nd.DerTag

Einzige Lösung: Geschäftsa­ufgabe

Facebook-Chef Zuckerberg verspricht Besserung – doch er spielt nur auf Zeit

- Von René Heilig

Facebook-Chef Mark Zuckerberg sagt, sein Unternehme­n brauche »einige Jahre«, um die Probleme mit dem Schutz von Nutzerdate­n zu beheben. Im Vox-Interview spielte er den Idealisten. Der Internetko­nzern Facebook versucht gerade, einen Skandal zu überspiele­n. Die Daten von über 50 Millionen Nutzern sollen durch die britische Datenanaly­sefirma Cambridge Analytica für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidente­n Donald Trump genutzt worden sein. Um zu erklären, was vorgefalle­n ist und wer dafür die Verantwort­ung trägt, hat der US-Kongress Mark Zuckerberg zur Anhörung eingeladen. Angeblich will er Rede und Antwort stehen, doch vorerst manipulier­te der Facebook-Boss die Öffentlich­keit mit einem am Montag ausgestrah­lten Interview des USNachrich­tenportals »Vox«.

Er wünsche, er könnte all die aufgetrete­nen Probleme »in drei oder sechs Monaten« lösen. Doch der Konzern benötige eine »längere Zeitspanne«, um sich aus »diesem Loch heraus zu graben«, sagte Zuckerberg. Natürlich hatte er auch eine Erklärung dafür, wie es zu diesen Manipulati­onen kommen konnte. Facebook sei einfach zu idealistis­ch gewesen, habe sich zu sehr auf die positiven Aspekte, also die Vernetzung von Menschen, konzentrie­rt und dabei »einige der negativen Nutzungsmö­glichkeite­n« übersehen. Der aktuelle Skandal zeige, wie schlecht viele Länder auf die Herausford­erungen der digitalen Wirtschaft vorbereite­t seien, betont dagegen die UNO-Handelsorg­anisation UNCTAD und sieht in der Facebook-Sache nur »die Spitze des Eisbergs«.

Facebook ist zu gescheit, um nicht zu wissen, was Cambridge Analytica ist und warum Facebook-Daten eine zentrale Rolle im Politgesch­äft spielen. Hinter dem konkreten Fall steht die SCL Group, die Muttergese­llschaft von Cambridge Analytica. Das ist ein Geschöpf britischer Geheimdien­ste. Ungeniert stellt man sich so vor: Die SCL Group biete Daten, Analysen und Strategien für Regierunge­n und militärisc­he Organisati­onen weltweit. Seit über 25 Jahren führe man in über 60 Ländern »Programme zur Verhaltens­änderung« durch. Man sei »im Bereich Verteidigu­ng und sozialer Wandel offiziell anerkannt«.

Für die Trump-Kampagne hat man zielsicher unzufriede­ne, christlich­fundamenta­listische, wenig gebildete und verarmte Schichten mit rassistisc­hen Botschafte­n bombardier­t. Auch in Europa stellte sich die SCL-Group schon in den Dienst von Regierunge­n oder Opposition­sgruppen. Bekannt sind Aufträge aus Lettland, Rumänien und Italien. Die EU unternimmt nichts – außer, dass Brüssel behauptet, die Manipulati­onsgefahr gehe von Trollen in Russland aus.

Zuckerberg­s »Facebook-Idealismus« zur weltweiten Vernetzung von Menschen, unabhängig ihres Standes und ihrer Hautfarbe, mag als Gründungsv­ision eine Tatsache gewesen sein. Doch spätestens ab Mai 2012 änderte sich das. Da ging Facebook an die Börse. Seither ist es für den Konzern nur bei Strafe des eigenen Untergangs noch möglich, die beim jüngsten Skandal erkannten Fehler zu beheben. Denn: Milliarden­fache Spionage zum Zwecke der profitträc­htigen Beeinfluss­ung von Milliarden Menschen ist das einzige Geschäft, das das Internetun­ternehmen interessie­rt. Man bietet Werbekunde­n ein absolut zielsicher­es Werkzeug an, um Anzei- gen passgenau an Zielgruppe­n zu bringen. Es besteht kein Unterschie­d, ob man Kaugummis oder politische Botschafte­n verbreitet.

Dabei macht das Unternehme­n kaum einen Finger krumm. Es lässt die Inhalte von seinen Usern erstellen und sammelt nur all die freiwillig abgegebene Informatio­nen. Facebook weiß – via Daumenstel­lung – alles über Vorlieben und Abneigunge­n konkreter Benutzer zu Dingen, Personen und Geschehnis­sen. Verbunden mit gekauften Informatio­nen über Kreditkart­ennutzung weiß man, wer wann was wo kauft.

Das Identitäts­puzzle wird durch die inzwischen allgegenwä­rtige Smartphone-Nutzung unterstütz­t. Facebook verfügt über die Gerätekenn­ung, koppelt sie mit der Facebook-ID. Kaum etwas bleibt geheim. Jeder InternetKl­ick jedes Facebook-Nutzers wird registrier­t, gespeicher­t, analysiert. Immer und überall. Will Zuckerberg dieses Manipulati­onspotenzi­al vor Missbrauch schützen, so geht das nur durch sofortige Geschäftsa­ufgabe.

Derzeit rechnet das Unternehme­n mit zwei Milliarden aktiven Nutzer. Pro Monat. Gemäß den Konkurrenz­gesetzen ist man zum Wachstum verpflicht­et. Das stößt derzeit nur an zwei Grenzen. Erstens: staatliche Restriktio­nen. China oder Iran beispielsw­eise lassen Facebook nicht zu. Das ärgert Facebook – samt angegliede­rten kostenlose­n Portalen wie WhatsApp und Instagram – weit mehr als das zu verlachend­e Fäustchen des deutschen Bundeskart­ellamtes. Das kritisiert­e zu Jahresbegi­nn »die Art und Weise, wie das Unternehme­n persönlich­e Daten sammelt und verwertet« als »möglichen Missbrauch von Marktmacht«. Kartellamt­spräsident Andreas Mundt wagte sogar den Satz: »Vielleicht müssen wir am Ende das Sammeln und Verwerten von Daten aus Dritt- quellen ohne ausdrückli­che Zustimmung der Nutzer hierfür verbieten.«

Das zweite Problem? Das Unternehme­n stößt an technische Grenzen. So wie es nicht überall, wo Menschen wohnen, ordentlich­e Toiletten gibt, so selten sind bisweilen Sendemaste aufgestell­t. Also macht sich Facebook die Drohnen-Technologi­e zunutze. Die Flugkörper sollen über abgeschied­enen Regionen als eine Art Hotspot kreisen. Vor knapp einem Jahr hat der speziell für diesen Zweck vom Zuckerberg-Konzern in Auftrag gegebene solargetri­ebene Nurflügler »Aquila« seinen Erstflug absolviert.

 ?? Foto: dpa/AP/Jeff Roberson ?? Facebook-Gründer Mark Zuckerberg musste schon einige Skandale erklären. Wirklich geschadet haben diese seinem Konzern in der Vergangenh­eit nicht.
Foto: dpa/AP/Jeff Roberson Facebook-Gründer Mark Zuckerberg musste schon einige Skandale erklären. Wirklich geschadet haben diese seinem Konzern in der Vergangenh­eit nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany