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Der Ölpreis steigt wieder

Technische Analysen und fundamenta­le Daten lassen zukünftig stärkere Schwankung­en erwarten

- Von Hermannus Pfeiffer

Nicht allein Autofahrer und Umweltschü­tzer interessie­ren sich sehr für die Entwicklun­gen auf den Ölmärkten. Der Trend bei den Preisen zeigt nach oben – dank Putin. Zentralban­ken begründen ihre extrem niedrigen Leitzinsen mit dem allgemein niedrigen Preisnivea­u. Dass die Preise seit Langem nicht so richtig in Schwung kommen, wie von Bankern erhofft, liegt zu einem großen Teil an den Energiepre­isen, vor allem am Rohöl. Zeitweilig war der Ölpreis je Barrel – der einmal bei rund 120 Dollar gelegen hatte – auf unter 30 USDollar gefallen. Barrel ist die in der Energiewir­tschaft übliche Maßeinheit und entspricht 159 Litern. Seit dem vergangene­n Sommer steigt der Ölpreis im Trend wieder. Ob dies dauerhaft der Fall sein wird, gehört zu den spannenden Fragen für die Zukunft der Weltwirtsc­haft.

Nach einer Durststrec­ke konnten die Ölpreise seit Mitte März kräftige Zugewinne verzeichne­n. So stieg der Preis der Nordseesor­te Brent wieder auf über 70 Dollar je Barrel. »Zahlreiche Gründe sprechen für eine Fortsetzun­g der Ölpreisral­lye«, schreibt Jan Edelmann, Rohstoffan­alyst der HSH Nordbank AG in seinem aktuellen Marktberic­ht. In der sehr kurzen Frist dürften vor allem »technische Indikatore­n« für weiter steigende Preise sorgen, wie das Überschrei­ten der Marke von 71,05 Dollar-Marke – dem höchsten Stand seit Herbst 2014.

Solche »technische­n« Argumente spielen für Investoren auf den Finanzmärk­ten eine große Rolle. Bei allem Auf und Ab sehen Branchenke­nner einen allgemeine­n Aufwärtstr­end. Glauben viele Investoren an diesen Trend, fließt mehr Geld in »Öl«. Die Folge: Die Kurse steigen. Dabei wird weniger in »physisches« Öl investiert als vielmehr in Finanzprod­ukte, die auf die Ölpreisent­wicklung wetten.

Solche Wetten wirken dann auf die Preise für echtes Öl zurück. Aber auch aufgrund »fundamenta­ler« Daten erwarten die NordLB-Experten steigende Ölpreise. Die Nachfrage sei im bisherigen Jahresverl­auf aufgrund der Kälte in den USA und in Europa deutlich höher als erwartet ausgefalle­n. Gleichzeit­ig sei die Angebotsse­ite hinter den Erwartunge­n der Internatio­nalen Energieage­ntur IEA zurückgebl­ieben. Das treibt die Preise nach oben.

Vor allem erwarten Analysten eine Fortsetzun­g der bisher »beispiello­sen Disziplin« der OPECplus-Staaten. Ge- meint sind die Mitglieder der Organisati­on erdölexpor­tierender Länder und Russland. Diese hatten durch eine gemeinsame Drosselung der Fördermeng­en auf etwa 32 Millionen Barrel am Tag erst den Preisansti­eg seit 2017 ermöglicht.

OPECplus dürfte seine Strategie fortsetzen. Der saudische Energiemin­ister Khalid al-Falih bekräftige Ende Februar auf einer Pressekonf­erenz mit seinem russischen Amtskolleg­en Alexander Nowak in Riyadh, dass das Abkommen bis Jahresende in Kraft bleiben soll. Die Drosselung der Förderung um 1,7 Millionen Barrel pro Tag fängt das Produktion­swachstum im US-Schieferöl­sektor bislang mehr als auf. Entspreche­nd erwarteten auch die Fachleute der NordLB weiter steigende Ölpreise: »Wir stufen den Sektor als ›positiv‹ ein.«

Langweilig wird es – wohl zum Ärger der Zentralban­ker – dennoch nicht. Dafür sorgt die zunehmende »Volatilitä­t«, das heißt, die Preise werden noch stärker schwanken als bisher – und damit unkalkulie­rbarer. Ein Grund dafür sind die normalisie­rten globalen Lagerreser­ven, die keinen ausreichen­den Puffer mehr bereithalt­en, um mögliche Produktion­sausfälle abzufedern.

Das größte Risiko für den Ölpreis sind die andauernde­n Handelsstr­eitigkeite­n der USA mit dem Rest der Welt. Eine Verlangsam­ung der Handelsstr­öme könnte die Ölnachfrag­e stark bremsen. Die Risiken, dass es zu solch einer Eskalation kommen wird, sehen viele Bankanalys­ten allerdings als gering an.

Inzwischen taucht auch auf dem aktiven Ölmarkt China auf. Bislang nur als wichtiger Abnehmer bekannt, startete Ende März mit großem Erfolg der erste Rohöl-Terminkont­rakt an der Shanghaier Energiebör­se (INE) in der chinesisch­en Währung Renminbi über 20 Millionen Barrel. Sollten dem Termingesc­häft viele weitere folgen, so die Analysten der Commerzban­k, würde China wie im Metallhand­el weiter an Gewicht gewinnen. Und der US-Dollar entspreche­nd an Bedeutung verlieren.

Das größte Risiko für den Ölpreis sind die andauernde­n Handelsstr­eitigkeite­n der USA mit dem Rest der Welt.

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