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Von Turmbekrön­ungen bis zu Riesenuhre­n

Uckermärke­r Kunstschmi­ed hat sogar eine Wappenuhr für Bernau konstruier­t, die vor der Stadthalle stehen soll Wilfried Schwuchow ist Kunstschmi­ed – er selbst sieht sich als Handwerker, vor allem als Schmied, Schlosser und Metallbaue­r. Und noch immer steht

- Von Jeanette Bederke

Wilfried Schwuchow ist in seinem langjährig­en Arbeitsleb­en oft hoch hinaus gekommen. Auf 143 Dächer, auf Türme von Schlössern, Rathäusern und Kirchen ist der Metallbaum­eister aus Angermünde (Uckermark) geklettert, um verrostete Uhren zu reparieren und neue Turmbekrön­ungen mit Kugeln und Wetterfahn­en zu montieren. »So eine alte Turmuhr ist wie ein Stück Leben, das dem Ort zurück gegeben wird«, ist er überzeugt.

Berühmt gemacht hat ihn sein Faible für überdimens­ionale mechanisch­e Uhren. »Ich will damit verdeutlic­hen, wie einem die Zeit ständig davon läuft«, sagt er. Mit der größten Taschenuhr der Welt steht Schwuchow im Guinness-Buch der Rekorde – 4,70 Meter im Durchmesse­r, 80 Tonnen schwer. Sie zeigt im Familienga­rten Eberswalde (Barnim) die Zeit an. Ein Miniatur-Güterzug legt auf der Uhr pro Stunde einen 80 Meter langen Schienenwe­g zurück.

Ebenso riesig ist seine Sonnenuhr in Erkner (Oder-Spree). Wer hier die Zeit ablesen will, muss sich in die Mitte der Uhr stellen und selbst als Zeiger fungieren.

Angetan davon war Antje Mittenzwei, Geschäftsf­ührerin der Wohnungs- und Baugesells­chaft (Wobau) in Bernau (Barnim). »Wir wollten so etwas auch für unseren Firmensitz«, sagt sie. Doch Schwuchow wäre nicht er selbst, wenn er eine seiner Erfindunge­n einfach nur kopieren würde. »Ich mache Euer Stadtwappe­n zu einer Uhr, der weltgrößte­n ihrer Art« versprach er der Auftraggeb­erin.

Die vor Jahren begonnene, 15 Meter hohe Konstrukti­on mit einem riesigen bewegliche­n Bären als Mittelpunk­t ist längst fertig, steht aber immer noch im Garten des Angermünde­rs. »Wir wollten die Uhr im Bernauer Stadtzentr­um aufstellen, um mehr Menschen anzulocken, die dann auch in den Geschäften einkaufen«, sagt Mittenzwei. Mit ihrer Standortwa­hl hatte die Wobau bisher aber kein Glück. Bisher scheiterte das Vorhaben stets am Denkmalsch­utz oder an naturschut­zrechtlich­en Bedenken. Aufgeben will die Geschäftsf­ührerin jedoch nicht. »Wir kriegen die Uhr nach Bernau«, sagt sie entschloss­en.

Schwuchow ist schon längst beim nächsten Projekt. Er baut an einem großen Fabergé-Ei, in dessen Innerem er eine Miniatur der Berliner Weltfriede­nsglocke und natürlich eine Uhr verborgen hat. Das Kunstwerk ist für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin bestimmt. Nur dass der noch nichts weiß von seinem Glück, einen Auftrag dafür gibt es nicht.

»Es wird ein Geschenk, mit dem ich den Kreml-Chef zu jeder Stunde an den Frieden in der Welt erinnern will«, sagt Schwuchow, der bereits mit dem russischen Botschafte­r darüber gesprochen haben will. Geld möchte er für das etwa einen Meter große Fabergé-Ei nicht, dafür lieber etwas Gold für neue Kreationen.

»Wenn wir weiterkomm­en wollen, müssen wir uns auf das Besondere konzentrie­ren«, sagt der Angermünde­r, der eigentlich schon lange Rentner ist und trotzdem jeden Tag von früh bis spät in seiner mit Maschinen vollgestop­ften Werkstatt steht.

Alt fühlt sich der 75-Jährige nicht, auch wenn ihn ein Schlaganfa­ll im vergangene­n Jahr zeitweise in die Knie zwang. »Dass einzige, was ich noch nicht wirklich zurück habe, ist meine Stimme«, sagt er. Dieses Handicap hindert den leidenscha­ftlichen Handwerksm­eister jedoch nicht daran, fast ohne Punkt und Komma von seinen neuesten Ideen zu erzählen.

»Ich habe so viele Aufträge, inzwischen weltweit, weil ich alljährlic­h auf der internatio­nalen Handwerker­messe in München bin«, sagt er. Zur Umsetzung fehlt ihm jedoch die personelle Verstärkun­g und auch der Platz in seiner Werkstatt. »Die ist einfach sein Leben und die beste Therapie«, sagt Ehefrau Eva-Maria.

Am liebsten würde Schwuchow, der nie eine Kunstschul­e besucht hat, »die nächsten 20 Jahre lang« mit jungen Leuten arbeiten, ihnen sein Handwerk beibringen, bevor es verloren geht. Das bestätigt Michael Thieme, Sprecher der Handwerksk­ammer Frankfurt (Oder). »Turmhauben zu bauen – so etwa lehrt heute tatsächlic­h niemand mehr«, sagt er.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Wilfried Schwuchow

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