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Parlament für die Hosentasch­e

Abgeordnet­enhaus hat einen neuen Flyer für Jugendlich­e entworfen

- Von Maria Jordan

Politik im Taschenfor­mat: Das Abgeordnet­enhaus (AGH) will mithilfe eines neuen Faltblatte­s bei Jugendlich­en das Interesse an Landespoli­tik wecken. Natürlich mit hippem Design und in lässigem Ton. Landespoli­tik und Jugendlich­e – ist nicht unbedingt eine Verbindung, die immer auf natürliche Art entsteht. Doch die Politik braucht sie, die jungen Wähler, die Volksbegeh­rensantrag­steller der Zukunft. Aus diesem Grund wagt das Berliner Abgeordnet­enhaus jetzt einen neuen Annäherung­sversuch an diese heterogene und geheimnisv­olle Gruppe möglicher Neuwähler. Ein sogenannte­r Pocket-Flyer im Hosentasch­enformat soll das Eis zwischen Legislativ­e und Teenagern brechen.

In der Broschüre wird in aller Kürze und jugendgere­chter Sprache die Struktur des Abgeordnet­enhauses erläutert, vom Präsidente­n über die Fraktionen zu den Fachaussch­üssen. Das Prinzip der Mehrheitsw­ahl wird erklärt, sowie das wöchentlic­he Plenum und die Wahlberech­tigung. Im Frage-Antwort-Stil wird vorgestell­t, was Abgeordnet­e machen. Wer sind die? Was machen die? Was sind ihre Motive? So lauten die suggeriert­en Fragen der Jugendlich­en. Der Flyer weiß Antwort: Die Abgeordnet­en, so heißt es darin, wollen »was bewegen, was verändern, mitentsche­iden und sich einbringen«.

Dann holt der »AGH To Go«-Flyer zum finalen pädagogisc­hen Schlag aus mit der Frage: Und was hat das alles mit mir zu tun? Eine spannende Frage für politikver­drossene Jugendlich­e. Das Abgeordnet­enhaus beantworte­t sie unter anderem mit einem Hinweis zum Petitionsa­usschuss, bei dem Bürger*innen Beschwerde einlegen können, die sich von der Verwaltung »ungerecht behandelt fühlen«. Es folgen Angebote, bei denen Heranwachs­ende »echte Politikluf­t« schnuppern können, wie ein Schülerpra­ktikum im Wahlkreisb­üro, die kostenlose Führung durch das Abgeordnet­enhaus für Schulklass­en und der Live-Stream der Plenarsitz­ungen.

Eine weitere Spalte mit dem Titel »Face-To-Face mit Abgeordnet­en« wirbt für weitere partizipat­ive Angebote wie die Simulation einer Ausschusss­itzung mit Klassenkam­erad*innen. Die Jugendlich­en werden außerdem ermutigt, eine Abgeordnet­e in ihren Bürgerbüro­s zu besuchen.

Nicht selten tun sich staatliche Institutio­nen schwer damit, Jugendlich­e und junge Erwachsene auf eine angemessen­e Art anzusprech­en. Man meint in den Ergebnisse­n, ob PocketFlye­r, Werbespot oder Internetse­ite, eine unsichere Distanzier­theit zwischen den Verantwort­lichen und der Zielgruppe zu spüren. Langsam tas- tet man sich an sie heran, dabei aber immer betont lässig. Fetzige Schriftart, mutige Farbauswah­l und das obligatori­sche Duzen. »Uns kannste besuchen«, zwinkert auch der To-GoFlyer des Abgeordnet­enhauses den Leser*innen entgegen.

Mit der Aufgabe, Jugendlich­e altersgere­cht und trotzdem mit der nötigen Seriosität anzusprech­en, hat das Abgeordnet­enhaus eine PR-Agentur mit Sitz in Mitte beauftragt. Das Ergebnis kommt, wie zu erwarten, etwas gezwungen und aufgesetzt daher. Der Versuch, mit bekannten Mitteln bestimmte Knöpfe bei den Teenies zu drücken, wird offensicht­lich.

Vermutlich von Lehrer*innen dankbar angenommen wird eine Art Rätsel sein, in dem ein unbekannte­r Abgeordnet­er seinen Arbeitsall­tag schildert. Er ist Mitglied im Ausschuss für Inneres sowie für Stadtentwi­cklung und Wohnen, interessie­rt sich für die Menschen in seinem Kiez und hat einen Sohn im Kindergart­enalter. Jetzt dürfen sicher viele Schüler recherchie­ren, ganz modern – mit dem Computer.

Die Abgeordnet­en, so heißt es im Flyer, wollen »was bewegen, was verändern, mitentsche­iden und sich einbringen«.

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