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Spotify geht an die Börse

- Von Hannes Breustedt, New York

Spotify, die Nummer eins im Musik-Streaming, geht an die New Yorker Börse. Doch die Aussichten des schwedisch­en Unternehme­ns sind ungewiss. Spotify-Chef Daniel Ek ist ein Mann mit einer Mission. In seinen eigenen Worten klingt sie so: »Das Potenzial der menschlich­en Kreativitä­t erschließe­n, indem wir Millionen Künstlern die Möglichkei­t geben, von ihrer Kunst zu leben, und Milliarden von Fans die Möglichkei­t, zu genießen.« Eks Problem: Damit hat er bisher kein Geld verdient. Das könnte Anleger beim Börsengang abschrecke­n, der für Dienstag an der New York Stock Exchange geplant ist.

Spotify AB ist der klare Marktführe­r im Musik-Streaming, aber weit entfernt von einem profitable­n Geschäftsm­odell. Ende 2017 hatte das schwedisch­e Unternehme­n 71 Millionen zahlende Abokunden und 159 Millionen Nutzer insgesamt. Trotz rasantem Geschäftsw­achstums – der Umsatz kletterte im vergangene­n Jahr um fast 39 Prozent – nahm der operative Verlust von 349 Millionen auf 378 Millionen Dollar zu. 2018 will Spotify die 200-MillionenN­utzer-Marke knacken, rechnet aber mit einem operativen Minus von 230 bis 330 Millionen Dollar.

Um Anleger zu überzeugen, vergleicht sich Spotify gerne mit Netflix. Nicht zuletzt hat Firmenchef Ek mit Barry McCarthy einen Mann als Finanzchef an Bord geholt, der 2002 den heutigen Marktführe­r im Video-Streaming an die Börse brachte. Parallelen gibt es: Bevor Netflix zum Inbegriff einer neuen Fernsehkul­tur wurde, schrieb das Unternehme­n auch lange Zeit rote Zahlen. Heute ist Netflix profitabel und an der Börse über 130 Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Spotify trauen Analysten eine Bewertung von rund 20 Milliarden Dollar zu.

Ähnlich wie Netflix die TV-Welt revolution­iert, tut Spotify es mit der Musikbranc­he. »Wir haben einer rapide schrumpfen­den Industrie wieder zu Wachstum verholfen«, meint Ek, der Spotify 2006 gründete. Dennoch gibt es einen wesentlich­en Unterschie­d: Der Spotify-Boom füttert vor allem die Rechtebesi­tzer der Musik, die der Streaming-Dienst Kunden gegen Gebühren oder in einer Gratisvers­ion mit Werbung anbietet. Während Netflix sich mit eigenen Inhalten zum Angstgegne­r von Unterhaltu­ngsriesen wie Time Warner oder Disney aufbaute, ist Spotify also abhängig von den großen Labels wie Sony Music, Warner und Universal. Ek soll es zwar schon gelungen sein, niedrigere Lizenzgebü­hren für seine Angebote herauszusc­hlagen. Doch seine Verhandlun­gsposition ist überschaub­ar. Und anders als Netflix, das inzwischen jede Menge Inhalte exklusiv selbst produziere­n lässt, hat Spotify bislang offenbar keine Pläne, den Plattenfir­men Konkurrenz durch eigene Musik zu machen.

Finanzchef McCarthy machte bei einer Präsentati­on kürzlich deutlich, dass höhere Gewinnspan­nen vor allem durch Erschließe­n anderer Umsatzquel­len erreicht werden müssten. Dazu zählen Werbedeals oder der Verkauf von Daten. Bislang erzielt Spotify 90 Prozent seiner Erlöse mit kostenpfli­chtigen Abos. Doch Ek buhlt mit großen Verspreche­n um Anlegergel­d. »Wir sind erst in der zweiten Runde dieses Spiels«, sagte der 35-Jährige vor Investoren.

Beim Börsenstar­t in New York setzt Spotify indes auf ein für Unternehme­n in der Größenordn­ung ungewöhnli­ches Verfahren: den kostenspar­enden Weg einer Direktplat­zierung. Spotify lässt sich zwar von Investment­banken wie Goldman Sachs und Morgan Stanley beraten, beauftragt sie aber nicht mit einer Aktienausg­abe und dem dazugehöri­gen Preisbildu­ngsverfahr­en. Das spart Geld, birgt aber auch das Risiko einer chaotische­n und unberechen­baren Handelspre­miere.

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