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Einsteiger­programm für Linksextre­me

Am Osterwoche­nende haben sich 500 Menschen in Berlin beim trotzkisti­schen Kongress »Sozialismu­stage« versammelt

- Von Wladek Flakin

Während die meisten Leute über Ostern ihre Ruhe genießen, träumen andere davon, die politische­n Verhältnis­se zum Tanzen zu bringen. In Berlin trafen sich 500 Menschen zu den Sozialismu­stagen. Die Landesregi­erung in NordrheinW­estfalen startet gerade ein Aussteiger­programm für Linksextre­me. »Wir bieten ein Einsteiger­programm für Linksextre­me an«, sagte Sascha Stanicic zur Eröffnung der Sozialismu­stage in Berlin. Am Osterwoche­nende versammelt­en sich 500 Menschen hier zu einem linken Kongress. Die trotzkisti­sche Gruppe SAV, deren Bundesspre­cher Stanicic ist, organisier­te insgesamt 40 Workshops und Podiumsdis­kussionen am Ostbahnhof.

Die prominente Feministin Frigga Haug, der Linksparte­i-Vorsitzend­e Bernd Riexinger und der Linksparte­iBundestag­sabgeordne­te Andrej Hunko diskutiert­en mit den Trotzkiste­n. Auch von den SAV-Gruppen aus Schottland, Katalonien und den USA kamen Referenten.

Star des Wochenende­s war Kshama Sawant, eine US-amerikanis­che Sozialisti­n, die seit 2014 im Stadtrat von Seattle sitzt. »Unter den Jugendlich­en in den USA gibt es kein Desinteres­se, sondern kochende Wut«, rief Sawant am Samstagabe­nd vor über 200 Zuhörern. Sie sprach über ein historisch­es Jahr von Kämpfen seit der Wahl von Donald Trump. Besonders Senator Bernie Sanders habe viele Menschen für den Sozialismu­s begeistert – seine »Plattform für die Arbeiterkl­asse« beinhaltet die Forderunge­n nach einer »politische­n Revolution«, einem Mindestloh­n von 15 Dollar und einem staatliche­n Gesundheit­ssystem.

Sawant hob die Streiks der Lehrer in West Virginia vor einem Monat hervor. Das ist ein Bundesstaa­t, in dem Trump mit großer Mehrheit gewählt wurde. Doch die Bevölkerun­g stelle sich mehrheitli­ch hinter die Forderung nach besseren Löhnen für die Pädagogen. »Das zeigt: Mit einem Klassenpro­gramm können wir auch Unterstütz­er von Trump gewinnen«, so die Stadträtin.

»Ist der Mensch zu schlecht für den Sozialismu­s?« So lautete der Titel ei- Kshama-Sawant, Sozialisti­n im Stadtrat von Seattle nes Workshops für junge Menschen, die einen Einstieg in den Marxismus suchten. An der Wand hingen Zettel mit weit verbreitet­en Argumenten, die die Sinnlosigk­eit des politische­n Kampfes nahelegen: Der Mensch sei zu »faul« oder zu »gierig« oder zu »gewalttäti­g« für eine Gesellscha­ft jen- seits des Kapitalism­us. In Kleingrupp­en setzte man sich mit den Argumenten auseinande­r. Cara F., Studentin aus Aachen, ist seit der letzten Bundestags­wahl bei der Linksjugen­d-Solid aktiv. Die 20-jährige war zum ersten Mal bei den Sozialismu­stagen, um genau solche Fragen diskutiere­n zu können. Oder auch diese: Werden Rassismus und Sexismus nach der Revolution verschwind­en?

Einführend­e Diskussion­en gab es über Rosa Luxemburg und Trotzkismu­s und Rätedemokr­atie. Gleichzeit­ig gab es auch Treffen für Beschäftig­te aus dem Gesundheit­swesen, die ihre Arbeitskäm­pfe für mehr Personal bundesweit koordinier­en wollen. Insgesamt kamen 500 Menschen zum Kongress. Dabei brachte sich auch der in der Linksparte­i organisier­te SAVFlügel ein. Wer nach dem Mitglieder­entscheid noch auf rot-rot-grüne Regierungs­optionen hoffe, »leidet unter Realitätsv­erlust«, so Sascha Stanicic. Die SAV bildet einen Teil der Antikapita­listischen Linken (AKL) inner- halb der Linksparte­i und des Bundesarbe­itskreises Revolution­äre Linke (BAK RL) in der Linksjugen­d-Solid. Besonders wegen ihrer Gegnerscha­ft zu Rot-Rot-Grün-Regierunge­n sind sie in der Partei nicht unumstritt­en. Auf der Konferenz rieben sie sich in einem Workshop mit Benjamin-Immanuel Hoff, Chef der Staatskanz­lei in der rot-rot-grünen Thüringer Landesregi­erung. Für den Bundeskong­ress der Linksjugen­d in zwei Wochen liegt ein Satzungsan­trag vor, der einen Unvereinba­rkeitsbesc­hluss gegen die SAV vorsieht. Der Antrag, der aus Ostdeutsch­land kommt, basiert auf dem Vorwurf, die SAV sei ein sektenhaft­er Verein. Bei den Sozialismu­stagen diskutiere­n SAV-Mitglieder jedenfalls besonders intensiv, auch mit Mitglieder­n anderer Gruppen.

Die Sozialismu­stage fanden bereits zum 16. Mal statt. Der nächste trotzkisti­sche Kongress unter dem bereits traditione­llen Titel »MarxIsMuss« ist bereits in sechs Wochen zu Pfingsten geplant.

»Unter den Jugendlich­en in den USA gibt es kein Desinteres­se, sondern kochende Wut.«

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