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Die Sensibilis­ierung der Behörden reicht nicht aus

Der Film »Das blinde Auge« untersucht einen thüringisc­hen Todesfall von 2001 – Axel U. wurde damals von einem Neonazi ermordet

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Herr Smendek, was interessie­rt Sie an dem Todesfall von vor fast 17 Jahren?

Axel U. wurde in Bad Blankenbur­g zu Himmelfahr­t 2001 von einem stadtbekan­nten Neonazi umgebracht. So weit ist das bekannt. Jedoch reicht bei den Sicherheit­sbehörden die rechte Gesinnung allein zur Einordnung als politisch rechte Straftat nicht aus. Entscheide­nd sind die Umstände der Tat – und die versucht der Film aufzuzeige­n.

Wie waren die Umstände?

Der Täter gab vor Gericht an, Axel U. unter anderem wegen angebliche­r Drogengesc­häfte angegriffe­n zu haben. Weil Drogendeal­er im ideologisc­h rechten Weltbild zu den »Volksfeind­en« gehören, ist hier ein rechtes und sozialdarw­inistische­s Motiv zu erkennen. Die Sicherheit­sbehörden haben das entweder nicht gesehen oder sogar ignoriert. Der Umgang mit rechten Gewalttate­n ist in Thüringen spätestens seit dem Bekanntwer­den des NSU ein wichtiges Thema.

Nach Ihrer Recherche bewegte sich der Täter auch im Umfeld des NSU. Waren zivilgesel­lschaftlic­he Gruppen zur Aufarbeitu­ng der Mordserie ein Anstoß für den Film? Begonnen habe ich Anfang 2017 mit einer umfangreic­hen Recherche über durch Rechte verursacht­e Todesfälle, wie auch über aktuelle rechte Gewalttate­n. Ich war überrascht, als ich auf den Todesfall in Bad Blankenbur­g gestoßen bin. In Akten der Behörden ist von den Verstricku­ngen des Neonazität­ers mit der »Anti-Antifa-Ostthüring­en« und dem »Thüringer Heimatschu­tz« die Rede. Eine Polizeiakt­e beschreibt, dass der Täter Neonazi war und legt die Vermutung nahe, dass es eine Verbindung zu Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gegeben hat.

Wie ist damals die Öffentlich­keit mit dem Todesfall Axel U. umgegangen? Kurz nach der Tötung gab es eine Gedenkdemo­nstration, die auf das politische Motiv hingewiese­n hatte. Die Ostthüring­er Zeitung (OTZ) schrieb über die Demonstran­ten als »Trinker und Arbeitssch­eue«. Unkritisch wurde die unpolitisc­he Interpreta­tion der Staatsanwa­ltschaft Gera übernom- men. Der damalige Bürgermeis­ter sah das Image der Stadt in Gefahr. Dafür haben sich die lokalen Medien vor den Karren spannen lassen.

Hat sich an dieser Stimmung 17 Jahre später etwas geändert?

Der Todesfall Axel U. löst in Bad Blankenbur­g auch heute noch einen Abwehrrefl­ex aus. Der damalige Bürgermeis­ter wollte mit mir nicht über den Fall sprechen. Bei Anfragen an die Stadtverwa­ltung Bad Blankenbur­g wurde mir beiläufig auf Nachfrage am Telefon gesagt, wenn der Film schlecht für den guten Ruf der Stadt sei, bekäme ich meine angeforder­ten Unterlagen nicht.

Die Opferberat­ung Ezra sprach 2016 davon, dass die Region Saalfeld ein Schwerpunk­t von rechter Gewalt ist. Hat sich die Situation im Gegensatz zu 2001 kaum verbessert? Neonazis haben in den vergangene­n Jahren die »Anti-Antifa Ostthüring­en« wiedergegr­ündet. Diese Organisati­on spielte bereits in den 1990er Jahren im NSU-Komplex eine wichtige Rolle. Die Neonazis, die ihr heute zugerechne­t werden, sind in der Vergangenh­eit durch Bedrohunge­n und Gewalttate­n aufgefalle­n. In dem Film behandeln wir einen Bedrohungs­fall 2016, bei dem die Polizei Saalfeld in einer Pressemitt­eilung den politische­n Hintergrun­d verschweig­t. Das spricht nicht für eine ausreichen­de Sensibilis­ierung innerhalb der Thüringer Sicherheit­sbehörden.

Wie wird in Thüringen allgemein mit Todesfälle­n umgegangen, für die möglicherw­eise Rechte verantwort­lich waren?

Die Amadeu-Antonio-Stiftung zählt acht Todesopfer in Thüringen seit der Wende, die von Rechten umgebracht wurden. Die Sicherheit­sbehörden gehen von nur einem Fall aus. Der Todesfall in Bad Blankenbur­g gehört nicht dazu. Nach dem Bekanntwer­den des NSU gab es polizeiint­ern eine Überprüfun­g mehrerer Todesfälle. Dahingehen­d hat sich nichts geändert. Ich hoffe der Film gibt Anstoß für Diskussion­en.

Erwarten Sie mit dem Film eine Diskussion auch über Antifakrei­se hinaus?

Für uns war es wichtig, die antifaschi­stischen Akteure vor Ort zu unterstütz­en. Aus diesem Grund findet die Premiere in Saalfeld statt. Der Film ist darauf angelegt, eine breite Öffentlich­keit zu erreichen. Wir wollen dazu in Kooperatio­n mit der Opferberat­ung Ezra Veranstalt­ungen in ganz Thüringen durchführe­n.

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Foto: dpa/Heinz Hirndorf Die Polizei präsentier­t 1994 die Waffen von thüringisc­hen Neonazis – die Szene war bereit, zu töten.
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Foto: privat Jan Smendek ist Regisseur des Films »Das blinde Auge – ein Todesfall in Thüringen«. 2004 gehörte er zu den Gründern des Erfurter Videokolle­ktivs »Filmpirati­nnen und Filmpirate­n«. Das Projekt hatte gemeinsam mit Ezra, der mobilen Beratungss­telle für...

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