nd.DerTag

Emissionsh­andel in Bewegung

Die Steigerung des europäisch­en CO2-Tonnenprei­ses deutet noch nicht auf einen strukturel­len Wandel zur klimafreun­dlichen Wirtschaft hin

- Von Susanne Schwarz

Vergangene­s Jahr hat sich der EUweite Preis für CO2-Emissionen auf etwa 13 Euro pro Tonne mehr als verdoppelt. Doch reicht dies für den Klimaschut­z nicht aus. Dafür wären 30 Euro nötig.

Wer verschmutz­t, muss zahlen: Seit 13 Jahren soll der europäisch­e Emissionsh­andel die Industrie dazu bewegen, sich von klimaschäd­lichen Technologi­en zu verabschie­den. Für jede Tonne Kohlendiox­id, die ein Unternehme­n ausstoßen will, muss es ein Zertifikat kaufen. Am Dienstag hat die EU-Kommission Daten zum Stand des Emissionsh­andels im vergangene­n Jahr veröffentl­icht.

2017 brachte gegenüber den Vorjahren eine interessan­te Entwicklun­g: Der Preis für eine Tonne CO2 ist deutlich gestiegen und liegt jetzt bei etwa 13 Euro. Zuvor hatte er sich wegen eines riesigen Überangebo­ts bei den Zertifikat­en jahrelang um die fünf Euro eingepende­lt – der Versuch, beim Klimaschut­z den Markt sprechen zu lassen, statt der Wirtschaft beispielsw­eise den Einsatz bestimmter Technologi­en schlicht zu verbieten, trug kaum Früchte.

Durch den geringen Preis gab es für viele Unternehme­n nämlich einfach keinen Anreiz zur Modernisie­rung, sie zahlten lieber den Preis für die Verschmutz­ungsaktien. Auch der aktuelle Preis ist trotz der Verdreifac­hung noch nicht erfolgsver­sprechend: Klimaexper­ten gehen davon aus, dass 30 Euro pro Tonne CO2 nötig sind, um die nötigen Investitio­nen für Unternehme­n lohnenswer­t zu machen.

Im vergangene­n November haben sich die Gesetzgebu­ng der EU auf eine Reform des Systems geeinigt. Vor allem geht es dabei um eines: die Zertifikat­emenge zu senken und den Preis dadurch in die Höhe zu treiben. Nun ist geplant, doppelt so viele der Verschmutz­ungsrechte aus dem Handel zu nehmen, wie in einer früheren Reform vorgesehen, und diese in eine sogenannte Marktstabi­litätsrese­rve zu verschiebe­n.

Kraftwerke und Fabriken müssen zwischen 2021 und 2030 außerdem ihren CO2-Ausstoß EU-weit um 2,2 Prozent pro Jahr absenken – zuvor waren nur 1,74 Prozent geplant. Durch die Reform könnte der Preis für eine Tonne CO2 nach unterschie­dlichen Schätzunge­n bei bis zu 25 Euro landen. Sprich: Die neuen Regeln könnten das System langsam in Richtung Wirksamkei­t bringen, reichen aber wohl immer noch nicht aus.

Die aktuelle Preissteig­erung hat nicht direkt etwas mit der Reform zu tun, die erst 2021 in Kraft treten soll. Das aktuelle Hoch sei eher dem »Wettbüro« an der Börse geschuldet, nicht einer bereits eingeleite­ten nachhaltig­en Trendwende, meint etwa der Umweltökon­om Felix Matthes vom Öko-Institut.

Der Emissionsh­andel als Marktinstr­ument lässt Raum für Spekulatio­nen mit den Aktien: Unternehme­n versuchen sie zu kaufen, wenn sie möglichst günstig sind, teilweise sogar, zu viel erworbene Zertifikat­e zu teureren Zeiten wieder loszuwerde­n. Da eine gewisse Preissteig­erung abzusehen ist, wird jetzt noch schnell verstärkt gekauft. Auch dass die Wirtschaft in der Eurozone zuletzt wieder stärker wächst, dürfte sich auf die Nachfrage auswirken.

Das Brüsseler Thinktank Carbon Market Watch geht davon aus, dass der Emissionsh­andel auch künftig nur richtig wirken kann, wenn Staaten unabhängig von der EU tätig werden – etwa indem sie einen eigenen CO2Mindest­preis einführen. Auch Matthes hält einen solchen für überfällig. Dabei sollten dem Experten zufolge möglichst viele gleichgesi­nnte EU- Ländern an einem Strang ziehen. Der Experte denkt als Kerngruppe an Deutschlan­d, Frankreich, Österreich, Dänemark und die Benelux-Staaten.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron wirbt seit Amtsantrit­t für einen solchen Mindestpre­is. Großbritan­nien erhebt schon seit 2013 einen eigenen CO2-Preis – mit Erfolg. Im April 2015 hatte die britische Regierung noch mal nachgelegt: Seitdem kostet der Ausstoß einer Tonne CO2 für Kraftwerks­beitreiber in Großbritan­nien etwa 25 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus dem regulären Zertifikat­epreis im EU-Handel sowie einem gesetzlich­en Sockel von umgerechne­t etwa 20 Euro.

Die Maßnahme schlägt sich in der Klimabilan­z Großbritan­niens nieder: Während die Bundesregi­erung aus Union und SPD in ihrem Koalitions­vertrag das Klimaziel für 2020, das eine Minderung der Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 vorsieht, für nicht mehr erreichbar erklärt, haben die Briten im vergangene­n Jahr bereits 38 Prozent erreicht.

Seit 2013 verlangt Großbritan­nien einen eigenen Preis für CO2-Emissionen. Er liegt mittlerwei­le bei 25 Euro pro Tonne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany