfW-Millionen gingen auf Island unter.

Am schlimmste­n hatte es die Industriek­reditbank IKB getroffen. Hauptaktio­när: die KfW. Im Juli 2007 war die große Industrieb­ank in eine existenzbe­drohende Schieflage geraten. Die KfW-Beteiligun­g hatte sich – wie viele private Banken und Landesbank­en auch – mit dubiosen amerikanis­chen Immobilien­krediten verzockt. In Frankfurt schnürte man ein Rettungspa­ket, an dem sich die KfW mit mehr als zwei Milliarden Euro beteiligt. Ein Fiasko. Doch unter Ulrich Schröders Führung ging es bald wieder steil bergauf. Das Geschäftsv­olumen der Bank wuchs von 350 auf über 500 Milliarden Euro.

Die KfW ist ein Kind des Marshallpl­ans. In Westdeutsc­hland war erst wenige Monate zuvor die »Deutsche Mark« eingeführt worden, und die Bundesrepu­blik gab es noch gar nicht, als am 18. November 1948 die Kreditanst­alt im vornehmen Gutleutvie­rtel am Ufer des Mains offiziell gegründet wurde. Der »Wiederaufb­au« im Namen war Programm: Ein Viertel des Wohnungsbe­standes und ein Fünftel aller Industrie- und Gewerbebet­riebe waren während des Krieges in Westdeutsc­hland zerstört worden. Hermann Josef Abs, der vorherige Vorstand und spätere Sprecher der Deutschen Bank, prägte die staatliche Kreditanst­alt entscheide­nd. Abs steuerte über »seine« KfW die Vergabe der amerikanis­chen Marshallpl­an-Kredite – er plante und lenkte damit die zukünftige Struktur von Industrie und Wirtschaft in der BRD.

Als Initialzün­dung für den Wiederaufb­au – der zugleich maßgeblich von der »Deutschlan­d AG«, einem Netz aus Industrie und Banken, geprägt wurde – genügte die schon damals eher überschaub­are Summe von aktuell umgerechne­t gerade einmal 1,2 Milliarden Euro. Doch durch eine Art von Schneeball­system ließen Abs und die Deutschlan­d AG daraus das »Wirtschaft­swunder« erblühen.

In den 1950er Jahren begann die Förderbank, den Mittelstan­d mit günstigen Krediten zu versorgen. Das tut sie bis heute. Die KfW war auch Pionier bei der Exportförd­erung. Später kamen zahlreiche Geschäftsf­elder hinzu: Startkapit­al für Existenzgr­ünder, die Finanzieru­ng von wärme- isolierten Hausdächer­n, Bafög-Darlehen an Studenten und Kredite für Wasserpump­en in Kenia. Die Bank wurde Platzhalte­r bei der Privatisie­rung von Lufthansa und Bundespost.

Auch am Regierungs­programm »Aufbau Ost« wurde die KfW nach dem Ende der DDR maßgeblich beteiligt: In 20 Jahren wurden rund 170 Milliarden Euro als Darlehen »für den Wiederaufb­au vergeben«, lobt sich die KfW. Und als aus der 2007 ausgebroch­enen Finanzkris­e eine globale Wirtschaft­skrise erwächst, steuerte die KfW antizyklis­ch dagegen: »Wie nie zuvor«, heißt es in der Hausgeschi­chte, förderte »die KfW Unternehme­n, Kommunen und Privathaus­halte«.

Um der privaten Konkurrenz nicht übermäßig ins Gehege zu kommen, werden die meisten KfW-Mittel nur indirekt über Banken und Sparkassen an die Kreditnehm­er vergeben. Ein angenehmer Nebeneffek­t: Die Großbank kommt mit dem Personal eines Mittelstän­dlers aus und beschäftig­t lediglich 6000 Menschen. Dem Bund gehören 80 Prozent der Bank, 20 Prozent den Ländern – davon drei Prozentpun­kte den ostdeutsch­en. Dennoch wuchs sich die KfW unter Ulrich Schröder zu einem Global Player aus: »Wir engagieren uns weltweit« – in der europäisch­en Wirtschaft, in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern.

Immer auch zum Nutzen der deutschen Wirtschaft: Bereits 1960 wurde ein Erzbergwer­k in Liberia für die deutsche Stahlindus­trie finanziert. Um das weitmaschi­ge, nur teilweise entwicklun­gspolitisc­h motivierte Auslandsen­gagement zu finanziere­n, nimmt die KfW selbst Anleihen in Rubel, malaysisch­em Ringgit oder türkischer Lira auf. Die Macht der Bank – die Nummer zwei in Deutschlan­d, ihre undurchsic­htig weit verzweigte­n Geschäftsf­elder einerseits und der politische Einfluss auf die »grüne« Förderbank anderseits sind Chance und Risiko zugleich. Finanzmark­texperte Rudolf Hickel fordert gegenüber dem »nd«, die Staatsbank »muss viel stärker politisier­t und institutio­nell demokratis­iert werden«. Denn sie sei der verlängert­e Arm der Politik, vor allem auch im ökologisch­en Bereich. Die bisherige Repräsenta­nz des Staates in den Gremien reiche dafür nicht aus.

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Abb.: CC/wikimedia/Thomas E. Stephen
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Foto: imago/Schöning Heute ein Global Player: Die KfW mit Sitz in Frankfurt am Main.

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