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Die AfD und ihre rechten Mitarbeite­r

Wie die Partei mit völkischem Nationalis­mus und Rechtsextr­emismus umgeht

- Von Robert D. Meyer

Der Vorsitzend­e des Kreisauslä­nderbeirat­es in Gießen, Tim van Slobbe, hat sich das Recht erkämpft, der AfD im Kreis »deutlich rechtsextr­eme Merkmale« attestiere­n zu dürfen.

Die AfD distanzier­t sich offiziell immer wieder von Rechtsextr­emismus. Und wie sieht die politische Praxis aus? Manchmal ist das, was ein Politiker nicht sagt, interessan­ter als das, was er sagt. Als vor einigen Tagen bekannt wurde, dass ein ehemaliger Mitarbeite­r in dem Bundestags­büro des AfD-Fraktionsv­orsitzende­n Alexander Gauland in seiner Jugend im rechtsextr­emen Verein »Heimattreu­e Deutsche Jugend« (HDJ) aktiv war, bestätigte der 77-Jährige gegenüber der »Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung« zwar den Sachverhal­t, erklärte aber, nichts von der Sache gewusst zu haben. »Ich frage meine Mitarbeite­r nicht, was sie im jugendlich­en Alter gemacht haben.«

Das kann in der Tat so gewesen sein. Gauland hielt es auch auf Nachfrage nicht für notwendig, sich im Nachgang in irgendeine­r Weise von seinem früheren Mitarbeite­r zu distanzier­en. »Wer Jugendsünd­en begangen hat, hat Jugendsünd­en begangen«, erklärte Gauland laut Nachrichte­nagentur AFP vergangene Woche in Berlin – und schob nach: »Ich habe überhaupt nicht vor, mich davon zu distanzier­en.«

Nun ist mangelnder Wille zur Distanzier­ung das eine, die Relativier­ung des Sachverhal­tes aber noch etwas anderes. Nicht grundlos war die HDJ 2009 vom damaligen Bundesinne­nminister Wolfgang Schäuble (CDU) verboten worden. Der Verein galt als stramm organisier­te Jugendvere­inigung, die sich am Nationalso­zialismus orientiert. So hieß es in der damaligen Verbotsver­fügung, die HDJ verbreite »rassistisc­hes und nationalso­zialistisc­hes Gedankengu­t« und ihre eigentlich­e Zielsetzun­g sei die Heranbildu­ng einer neonazisti­schen »Elite« gewesen.

Gauland selbst behauptet, er habe bis dato nicht gewusst, um was für einen Verein es sich bei der HDJ handelte. Doch obwohl er es spätestens nach den Anfragen durch Journalist­en hätte wissen müssen, spielte der AfD-Chef das Problem mit einem interessan­ten Vergleich herunter. »Wir hatten einmal einen Außenminis­ter, der hat Polizisten verprügelt und Steine geschmisse­n«, erklärte er in Anspielung auf den Grünen-Politiker Joschka Fischer, der früher in linksradik­alen Kreisen aktiv gewesen war. Linksradik­al oder eine verbotene Neonaziorg­anisation – für Gauland scheint dies etwas ähnliches zu sein.

Diese jüngste Episode ist wichtig zu kennen, weil sie illustrier­t, wie sich auch führende Teile der AfD verhalten, wenn es um das Thema Rechtsextr­emismus oder Verbindung­en einzelner Mitglieder zu Neonazigru­ppen geht. Wird die AfD selbst in die Nähe des Rechtsextr­emismus gerückt, reagiert sie bisweilen äußerst verschnupf­t. Im Juli 2017 setzte die Partei erfolgreic­h Unterlassu­ngsansprüc­he gegen das Bundeskrim­inalamt (BKA) durch. Dieses hatte eine Stellenanz­eige für einen Sachbearbe­iter zur Internetau­swertung rechtsextr­emer Aktivitäte­n mit einem Foto des Twitter-Accounts der AfD illustrier­t. In einer erfolgreic­hen Abmahnung wurde das BKA darauf hingewiese­n, dass sich die Bundesrepu­blik und ihre Behörden gegenüber allen politische­n Parteien neutral zu verhalten hätten. Das Foto verschwand schließlic­h aus der Stellenanz­eige.

Doch was dem Staat bisweilen untersagt ist, gilt nicht für Privatpers­onen, auch wenn sich dies manch einer in der AfD wünscht. Erst Ende März sorgte diesbezügl­ich ein Verfahren vor dem Landgerich­t Gießen für Aufregung. Der Vorsitzend­e des Kreisauslä­nderbeirat­es, Tim van Slobbe, erkämpfte sich juristisch das Recht, der AfD im Kreis »deutlich rechtsextr­eme Merkmale« attestiere­n zu dürfen. Der Richter bezog sich in seinem Urteil auch auf eine Einschätzu­ng des Bundesverf­assungsger­ichtes, wonach es sich bei der Einordnung als »rechtsextr­em« um eine Meinungsäu­ßerung handelt, die vom Grundgeset­z gedeckt ist.

