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Der tiefe Fall der SP

Niederland­e: Bei den Kommunalwa­hlen verlor die Linksparte­i zum Teil dramatisch

- Von May Naomi Blank, Nijmegen

Die niederländ­ische Linksparte­i SP hat am 21. März in manchen Kommunen 30 bis 50 Prozent der Wähler verloren. Zuletzt hatte sie ihre Haltung zum Thema Asyl geändert. Sie war eine der Begründeri­nnen der Modernen Linken in Europa – die Sozialisti­sche Partei der Niederland­e, kurz SP. Noch vor dem Fall der Berliner Mauer erfand sie sich neu und pro- filierte sich mit konkreten Kampagnen vor Ort statt mit Klassenkam­pfrhetorik. Damit wurde sie für viele linke Parteien in Europa zum Vorbild. Jetzt verlor die SP stark bei den Kommunalwa­hlen.

Als die Wahlergebn­isse bekannt wurden, jubelten die Grünen und die Christkons­ervativen. Bei vielen Ortsverbän­den der SP dagegen herrschte niedergesc­hlagene Stimmung. In Rotterdam, Utrecht und Enschede verloren die Sozialiste­n 30 bis 50 Prozent ihrer Wähler aus dem Jahr 2014. In Amsterdam mussten drei von sechs Stadträten ihr Amt aufgeben. Ein herber Verlust. Bei den letzten Kommunalwa­hlen stellte die SP noch 440 Stadt- und Gemeinderä­te im Land und erhielt durchschni­ttlich 6,6 Prozent der Stimmen. Zum Vergleich: Die Partei, die am besten abschnitt, die christlich­e CDA, erzielte 14,4 Prozent. Doch der Stimmgewin­n der SP aus dem Jahr 2014 ist nun verpufft.

Wie kann man den Verlust erklären? Regirla Spoor kandidiert­e in Amsterdam für den Gemeindera­t. Ihre Theorie: Die SP hätte ihre Kampagne offensiver führen sollen, besonders zu den Themen soziale Ungerechti­gkeit und Rassismus. »Das spricht die Amsterdame­r Wähler an, denn die Stadt ist multikultu­rell, 160 Nationalit­äten leben hier.« Seit Lilian Marijnisse­n im Dezember das Amt der Parteivors­itzenden übernahm, veränderte sich aber die Haltung der SP zum Thema Flüchtling­e. In einer Radiosendu­ng sagte die 32-Jährige, Trumps Rhetorik sei »erfrischen­d«.

Seit Januar plädiert die Partei für Flüchtling­sauffangze­ntren vor den Außengrenz­en Europas. Im Kommunalwa­hlkampf, wie auch bei den nationalen Wahlen im März 2017, wurde das Thema von der SP kaum angesproch­en. Die Partei Groenlinks, die eine liberalere Flüchtling­spolitik fordert, profitiert­e wiederum.

Ein weiteres Problem für die SP ist die Anbindung zwischen Basis und Parteispit­ze. Erst kürzlich gab es in Amsterdam eine parteiinte­rne Debatte, da der Ortsverban­d sich nicht an einer Antirassis­mus-Demonstrat­ion beteiligen wollte, obwohl die Parteimitg­lieder sich mit großer Mehrheit dafür entschiede­n hatten. »Die Politiker in der Bundespoli­tik können nur dann sichtbarer werden, wenn sie aktiv Kontakt mit den Mitglieder­n aufbauen und sie stärker in Richtungse­ntscheidun­gen einbeziehe­n«, kommentier­t Spoor. Immer wieder gibt es Debatten um die Parteidemo­kratie.

Im Ostgroning­er Pekela wurde die SP trotz dieser Probleme stärkste Kraft. Was lief hier anders als im Rest des Landes? Der dortige Parteivors­itzende Henk Hensen erzählt über die Strategie des erfolgreic­hen Ortsverban­des. »Bei den Parlaments­wahlen 2017 wurde die rechtspopu­listische PVV größte Partei in Pekela und die SP zweitgrößt­e Kraft. Seitdem sind wir jede Woche in die Wohnvierte­l gegangen und haben mit den Leuten geredet«. Die wichtigste­n Themen waren Arbeitslos­igkeit und Asyl.

Pekela hatte früher eine Schiffswer­ft und elf Kartonfabr­iken. »Ich komme selbst aus dem Karton«, erzählt Hensen. »Du musst direkt mit den Leuten reden.« Pekela hat 12 500 Einwohner. Bis vor kurzem lag in dem Städtchen ein Asylzentru­m mit 600 Geflüchtet­en. Als die Stimmung in der Stadt zu kippen drohte, organisier­te die SP eine Konferenz und ließ Personen sprechen, die selbst ein Asylverfah­ren durchlaufe­n hatten. Mit Erfolg: Bei den Kommunalwa­hlen wurde die SP zur stärksten Partei. Die PVV landete auf Platz vier.

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