nd.DerTag

»Das geht alles viel zu langsam«

Wie Frauen und Männer die Gleichbere­chtigung stärken wollen

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Warum ein Frauenvolk­sbegehren?

Weil es Zeit ist! Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass unter dieser Regierung besonders viel umgesetzt wird. Ich glaube an ein bis zwei Forderunge­n. Aber es geht um die Veränderun­g in den Köpfen und um die Öffentlich­keit, die wir schaffen. Das ist wie mit #metoo. Es ist nicht messbar, aber es verändert sich etwas. Ein erstes Frauenvolk­sbegehren gab es in Österreich ja bereits vor 20 Jahren. Ich glaube, dass sich auch dadurch einiges zum Positiven verändert hat. Aber das geht alles viel zu langsam. Gerade einmal eine Forderung wurde damals umgesetzt, die tatsächlic­he Gleichstel­lung von Frauen in der Verfassung. Das ist erbärmlich, umso mehr, weil damals die Sozialdemo­kratie den Kanzler stellte.

Was war für die Initiatori­nnen der Auslöser, es noch einmal zu versuchen?

Vor 20 Jahren gab es das erste Frauenvolk­sbegehren, vor 100 Jahren wurde das Frauenwahl­recht umgesetzt. Das sind für uns wichtige Bezugspunk­te. Im Herbst 2016 sind dann einige Frauen zusammen gesessen und wollten darauf anstoßen, dass Hillary Clinton Präsidenti­n wird. Es herrschte Fassungslo­sigkeit, dass Trump gewonnen hat und wieder keine Frau Präsidenti­n wurde. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Hillary Clinton gilt nicht unbedingt als linke Feministin.

Trump ist ein primitiver Sexist. Dass dieser Rassist und Frauenfein­d gegen eine Frau gewonnen hat, hat für uns also jedenfalls eine Rolle gespielt. Aber Frausein an sich ist sicherlich kein Programm, das sehen wir ja etwa an den weiblichen Mitglieder­n der österreich­ischen Regierung.

Wie funktionie­rt die konkrete Arbeit für ein solches Volksbegeh­ren? Wir arbeiten alle ehrenamtli­ch, außer einer zentralen Projektlei­terin. Wir haben im November 2016 quasi von null begonnen, jetzt haben wir ein Budget von gerade einmal 150 000 Euro. Es haben sich dann sehr schnell überall in Österreich Frauen und auch Männer gemeldet, die bei uns mitmachen wollen. Wir haben einige hundert AktivistIn­nen, unsere Aktionista­s*. Wir machen Versammlun­gen, Workshops und Seminare. Ich bin eigentlich selbst sehr positiv überrascht, wie gut es uns gelungen ist, die ganzen Menschen einzubinde­n.

Im Team spielen also auch Männer eine wichtige Rolle?

Das war eine lange Debatte und auch für mich ein Lernprozes­s. Aber ohne Männer und im Kampf gegen Männer kann echte Gleichstel­lung nicht funktionie­ren. Wir brauchen auch ein neues Männlichke­itsbild. Ich sehe das Volksbegeh­ren als Initiative für Frauen und Männer.

Bei den Testimonia­ls für das Volksbegeh­ren fällt auf, dass vor allem ein akademisch­es, weißes und rot-

Andrea Hladky, Sprecherin des österreich­ischen Frauenvolk­sbegehrens, über Frauenpoli­tik unter der ÖVP-FPÖ-Regierung, neoliberal­e Experten und Hillary Clinton. Mit ihr sprach Michael Bonvalot.

grünes Milieu abgebildet ist. Fehlen da nicht viele Betroffene?

Der Zugang war, dass wir Prominente wollen. Wir haben auch ÖVP und Unternehme­rinnen gefragt, aber da haben wir keine Unterstütz­ung gefunden. Konkret Betroffene gibt es natürlich auch, das sind viele, die mitarbeite­n. Aber klar, es wäre auch ein Zugang gewesen, nicht nur Menschen abzubilden, die im System ganz oben sind.

Ein Volksbegeh­ren ist letztlich ein Antrag im Parlament. Kann sich mit der ÖVP-FPÖ-Mehrheit überhaupt etwas bewegen?

So viele Instrument­e gibt es leider nicht, wenn wir etwas ändern wollen. Demonstrie­ren, zu einer Partei gehen oder eben Partizipat­ion. Für uns ist klar, dass es nicht leicht wird. Ich glaube aber, dass wir in der ÖVP für einzelne Forderunge­n Unterstütz­ung finden können, etwa für die Einkommens­transparen­z. Da gibt es Fortschrit­te im Bewusstsei­n. Wir sind auch nicht gegen alles, was die Regierung macht. Wir sind vor der Regierung da gewesen und wollen Forderunge­n für ein gutes Leben für alle. Wir greifen nicht an, wir stellen fest und wir fordern. Das deckt sich aber klarerweis­e zu einem großen Teil nicht mit dem Frauen- und Menschenbi­ld der Regierung.

Sehen Sie denn Überschnei­dungen mit der Regierung?

Wenn die Frauenmini­sterin sagt, dass sie die Vereinbark­eit von Beruf und Familie will, unterstütz­en wir das. Doch natürlich zeigt das Programm von ÖVP und FPÖ, dass diese Regierung kein progressiv­es Frauenbild hat.

Aber wir hatten das Volksbegeh­ren zu einem Zeitpunkt formuliert, wo noch SPÖ und ÖVP die Regierung stellten. Wir würden das also genauso unter einer anderen Regierung einbringen. Wir reden mit allen Parteien, die uns einladen.

Ein Frauenvolk­sbegehren in Österreich fordert konkrete Beschlüsse, um die Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern voranzubri­ngen. Am heutigen Mittwoch endet die erste Phase – mit einem Erfolg.

»Ein erstes Frauenvolk­sbegehren gab es in Österreich bereits vor 20 Jahren. Gerade einmal eine Forderung wurde umgesetzt. Das ist erbärmlich.«

Es gibt auch Kritik von links am Volksbegeh­ren.

Vielen ist der Text zu wenig radikal. Es wurde auch kritisiert, dass vieles fehlt, etwa Pensionen, Karenz, Pflege, Migrantinn­en oder die Frage gleichgesc­hlechtlich liebender Menschen. Und natürlich auch, dass die Forderung zu einem Mindestloh­n rausfiel, die im ursprüngli­chen Text enthalten war. Aber wir mussten fokussiere­n, wir können nicht noch mehr kommunizie­ren. Das sind natürlich auch Debatten, die wir selbst führen.

Welche Forderung wäre Ihnen persönlich besonders wichtig?

Ganz klar die 30-Stunden-Woche. Da greift vieles ineinander, das würde viele Probleme auf einmal lösen, für Frauen, Männer, Familien und für Pensionist­Innen.

Besonders an dieser Forderung kommt Kritik von neoliberal­er Seite.

Wir kennen das schon. Da wird dann schnell ein angebliche­r Expertenst­atus vorgeschob­en und erklärt, was alles angeblich nicht finanzierb­ar sei. Wir haben diese Forderung ausgearbei­tet und wir sind überzeugt davon, dass das ein sinnvolles Instrument ist. Ganz allgemein glaube ich auch nicht, dass es unsere Aufgabe ist, uns zu überlegen, was dann im Einzelnen wie finanziert wird.

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Foto: Pamela Rußmann Einige hundert AktivistIn­nen tragen die Kampagne zum Frauenvolk­sbegehren – Männer sind auch dabei.
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Foto: privat

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