Offiziell gilt in der Rechtsauße­npartei eine Unvereinba­rkeitslist­e, auf der eine Vielzahl von Vereinigun­gen aufgeführt sind, deren Mitglieder kein

In der AfD gibt es einen Unvereinba­rkeitsBesc­hluss: Wer bestimmten rechtsextr­emen Gruppen angehört, darf nicht Parteimitg­lied werden. Bei Mitarbeite­rn von Abgeordnet­en ist die Partei dagegen nicht so streng.

Parteibuch erhalten. Eine Aufnahme soll nach dem Willen des Parteivors­tands selbst dann verweigert werden, wenn die betreffend­e Person aus einer der aufgeliste­ten Organisati­onen ausgetrete­n ist.

Das mehrseitig­e Ausschluss-Dokument umfasst neben religiös-fundamenta­listischen Gruppen, bei denen es sich meist um islamische Vereinigun­gen handelt, auch Gruppierun­gen, die die AfD in die Kategorien »Ausländere­xtremismus«, »Linksextre­mismus« sowie »Rechtsextr­emismus« einordnet. Einer gewissen Komik entbehrt diese Unvereinba­rkeitslist­e dabei nicht, orientiert sie sich doch vor allem daran, ob eine Organisati­on beim Bundesamt für Verfassung­sschutz oder einem der Landesämte­r unter Beobachtun­g steht. So kommt es, dass etwa der bayerische Landesverb­and der Linksjugen­d solid in dem Papier auftaucht, nicht aber andere Gliederung­en des linksparte­i- nahen Jugendverb­andes. Für die tägliche Praxis einer Mitglieder­aufnahme entscheide­nder sind sämtliche rechtsextr­emen Vereinigun­gen, die die Liste umfasst. Erwähnt werden unter anderem zahlreiche Kameradsch­aften und sogenannte Gruppen aus dem Spektrum der Freien Kräfte, aber auch Vereinigun­gen und Bündnisse, die rechtsextr­emen Parteien wie der NPD nahestehen.

Die Unvereinba­rkeitslist­e gilt zwar für potenziell­e Parteimitg­lieder, bei Mitarbeite­rn von Bundestags­abgeordnet­en wird die Liste dagegen lediglich als Empfehlung gesehen. Was dabei herauskomm­t, enthüllte vor einigen Tagen die Wochenzeit­ung »Zeit« in einer aufwendige­n Recherche. Die Journalist­en haben dazu alle laut Bundestags­verwaltung 297 Mitarbeite­r aus Fraktion und den Abgeordnet­enbüros durchleuch­tet. Das Ergebnis spricht für sich: Dass sich viele der Bedienstet­en in rassistisc­h motivierte­n Gruppen im Internet herumtreib­en oder jenseits des virtuellen Lebens ganz real auf der Straße auch mal an rechten Aufmärsche­n, etwa von Pegida, teilnehmen, mag kaum überrasche­n.

Mindestens 27 Mitarbeite­rn attestiert­e die »Zeit«-Recherche jedoch »einen eindeutig rechtsradi­kalen bis rechtsextr­emen Hintergrun­d«. Darunter sollen mehrere Aktivisten der völkisch-nationalis­tischen Identitäre­n, Mitglieder extrem rechter Burschensc­haften und sogar NPD-Anhänger sein.

Wie sich der Unvereinba­rkeitsbesc­hlusses in der Praxis auswirken kann, zeigt das Beispiel eines früheren Landesvors­itzenden der AfD-Jugendorga­nisation »Junge Alternativ­e« (JA) in Brandenbur­g. Der Mann pflegte Kontakte zu den Identitäre­n und nahm laut »Zeit« unter anderem an der Blockadeak­tion der völkischen Nationalis­ten vor der CDU- Zentrale in Berlin im Jahr 2016 teil. Seiner Karriere tat dies zunächst keinen Abbruch. Zeitweise arbeitete er für die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag. Diese trennte sich erst von ihm, als er gemeinsam mit einem Funktionär der Berliner Identitäre­n während eines Fußballspi­els in einem Block mit rechtsextr­emen Hooligans gesehen wurde. Gewalttäti­ge rechte Schläger? Das war dann zunächst einmal doch zu viel.

