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Das größte Problem ist die fehlende Transparen­z

Am 5. April jährt sich der Tag der Ermordung von Burak Bektas zum sechsten Mal / Einen Täter hat die Polizei nie ermittelt

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Der damals 22-jährige Burak Bektaş ist am 5. April 2012 erschossen worden. Der bis heute unbekannte Täter gab fünf Schüsse auf ihn und seine Freunde ab. Zwei von ihnen wurden schwer verletzt und konnten nur in einer Notoperati­on gerettet werden. Burak starb an den Folgen eines Lungendurc­hschusses.

Nach Plänen der Initiative soll am Sonntag nach dem Jahrestag ein Gedenkmars­ch vom U-Bahnhof Britz-Süd zur Todesstell­e ziehen. Dort soll eine Gedenkskul­ptur enthüllt werden. Über die bisherigen Erkenntnis­se und die Forderung der Initiative, die polizeilic­hen Ermittlung­en wieder aufzunehme­n, sprach mit dem Sprecher der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.für »neues deutschlan­d« Johanna Treblin. Er nennt sich Ulrich Schmidt, heißt aber eigentlich anders. Er möchte weder seinen richtigen Namen noch ein Foto in der Zeitung sehen, da er Angst vor rechtsextr­emen Übergriffe­n hat.

Burak Bektaş wurde am 5. April 2012 in der Nähe des Neuköllner Krankenhau­ses auf der Straße erschossen. Zum 6. Todestag wollen Sie einen Gedenkort einrichten. Wo ist der geplant und was wird dort zu sehen sein?

Der Gedenkort entsteht in einem kleinen Park, Ecke Möwenweg/Rudower Straße, etwa 50 Meter vom Tatort entfernt. Das Gelände haben wir vom Bezirk überlassen bekommen. Dort wollen wir am 8. April eine zwei Meter hohe Skulptur der Kreuzberge­r Künstlerin Zeynep Delibalta enthüllen. Darum herum sollen später noch Sitzgelege­nheiten entstehen.

Das heißt, der Gedenkort wird zur Eröffnung noch nicht ganz fertig sein?

Richtig. Wir haben das Geld über Spenden gesammelt und knapp 50 000 von 57 000 Euro eingenomme­n. Das Geld für die Skulptur haben wir vollständi­g beisammen, aber für die Geländeges­taltung fehlt noch ein Teil.

Sechs Jahre ist der Mord an Burak Bektaş her. Der Täter wurde bis heute nicht gefasst. Was können Sie über den Täter sagen?

Nach Zeugenauss­agen soll ein etwa 40- bis 60-Jähriger Mann auf die Gruppe von Jugendlich­en zugelaufen sein, zu der auch Burak Bektaş gehörte. Er soll völlig unvermitte­lt geschossen haben und dann ganz ruhig wieder weggegange­n sein. Es gibt keine Hinweise auf eine Beziehungs- oder eine Tat aus dem Umfeld.

Faktisch scheinen die Ermittlung­en zum Mord eingestell­t, weil der Täter laut Polizei nicht zu ermitteln war. Vier Jahre später wurde ein Mann wegen des Mordes am Engländer Luke Holland gefasst und verurteilt, den Ihre Initiative auch im Falle von Bektaş als Tatverdäch­tigen sieht. Sind Sie zufrieden, dass der Mann nun im Gefängnis sitzt? Nein, man kann nicht zufrieden sein, solange es keine Klarheit gibt. Der Tatablauf war bei beiden Mordfällen sehr ähnlich, und auch andere Hin- weise deuteten auf Rolf Z. auch im Falle von Bektaş als Täter hin. Aber die Polizei hat im Mordfall Bektaş nicht einmal einen Anfangsver­dacht gegen Z. formuliert.

Sie fordern eine Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en. Was wurde nicht ausreichen­d untersucht?

Unsere Kritik ist, dass zu wenig in die Richtung ermittelt wurde, ob die Tat einen rechtsradi­kalen oder rassistisc­hen Hintergrun­d hatte. Weil der Mord ein halbes Jahr nach dem Aufdecken des NSU passiert ist, hätte die Polizei ihn als mögliche Nachahmung­stat untersuche­n müssen. Auch fehlen uns Ermittlung­en, welchen Zusammenha­ng es zwischen dem Mord an Luke Holland und an Burak Bektaş gibt. Beispielsw­eise haben sich die überlebend­en Jugendlich­en, die beim Mord von Burak dabei waren, im September 2015 direkt bei der Polizei gemeldet und sich für eine Gegenübers­tellung angeboten, als sie vom Mord an Luke Holland gehört hatten. Das hat die Polizei aber abgelehnt. Das größte Problem ist aber die fehlende Transparen­z. Deshalb ist es von außen oft schwer zu sagen was konkret nicht gemacht wurde.

Die Skulptur trägt den Namen »Algorithmu­s für Burak und ähnliche Fälle«. Was ist mit ähnlichen Fällen gemeint?

Damit ist gemeint, dass Mitglieder bestimmter Communitie­s seit Ende der 80er Jahre die Bedrohung rassistisc­her Übergriffe und gar Morde teilen. Nämlich solche, die für Menschen mit faschistis­cher Ideologie als mögliches Opfer in Erwägung gezo- gen werden. Das soll durch dieses Denkmal thematisie­rt werden.

Die Bedrohung ist ja heute auch wieder größer geworden, gerade in Neukölln werden wieder mehr rechtsextr­eme Anschläge verübt, vor allem auf Menschen und Projekte, die sich antifaschi­stisch engagieren. Heute wird ja gerne von einer neuen Welle rassistisc­her Gewalt gesprochen. Die hat aber nicht erst jetzt begonnen, sondern schon 2011/12. Da gab es den Mord an Burak, aber auch zum Beispiel antimuslim­ische Anschläge auf die Moschee am Columbiada­mm. Das zieht sich seit mehreren Jahren.

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