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Berlins Solarstrom

Kommunales Unternehme­n schafft mehr Kapazitäte­n und gewinnt neue Kunden

- Von Nicolas Šustr

Die Stadtwerke der Hauptstadt expandiere­n.

Immer mehr Berliner entscheide­n sich für Landesstro­m und die installier­te Leistung bei Windkraft und Photovolta­ik wächst deutlich. Die Stadtwerke sind zumindest dem Bonsai-Status entwachsen. Die Berliner Stadtwerke sind auf Wachstumsk­urs. 2017 verdreifac­hte der Energiever­sorger seine Kundenzahl. Statt 2000 wie noch im Januar beziehen nun 7000 Berliner kommunalen Ökostrom. Das sei vor allem dem Fall des Werbeverbo­ts zu verdanken, sagt Jörg Simon, Vorstandsv­orsitzende­r der Berliner Wasserbetr­iebe, der Muttergese­llschaft der Stadtwerke. Bis Jahresende soll sich die Zahl auf 15 000, also nach den Planungen noch einmal mehr als verdoppeln, so Simon. Obwohl es einen »sehr harten Wettbewerb um die Kunden« gebe, hält er das Ziel für erreichbar. »Wir wollen aber in keinen Dumpingwet­tbewerb über den Preis eintreten«, erklärt Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne). »Ziel ist es, in Berlin Ökostrom zu produziere­n und nutzbar zu machen.«

»7000 Kunden sind okay, deswegen würde ich aber nicht auf dem Tisch tanzen«, sagt Michael Efler, energie- und klimapolit­ischer Sprecher der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. »Entscheide­nd ist eher die Energieerz­eugungskap­azität«, so Efler. Mit 24 000 Haushalten, die die Stadtwerke rechnerisc­h mit Strom versorgen können, seien diese »absolut ernstzuneh­men«.

»Berlin lag im Bundesländ­ervergleic­h bisher immer ziemlich weit hinten beim Aufbau erneuerbar­er Energieerz­eugung«, berichtet Pop. Bezogen auf die Fläche sei die Hauptstadt inzwischen Spitzenrei­terin in dieser Disziplin, triumphier­t sie. 20 Megawatt Windstroml­eistung und weitere sieben Megawatt aus Photovolta­ik haben die Stadtwerke inzwischen installier­t. Allein 40 Prozent der neugebaute­n Sonnenstro­mkapazität der vergangene­n zwei Jahre gehen auf das Konto des Landesunte­rnehmens. Erst im März wurde auf einem Feld der Berliner Stadtgüter bei Großbeeren das dritte Windrad aufgestell­t.

Ein Standbein der Stadtwerke sind die Mieterstro­manlagen, von denen inzwischen 69 Stück betrieben werden. Dabei beziehen die Mieter den auf dem Dach ihres Hauses durch Solaranlag­en produziert­en Strom selbst. Durch den Wegfall der Netzentgel­te ist der Preis fast konkurrenz­los güns- tig. Doch eine Abnahmever­pflichtung existiert nicht. Bisher hätten sich je nach Projekt erst zwischen 15 und 30 Prozent der Mieter für den Strom von ihrem Dach entschiede­n, berichtet Simon. »Das hängt stark von der Affinität der Bewohner für ökologisch­e Belange ab«, erklärt der Chef der Wasserbetr­iebe. Außerdem rechne man mit einer Akquisitio­nsphase von drei bis vier Jahren, die Quoten können also noch steigen.

Erst im November haben die sechs landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften zusammen mit den Stadtwerke­n eine Absichtser­klärung unterzeich­net, mit der der Ausbau des Mieterstro­ms beschleuni­gt werden soll. Auch die Wohnungsge­nossenscha­ft Mollstraße in Mitte hat inzwischen landeseige­ne Solarzelle­n auf dem Dach.

Ein weiteres Standbein sind Photovolta­ikanlagen auf Dächern landeseige­ner Liegenscha­ften. Inzwischen sind 55 Stück installier­t, allein sechs davon auf Gefängniss­en. Bei diesen Projekten mussten die Stadtwerke sich noch auf Ausschreib­ungen bewerben. Inzwischen ist aber eine sogenannte Inhouse-Vergabe ohne Ausschreib­ung möglich. Dafür wurden zwei neue Tochterges­ellschafte­n gegründet, die die vergabe- rechtliche­n Voraussetz­ungen erfüllen. Dabei geht es nicht nur um die Installati­on von Photovolta­ik, sondern um die energetisc­he Sanierung ganzer Gebäude. »Wir sind mit der landeseige­nen Berliner Immobilien­management im Gespräch über eine sehr große Liegenscha­ft, bei der 2000 Tonnen Kohlenstof­fdioxidein­sparung erreicht werden können«, sagt Simon. Bis Jahresende sollen mehrere große Projekte abgeschlos­sen werden. Konkreter will er noch nicht werden.

Demnächst werden die Stadtwerke auch Eigenheimb­esitzern ein Angebot machen: Solaranlag­en mit oder ohne zusätzlich­en Stromspeic­her sollen sie bei den Stadtwerke­n mieten oder kaufen können. Und auch nach Brandenbur­g streckt der Landesbetr­ieb seine Fühler aus. In einigen Umlandgeme­inden sollen Endkunden demnächst Brandenbur­gStrom beziehen können. »Unsere Windräder stehen schließlic­h auch dort«, sagt Wasserbetr­iebe-Sprecher Stephan Natz.

Für Michael Efler ist auch die soziale Komponente des Landesbetr­iebs ein wichtiger Aspekt: »Es gibt bei den Stadtwerke­n keine Bonitätspr­üfung mehr und auch auf Stromsperr­en wird verzichtet.«

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Foto: fotolia/tuulijumal­a
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Foto: X21de/Reiner Freese Windkrafta­nlage der Berliner Stadtwerke im brandenbur­gischen Sputendorf

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