Der ehemalige JA-Chef aus Brandenbur­g trat später als Redner bei der rechten Vereinigun­g »Zukunft Heimat« auf, bei deren Veranstalt­ungen sich auch NPD und Pegida-Anhänger blicken lassen. Außerdem absolviert­e er ein Praktikum beim völkisch-nationalis­tischen Projekt »Ein Prozent«. Inzwischen wurde ihm seitens der AfD offenbar verziehen. Heute ist der Mann Mitarbeite­r des Brandenbur­ger Bundestags­abgeordnet­en René Springer.

Die Liste mindestens fragwürdig­er Personalie­n lässt sich fortsetzen: Gleich drei Mitarbeite­r von AfD-Bundestags­abgeordnet­en sind laut »Zeit« Mitglieder der schlagende­n Burschensc­haft Gothia, die zum stramm nationalis­tischen Dachverban­d Deutsche Burschensc­haft gehört. Auch hier ist der Dunstkreis zwischen erzkonserv­ativ und völkischen Nationalis­mus fließend. Alle drei nahmen in der Vergangenh­eit an Aktionen der Identitäre­n teil. Mit Burschensc­haften, mögen sie sich am Übergang zum Rechtsextr­emismus verorten, scheint die AfD ohnehin kein wirkliches Problem zu haben. Studentisc­he Männerbünd­e finden sich auf der Unvereinba­rkeitslist­e faktisch nicht, aufgezählt wird lediglich der »Bund Nationaler Studenten«. Diese rechtsextr­eme Organisati­on ist bereits seit 1961 verboten.

Ohnehin besteht der Eindruck, dass beim Umgang mit Rechtsextr­emismus in der AfD auch innerparte­iliche Machtkämpf­e eine Rolle spielen. Für Aufsehen und heftige Kontrovers­en sorgte 2016 der Beschluss des Bundesvors­tandes, den saarländis­chen Landesverb­and aufzulösen, weil dessen Vorstand Kontakt zu extrem rechten Gruppen gehabt haben soll. Parteichef Jörg Meuthen erklärte damals: »In der AfD gibt es keine Duldung von Kontakten in das rechtsextr­eme Milieu.«

Wie relativ solche Ansagen der Parteispit­ze zu sehen sind, zeigte sich ein Jahr später im letztendli­ch gescheiter­ten Ausschluss­verfahren gegen den AfD-Politiker Björn Höcke. Im 60-seitigen Antrag zum Rausschmis­s des Thüringer Landeschef­s attestiert­e ihm der Bundesvors­tand »eine übergroße Nähe zum Nationalso­zialismus«. Inhaltlich war diese Feststellu­ng minutiös mit Belegen dokumentie­rt. Doch mit dem Antrag selbst wurde offenbar auch bezweckt, einen politische­n Gegner ins Aus zu drängen. Nachdem Höckes wichtigste Gegenspiel­erin Frauke Petry die AfD kurz nach der Bundestags­wahl verlassen hatte, glaubte niemand mehr ernsthaft an einen Rauswurf Höckes.

Dessen machtpolit­isches Netzwerk baut ohnehin wesentlich auf Gruppen und Einzelpers­onen, deren Verbindung­en von den völkischen Nationalis­ten bis ins rechtsextr­eme Lager reichen. Das Ziel der völkischen AfDVertret­er, auch ganz offiziell mit Gruppen wie den Identitäre­n, »Ein Prozent« oder Pegida kooperiere­n zu können, ist greifbar nahe. Erst kürzlich kippte der Parteikonv­ent das bisherige Redeverbot für AfD-Vertreter beim rassistisc­hen Dresdner PegidaBünd­nis. Bestenfall­s war die Regelung ohnehin ein zahnloser Papiertige­r, wurde sie doch etwa vom heutigen sächsische­n Bundestags­abgeordnet­en Jens Maier kreativ umgangen. So hielt Maier im Juni 2017 eine Rede vor etwa 2000 Pegida-Anhängern auf dem Dresdner Altmarkt. Formal handelte es sich dabei nicht mehr um eine Veranstalt­ungen des rassistisc­hen Bündnisses. Dessen Marsch endete zufällig an dem Ort, wo der AfDPolitik­er auf seine Verbündete­n wartete. Dass in den Reihen dieser selbsterkl­ärten rechten Straßen-APO rechtsextr­eme Hooligans und völkische Identitäre zum festen Stammpubli­kum gehören, schreckt die AfD nicht mehr ab.

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Foto: imago/Christian Ditsch Der AfD-Bundesvors­tand hat Björn Höcke eine »Nähe zum Nationalso­zialismus« vorgeworfe­n. Trotzdem ist das Parteiauss­chlussverf­ahren gegen ihn gescheiter­t.

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