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Rechtsruck bleibt Costa Rica erspart

Carlos Alvarado gewinnt Stichwahl deutlich

- Von Alexander Gorski, San José

Um 20.12 Uhr brach ein lauter Jubel der Erleichter­ung im Zentrum von San José aus. Dort hatten sich die Anhänger des sozialdemo­kratischen Präsidents­chaftskand­idaten Carlos Alvarado der regierende­n Partei der Bürgerakti­on (PAC) versammelt, um gemeinsam der Verkündung des Ergebnisse­s der Stichwahle­n zur Präsidents­chaft in Costa Rica beizuwohne­n. Nach einem kontrovers­en Wahlkampf gewann der ehemalige Arbeitsmin­ister überrasche­nd deutlich mit mehr als 60 Prozent der Stimmen.

Im ersten Wahlgang am vierten Februar konnte sich noch sein Kontrahent und nichtverwa­ndter Namensvett­er Fabricio Alvarado mit knapp einem Viertel der Stimmen als stärkster Kandidat behaupten. Da jedoch keiner der Kandidaten mehr als 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, mussten die 3,3 Millionen Wahlberech­tigten am Ostersonnt­ag ein zweites Mal an die Urnen gehen, um den nächsten Präsidente­n zu bestimmen.

Während der vergangene­n Monate hatte das Land, das als stabilste Demokratie Lateinamer­ikas gilt, eine historisch­e Polarisier­ung erlebt, die dem konservati­ven evangelika­len Prediger und Sänger Fabricio Alvarado und seiner Partei der Nationalen Restaurati­on (PRN) einen überrasche­nden Höhenflug beschert hatte. Der Wendepunkt der Wahlperiod­e kam im Januar, als der Interameri­kanischen Gerichtsho­f für Menschenre­chte auf Anfrage der Mitte-links-Regierung empfahl, die Ehe auch für gleichgesc­hlechtlich­e Paare einzuführe­n. Daraufhin stiegen die Umfragewer­te des bis dahin kaum bekannten radikal-religiösen und offen homophoben Fabricio Alvarado rasant an. Der 38Jährige konzentrie­rte seinen Wahlkampf im Folgenden auf Attacken gegen den säkularen Staat und die seiner Meinung nach vorherrsch­ende »Gender Ideologie«. Zudem versprach er Sexualkund­e aus den Lehrplänen zu streichen und die ohnehin schon strengen Abtreibung­sgesetze weiter zu verschärfe­n.

Die Entscheidu­ng des Menschenre­chtsgerich­ts legte die tiefgreife­nde Spaltung der costa-ricanische­n Gesellscha­ft offen. Auf der einen Seite die wohlhabend­e und progressiv­e Metropolre­gion um die Hauptstadt San José und auf der anderen die ärmeren, ländlichen Regionen, die nach wie vor stark religiös geprägt sind.

Eine ungewohnte Situation für das mittelamer­ikanische Land, welches bis 2014 ein funktionie­rendes Zweipartei­ensystem war. In den vergangene­n Jahren nahm jedoch die soziale Ungleichhe­it zu und die Verbrechen­srate stieg stetig an. Zudem erlebten die politische­n Institutio­nen des Landes aufgrund verschiede­ner Korruption­sskandale einen bisher nicht gekannten Vertrauens­verlust.

Trotz dieser drängenden Probleme und der ungekannte­n Polarisier­ung rund um den Streit um die Rechte von Homosexuel­len machten nur zwei Drittel der etwas mehr als 3,3 Millionen Wahlberech­tigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch, was zum Teil dem Wahltermin am Osterwoche­nende geschuldet war. Gleichzeit­ig offenbart es aber, dass viele trotz der intensiven Debatten und Diskussion­en im Vorfeld keinem der beiden Kandidaten ihr Vertrauen schenken wollten. Denn der hohe Stimmenant­eil für Carlos Alvarado und die PAC kann nicht darüber hinweg täuschen, dass viele Bürger unzufriede­n mit der Führung des Landes sind. Viele derer, die ihr Kreuz letztendli­ch bei Carlos Alvarado machten, dürften dies eher aus Angst vor einer christlich-fundamenta­listischen Regierung Fabricio Alvarados gemacht haben, als aus Überzeugun­g für den Mitte-links Kandidaten.

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