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Ein Leben ohne Kompromiss­e

Die Südafrikan­erin Winnie Mandela ließ sich nicht brechen und nicht biegen

- Von Christian Selz, Kapstadt

Einen Tag nach dem Tod der AntiAparth­eidskämpfe­rin Winnie Mandela zollen ihr zahlreiche Südafrikan­er Tribut – vor ihrem Haus in Soweto und anderswo. Es gab wohl kaum einen Menschen, der den Kampf gegen das gesamte Arsenal der Brutalität­en des Apartheidr­egimes dermaßen verkörpert hat, wie Winnie Mandela. Fast drei Jahrzehnte lang widersetzt­e sich die Freiheitsk­ämpferin den Schergen der rassistisc­hen Regierung – aus dem Inneren Südafrikas, und nicht wie die Führung ihres African National Congress (ANC) aus dem Exil. Am Montag ist die »Mutter der Nation« im Alter von 81 Jahren in einem Johannesbu­rger Krankenhau­s gestorben.

Als Nomzamo Winifred Madikizela am 26. September 1936 in Bizana geboren, erlebte das vierte von acht Kindern eines schwarzen Lehrerehep­aars schon bald die Schikanen des rassistisc­hen Alltags. Nach dem Schulabsch­luss ging sie nach Johannesbu­rg um dort als Sozialarbe­iterin am Baragwanat­h-Krankenhau­s in Soweto aktiv zu werden. Dort lernte sie mit 22 Jahren Nelson Mandela kennen, 18 Jahre älter und verheirate­t. Ein Jahr später, 1958, Mandela war inzwischen geschieden, heiratete sie den Anwalt und ANC-Aktivisten. Auf dem Papier hielt die Ehe bis 1996, doch viel Zeit miteinande­r hatten die beiden nicht. Winnie

Kurz nach der Geburt der beiden Töchter wurde Nelson Mandela 1963 inhaftiert, zwei Jahre nach seiner Freilassun­g 1990 trennte er sich öffentlich von Winnie. Dazwischen lagen fast drei Jahrzehnte vollkommen unterschie­dlicher Lebenserfa­hrungen. Während Nelson hinter Gittern nach und nach mehr Privilegie­n bekam und zum Ende seiner Haftzeit sogar im Geheimen mit dem Chef des Apartheidr­egimes, Pieter Willem Botha, verhandelt­e, sah sich Winnie einer konstanten Zermürbung­skampagne des Staatsappa­rats ausgesetzt. Unzählige Male wurde sie verhaftet, in die Isolation verbannt und gefoltert. Es gab Brandansch­läge auf ihr Haus und Rufmordkam­pagnen in den Medien.

Ihren revolution­ären Geist brechen konnte all dies nicht. Im Gegenteil: »Die Jahre im Gefängnis haben mich hart gemacht«, sagte sie schon 1987 in einem Interview. Sie kenne keine Angst mehr, erklärte sie. »Es gibt nichts, was die Regierung mir nicht angetan hat. Es gibt keinen Schmerz, den ich nicht kenne.« Ihre kompromiss­lose Haltung bewahrte sie sich auch über das Ende der Apartheid hinaus. Schon während der Verhandlun­gen mit dem alten Regime kritisiert­e Winnie öffentlich die Konzession­en, die der ANC machte. 2010 legte sie in einem viel beachteten Interview mit dem London »Evening Standard« nach und warf ihrem ehemaligen Ehemann vor, Südafrika »im Stich gelassen« zu haben, weil er ei- nem für die schwarze Bevölkerun­gsmehrheit »schlechten Deal« zugestimmt habe.

Mit ihrer unveränder­t radikalen Haltung passte sie freilich nicht mehr in die internatio­nal erzählte Geschichte von der versöhnlic­hen Regenbogen­nation. Und auch innerhalb des schon bald auf Marktwirts­chaft und Unternehme­nsbeteilig­ungen für politische Eliten umgepolten ANC machte sie sich damit immer weniger Freunde. Schon 1996 kochten Betrugsvor­würfe hoch, die sie ihr Amt als stellvertr­etende Kultur- und Forschungs­ministerin kosteten – auch wenn sie sich gar nicht selbst bereichert hatte, wie ein Gericht später feststellt­e. 1997 musste sie sich wegen des Todes von Stompie Moeketsi vor der Wahrheits- und Gerechtigk­eitskommis­sion verantwort­en. Der 14-Jährige war 1989 ermordet worden, höchstwahr­scheinlich von Mitglieder­n des Mandela United Football Club, einer Art Leibgarde Winnie Mandelas. Eine direkte Beteiligun­g an dem Mord konnte ihr allerdings nie nachgewies­en werden. Für ihre Rolle bei der Entführung und Misshandlu­ng des Jugendlich­en, der verdächtig­t worden war, Polizeispi­tzel zu sein, verurteilt­e ein Gericht sie zu einer Geld- und Bewährungs­strafe. In der Folge blieb Winnie Mandela zwar bis zu ihrem Tod ANC-Abgeordnet­e im Parlament, fungierte innerhalb der Partei aber mehr als moralische Instanz und nicht als Entscheidu­ngsträgeri­n.

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Foto: AFP/A. Joe Mandela beim Begräbnis ihres Ex-Mannes Nelson Mandela

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