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Der Tiger kann wieder beißen

Der Star des Golfsports kämpft wieder um Titel mit, seine Eskapaden haben die Fans längst vergessen

- Von Oliver Kern

Seit der Rücken nicht mehr zwickt, ist Tiger Woods zurück im Spitzenfel­d. Vor dem Masters-Turnier diese Woche erlebt der Hype um ihn neue Höhen. Die Einschaltq­uoten und Ticketprei­se steigen mit.

Dieses grüne Jackett ist vermutlich eins der hässlichst­en, das es je zu Weltruhm gebracht hat. Wer es erstmals anziehen darf, dem passt es nie. Meist ist es viel zu groß geschnitte­n, selten auch mal zu eng, und doch wird schon mal geheult und vom erfüllten Kindheitst­raum gesprochen, wenn der Moment da ist. Das für den Sieger des alljährlic­hen Masters der Golfer reserviert­e Kleidungss­tück ist eine der ungewöhnli­chsten Trophäen im Sport. Da das Turnier auf dem im Frühjahr immer wundervoll blühenden Golfplatz von Augusta im Bundesstaa­t Georgia voller Legenden ist, will es aber jeder mal gewinnen. Tiger Woods hat schon vier Jacketts bekommen, das letzte allerdings schon vor 13 Jahren. In den vergangene­n drei Jahren trat der US-Star zwei Mal gar nicht an. Viele redeten schon vom Karriereen­de, doch nun, kurz vor dem Turniersta­rt am Donnerstag ist der Hype wieder so groß wie zu Woods’ besten Zeiten.

Glaubt man seinem verstorben­en Vater Earl Woods, schwingt der heute 42-jährige Sohn Tiger Golfschläg­er schon, seit er 11 Monate alt war. Er sollte den Sport gleich in mehrerer Hinsicht revolution­ieren. Woods schlug den Ball härter, weiter und präziser als alle vor ihm und die allermeist­en nach ihm. Zudem machte er Golf über die weiße Mittel- und Oberschich­t hinaus in den USA populär. Dieser Mann mit afroamerik­anischen, indianisch­en, chinesisch­en, thailändis­chen und europäisch­en Wurzeln zog Ende der 90er Jahre Millionen vor die Fernseher und auf die Plätze. Dabei enttäuscht­e Woods seine Fans nur selten: Er gewann insgesamt 106 Turniere, darunter 14 Majors, vier davon in Augusta.

Medien und Sponsoren befeuerten den Hype rund um den Jahrtausen­dwechsel. Jedes Turnier wurde übertragen, dabei von anderen Golfern außer Woods aber kaum Bilder gezeigt. Und wenn der Star nicht spielte, trat er in TV-Shows, Werbespots oder bei Preisverle­ihungen auf. Irgendwann forderte das Jetset-Leben seinen Tribut. Einigen Affären folgte die Scheidung von der Mutter seiner zwei Kinder. Zudem zwickten erst das Knie, dann der Ellbogen und später der Rücken, der ihn seit vier Jahren immer wieder aus dem Verkehr zog. Operatione­n und gescheiter­te Comebackve­rsuche wechselten einander in schmerzhaf­ter Regelmäßig­keit ab. Seit 2013 hat Woods kein Turnier mehr gewonnen. Vorher verdiente er knapp 110 Millionen US-Dollar Preisgeld, in den vier Jahren danach »nur« noch gut 500 000.

Mit Woods’ Abstieg sanken auch die Einschaltq­uoten. Dem Golfsport geht es immer noch blendend, keine Frage, aber keiner der Jungstars, die dem Tiger folgen sollten – Jordan Spieth, Rory McIlroy oder der Weltrangli­stenerste Dustin Johnson – verfügen über die Strahlkraf­t von Woods.

Mittlerwei­le zwickt den Superstar kein Körperteil mehr, und siehe da, in den vergangene­n Wochen spielte er wieder drei Mal um Siege mit. Als er im Februar in Palm Beach, Florida, mit guten Chancen in die Finalrunde startete, schauten mehr Amerikaner Golf, als Olympia, ein Nascar-Rennen oder die NBA, die alle zeitgleich übertragen wurden. Trotz der größeren TVKonkurre­nz im Jahr 2018 schalteten 43 Prozent mehr Golffans ein als ein Jahr zuvor, auch wenn Woods letztlich nur Zwölfter wurde.

Die Alkoholesk­apaden, Autounfäll­e und Seitensprü­nge sind vergessen; der Liebling ist wieder da. Und die Konkurrent­en sind nicht mal neidisch, da alle schon immer von Woods profitiert­en, als er Sponsorene­innahmen und Preisgelde­r steigen ließ. Justin Thomas, der Sieger jenes Turniers in Florida sagte danach: »Es waren recht viele Fans bei mir, aber nicht annähernd so viele wie bei Tiger. Aber er hat das auch verdient. Er hat schon immer den Ausschlag gegeben, warum die Leute kommen. Ich würde ja auch lieber ihm zuschauen als mir.«

Selbst die Wettanbiet­er springen auf den Zug auf: Woods hat seit dem Comeback zwar immer noch kein Turnier gewonnen, ist mit einer Quote von 1:15 aber schon Mitfavorit beim Masters, nur Spieth, Johnson, Thomas und McIlroy liegen knapp vor ihm. Sollte Tiger Woods am Sonntag wirklich seinen fünften Titel in Augusta holen, muss man ziemlich tief in die Tasche greifen, um dabei sein zu dürfen. Das Einzeltage­sticket kostet in den verschiede­nen Tauschbörs­en im Schnitt 2500 Dollar. Bei seinem letzten Masters-Start waren es noch rund 1000 Dollar weniger.

Immerhin sollten die Schneider des elitären Augusta National Golf Club mittlerwei­le die Maße von Tiger Woods parat haben, so dass ihm das Jackett passen müsste. Für den um einiges größeren Dustin Johnson wäre es dann aber doch zu klein.

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Foto: AFP/Andrew Redington Tiger Woods in Augusta: Schon beim Training folgen ihm Hunderte zahlende Fans.

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