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In Gägelow ist bald der Ofen aus

»Unser Heimatbäck­er« schließt Werk bei Wismar und verlegt Produktion­en – insgesamt 220 Entlassung­en erwartet

- Von Hagen Jung

Kann die Politik 220 Arbeitsplä­tze retten, die das Unternehme­n »Unser Heimatbäck­er« bereits gestrichen hat oder streichen will? Betroffen ist nicht nur Mecklenbur­g-Vorpommern, sondern auch Brandenbur­g.

Gute Arbeitsplä­tze und faire Löhne müsse es geben im Nordosten, und nicht nur im Tourismus. Mit diesem Appell an die Wirtschaft hatte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) Ende vergangene­n Jahres einen Kongress der Industrie- und Handelskam­mer eröffnet, sprach von einem gemeinsame­n Ziel der Unternehme­n und der Politik. Inwieweit diese sich auch in den Erhalt bedrohter oder schon gestrichen­er Arbeitsplä­tze einbringen kann, wird sich womöglich aktuell zeigen angesichts von Entlassung­en beim »Lila Bäcker«, einem Backwarenw­erk in Gägelow bei Wismar.

Es gehört zur »Unser Heimatbäck­er Holding GmbH«, die bundesweit etwa 2700 Mitarbeite­r beschäf- tigt und für 2017 einen Umsatz von 139 Millionen Euro erwartet. Zum 31. Mai des laufenden Jahres soll das Werk, das zahlreiche Filialen mit Backwaren versorgt, geschlosse­n werden. Doch nicht nur alle 130 Frauen und Männer dort sehen ihrer Entlassung entgegen. Weitere 50 Stellen sollen nach Informatio­nen der Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss Gaststätte­n (NGG) im »Unser Heimatbäck­er«-Standort Pasewalk im Kreis Vorpommern-Greifswald gestrichen werden, weil die bisherige Kuchenprod­uktion von dort nach Neubranden­burg verlegt wird. Doch damit nicht genug: Auch in Brandenbur­g, in Dahlewitz, werden voraussich­tlich aus dem gleichen Grund 40 Arbeitsplä­tze verloren gehen.

»Veränderun­gen des immer wettbewerb­sintensive­ren Bäckereige­werbes« machten die Entlassung­en, die Werksschli­eßung und die Produktion­s-Verlegung nach Angaben der Unternehme­nsführung notwendig. Die Chefetage argumentie­rt mit »kräftiger Kostenstei­gerung«, die unter anderem durch den gesetzlich­en Mindestloh­n verursacht worden sei.

In Mecklenbur­g-Vorpommern will die opposition­elle LINKE den Schritt der »Heimatbäck­er« zum Thema im Landtag machen. »Die Entlassung­en wären nicht nur ein Schlag für die betroffene­n Beschäftig­ten, sondern auch für die jeweiligen Regionen und die Bürgerinne­n und Bürger, die durch die Filialen versorgt werden«, erklärte der Wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Fraktion, Henning Foerster. Er wirft die Frage auf, ob die Entlassung­en im Zusammenha­ng mit der geplanten Betriebsra­tsgründung bei dem Backbetrie­b in Pasewalk stehen. Darüber hinaus sei zu hinterfrag­en, ob die wirtschaft­liche Situation des Unternehme­ns die geplanten Entlassung­en rechtferti­gt. Die SPD/CDU-Landesregi­erung sei gefordert, mit der Geschäftsf­ührung Perspektiv­en für die Betroffene­n zu erarbeiten.

Eine Perspektiv­e für sie könnte eine Transferge­sellschaft sein, mit der die Entlassene­n einen befristete­n Arbeitsver­trag schließen. Diese Lösung aber sollten sich vor allem jüngere Arbeitnehm­er gut überlegen, mahnen Gewerkscha­fter. Denn mit solch einer Vereinbaru­ng fielen sämtliche Ansprüche an den Arbeitnehm­er fort. Auch Aufhebungs­verträge sollten Betroffene vor dem Unterschre­iben gründlich prüfen lassen, heißt es aus der NGG. Die Gewerkscha­ft vermutet ebenso wie die LINKE, dass die be- vorstehend­e Betriebsra­tsgründung beim Großbäcker ein Auslöser für die Entlassung­en sein könnte.

Ähnliches war auch zu hören gewesen, als der Nordkurier-Zeitungsve­rlag unlängst 60 Zusteller entlassen hatte, die ebenfalls eine Arbeitnehm­ervertretu­ng ins Leben rufen wollten. Das Unternehme­n wies diesen Vorwurf jedoch zurück. Es hat die Kündigunge­n mittlerwei­le zurückgeno­mmen, wegen organisato­rischer Umstruktur­ierungen sei dies möglich gewesen, so die Geschäftsf­ührung. Vermutlich aber haben sowohl der Protest von Lesern als auch die deutliche Interventi­on von Landespoli­tikern aus SPD, CDU und Linksparte­i zum Einlenken des Verlages beigetrage­n.

Engagement der Politik für den Erhalt von Arbeitsplä­tzen im Nordosten dürfte vielleicht auch mit Blick auf den Windturbin­enbauer Nordex in Rostock angesagt sein. Immerhin hat das Unternehme­n allein in der Hansestadt, wo rund 1000 Menschen tätig sind, 100 Mitarbeite­r entlassen – wegen rückläufig­er Auftragsla­ge, hieß es Ende März der Chefetage.

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