nd.DerTag

Urlaub auf der Plantage

Tourismus in Kaffeedörf­ern soll kolumbiani­schen Anbauern zusätzlich­es Einkommen sichern

- Von Knut Henkel

Die Kaffeebaue­rn des kolumbiani­schen Netzwerks Red Ecolsierra setzen nicht nur auf bessere Qualität. Sie suchen auch nach weiteren Einkommens­quellen. An der mintgrünen Wand hinter Martin Darwin Quintero hängt die Tafel mit den aktuellen Preisen. »Da kann sich jeder orientiere­n, was er oder sie für ihren Kaffee erhält«, erklärt Lidia Marina Medina und reibt ihrem Maultier kurz über die Flanke, das vor der Bodega – der Lagerhalle – steht. Heute Morgen hat die Kaffeeprod­uzentin, die seit mehr als 30 Jahren auf ihren vier Hektar aromatisch­e Bohnen anbaut, schon zwei Säcke an Martin Darwin Quintero verkauft. Der 35-Jährige mit dem runden, glatt rasierten Gesicht ist der Verwalter der Ankaufstel­le vom Red Ecolsierra (Netzwerk der Ökologisch­en Produzente­n der Sierra Nevada von Santa Marta) in Palmor.

»Insgesamt haben wir neun Ankaufstel­len wie diese, denn das Red Ecolsierra ist in den vier Gemeinden von Santa Marta aktiv, in denen Kaffee angebaut wird«, erklärt Jesús Guerrero. Der 22-jährige Agronom ist für das Netzwerk unterwegs, dem 425 Kaffeebaue­rn und Kaffeebäue­rinnen angehören. Das Netzwerk fördert den bilogische­n Kaffeeanba­u durch Beratung und Hilfe bei der Organisati­on. Heute besucht er Lidia Marina Medina in Palmor, morgen ist er vielleicht in Aracataca, übermorgen in Fundación, zwei weiteren der vier Gemeinden, die in direkter Nachbarsch­aft von Santa Marta liegen.

In der kolumbiani­schen Hafenstadt hat Red Ecolsierra seine Zentrale. In einer modernen Lagerhalle wird sowohl Kaffee en gros für die eigene Marke »Café Tima« geröstet, als auch die Qualität des Kaffees in einem modern ausgestatt­eten Kaffeelabo­r analysiert, um potenziell­en Kunden genau das richtige Produkt liefern zu können. Hier werden auch die Proben für die Neukunden zusammenge­stellt und die Konzepte für die Zukunft vorbereite­t. »Über die entscheide­t die Asamblea, in der alles diskutiert wird«, erklärt Jesús Guerrero das Prozedere. Die Vollversam­mlung, bei der Delegierte aus jeder Kaffeeregi­on anwesend sind, ist das oberste Organ von Red Ecolsierra, und dort ist vor 15 Jahren auch die Grundsatze­ntscheidun­g gefallen, biologisch zu produziere­n.

Damals war auch Marco Tulio Arias mit von der Partie. Der 64-jährige Kaffeebaue­r gehört zu den Gründungsv­ätern des Red Ecolsierra und ist froh, dass rund um Palmor fast alle Kaffeebaue­rn biologisch produziere­n. »Hier ist die Kaffee eher eine Gewohnheit als ein traditione­lles Anbauprodu­kt – Kaffee gehört einfach dazu«, sagt der kleine Mann, der Besuchern stets eine Tasse Kaffee aus eigener Produktion und Röstung anbietet.

Er ist angetan von der Idee, Kaffeelieb­haber direkt in die Anbauregio­nen zu bringen – zur Visite auf der Kaffeefinc­a, inklusive Übernachtu­ng. Das ist eine der Ideen von Geschäftsf­ührer Victor Enrique Cordero Ardila, der immer auf der Suche nach neuen Projekten ist, um den Kaffeebaue­rn des Red Ecolsierra weitere Einkommens­optionen aufzuzeige­n. Eine Imkerei gehört dazu, wie auch der Ausbau der eigenen Rösterei und das Versenden von Kaffeemust­ern an Gourmetkaf­fee-Händler. Die zahlen höhere Preise, und Marco Tulio Arias hat schon einmal einen Sack Kaffee höchster Qualität für ein paar Tausend US-Dollar verkauft und ist dabei, die Qualität seiner Bohnen kon- tinuierlic­h zu steigern. Daran arbeitet der Bauer gemeinsam mit den Technikern vom Red Ecolsierra, denn die Ansprüche auf dem internatio­nalen Markt steigen, und von Qualitätss­teigerunge­n haben alle etwas.

Früher war das anders. Da wurde zwischen Exportqual­ität und dem unterschie­den, was in Kolumbien konsumiert wurde. Heute findet sich die Exportqual­ität auch in den Regalen der Supermärkt­e, und die Kaffeekult­ur ist landesweit auf dem Vormarsch. Bestes Beispiel dafür ist der Erfolg von »Café Tima«, der auch in Cartagena und Barranquil­la populär ist und sogar in einigen Restaurant­s von Bogotá konsumiert wird. Das hat andere Kaffeeorga­nisationen aufhorchen lassen, sie kopieren das Modell von Red Ecolsierra. »Das eigene Produkt auch anbieten zu können, sorgt schon für einen Motivation­sschub«, sagt Marco Tulio Arias stolz, und Jesús Guerrero nickt stillschwe­igend.

Er ist ein Kind eines Kaffeebaue­rn, und die werden vom Red Ecolsierra umworben und beraten, wie sie ihre Ausbildung am besten machen können, um anschließe­nd in der Organisati­on mitzuarbei­ten. Mit 19 Jahren hat Jesús Guerrero seine Ausbildung zum Agrartechn­iker begonnen, drei Jahre später ist er als Berater für ökologisch­en Kaffeeanba­u rund um Santa Marta im Einsatz. Nebenbei studiert er, um sich irgendwann einmal in der Leitung von Red Ecolsierra zu engagieren.

Dort feilt Victor Enrique Cordero Ardila an Konzepten, um Touristen in Kaffeedörf­er wie Palmor zu bringen. »Tourismus in ländlichen Regionen funktionie­rt auch in Spanien, und selbst in Kolumbien gibt es Kaffeeregi­onen, wo Touristen in alten Farmhäuser­n untergebra­cht werden«, erklärt er. Eine weitere Zukunftsop­tion für die Bauern der Sierra Nevada von Santa Marta, wo es seit der Unterzeich­nung des Friedensab­kommens zwischen FARC und Regierung nach 52 Jahren Bürgerkrie­g deutlich ruhiger geworden ist. Nicht nur für die Kaffeebaue­rn bieten sich dadurch vollkommen neue Optionen.

 ?? Foto: AFP/Joaquin Sarmiento ?? Kolumbien erlebt seit einigen Jahren einen Kaffeeboom.
Foto: AFP/Joaquin Sarmiento Kolumbien erlebt seit einigen Jahren einen Kaffeeboom.

Newspapers in German

Newspapers from Germany