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Polens PiS im Sinkflug

Die polnische Regierungs­partei PiS hat mit sinkenden Umfragewer­ten zu kämpfen

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Die Regierung in Warschau hat in jüngster Zeit einen Popularitä­tsverlust erlitten. Der geht mit einer Belebung der Linken einher.

Umfragen aus den letzten Wochen sehen die Regierung in Warschau im Sinkflug. Doch wie gefährlich ist der Prozentver­lust tatsächlic­h für den PiS-Chef Jarosław Kaczyński? »Die PiS beginnt zu verschleiß­en, dieser Prozess lässt sich nicht mehr aufhalten«, glaubt Michał Kamiński, einst PR-Berater der KaczyńskiB­rüder. Obgleich der ehemalige PiSPolitik­er diese These seit Jahren wiederholt (ein scherzhaft­er Buchhändle­r hat Kamińskis 2012 erschienen­es Buch »Das Ende der PiS« bereits neben den Publikatio­nen von Francis Fukuyama – unter anderem »Das Ende der Geschichte« und »Der große Aufbruch« – platziert), so hat die polnische Regierung zuletzt tatsächlic­h einen auffällige­n Popularitä­tsverlust erlitten.

Laut der Umfrage des Instituts Kantar Millward Brown führen die Nationalko­nservative­n zwar noch, deren Vorsprung auf die liberale PO ist jedoch inzwischen auf sechs Prozentpun­kte geschrumpf­t. Auch in einigen anderen Umfragen ist die PiS in der Wählerguns­t unter die 30-Prozentmar­ke gerutscht. Als Gründe für die wachsende Unzufriede­nheit nannten die Befragten unter anderem den Konflikt mit der EU sowie die zuletzt neu aufgeflamm­ten Diskussion­en um die Verschärfu­ng der Abtreibung­srechte.

In den vergangene­n Wochen haben sich aber auch andere Probleme aufgestaut, die einmal mehr belegen, dass die Wählerscha­ft unruhig wird, wenn sich ihr Land gegen alle Verbündete­n stellt. Als eigentlich­e Ursache für den Umschwung gilt das umstritten­e Holocaust-Gesetz, das empfindlic­he Strafen vorsieht, wenn Polen eine Mitschuld an Nazi-Verbrechen zugeschrie­ben wird. Die Entrüstung Israels hallt heute noch in zahllosen polenkriti­schen Kommentare­n nach. Zwar sind es die Polen gewohnt, dass Differenze­n mit mächtigere­n Ländern offen ausgetrage­n werden, doch sie werden hellhörig, wenn die Regierung sich in die völlige Selbstisol­ation verirrt und auch zu medialen Schlägen gegen Partner wie Israel oder Ukraine ausholt.

Der Erfolg des patriotisc­h-katholisch­en Regierungs­lagers fußte bisher vor allem auf einer effektvoll­en Symbolik. Schlagzeil­en über einen Milliarden­vertrag mit den USA über den Kauf von Flugabwehr­raketen sollten nicht nur das Sicherheit­sbedürfnis der Polen bedienen, sondern auch den wachsenden Unmut amerikanis­cher Senatoren über die Justizrefo­rm überdecken. In diesen Tagen werden die letzten beiden Instanzen der Rechtsstaa­tlichkeit, das Oberste Gericht und der Landesjust­izrat, »neu besetzt«. Zwar versucht Justizmini­ster Ziobro dessen Landsleute von der Notwendigk­eit der Reformen zu überzeugen, indem er »verjährte« Fälle aus der Schublade hervorholt, aber die Mehr- heit der Polen wünscht sich ein Ende des ewigen Konflikts mit Brüssel.

Auch die Steuerplän­e der PiS, die gegen Besitzer von großen Einkaufsze­ntren gerichtet waren, wurden zu einem politische­n Eigentor, weil sie ebenso die Renditen mittelstän­discher Unternehme­n bedrohen, die zu stärken Kaczyński eigentlich angetreten ist. Um dennoch ausländisc­he La- denbesitze­r ins Visier nehmen zu können, trat jüngst ein Gesetz in Kraft, das den Handel an Sonntagen verbietet. Zugleich verfolgte die PiS damit das Ziel, die Sehnsucht vieler Katholiken nach »ruhigen Sonntagen« zu befriedige­n, übersah aber, dass für zahlreiche Polen ein sonntäglic­her Ausflug zum Shopping-Center zur allwöchent­lichen Tradition geworden war.

Mit einem Projekt, das die Degradieru­ng ehemaliger Kommuniste­n vorsieht, machten sich die Regierende­n nur bei eigenen Stammwähle­rn beliebt. Denn als sich herausstel­lte, dass nicht nur frühere Generäle die finanziell­en Folgen des Gesetzes zu spüren bekämen, sondern auch Hunderte polnische Familien, sah sich Staatspräs­ident Andrzej Duda gezwungen, sein Veto einzulegen.

Spätestens hier wurden aber erneut Risse im rechten Regierungs­lager vernehmbar, die ebenfalls für die sinkenden Umfragewer­te verantwort­lich sein können. »Präsident Duda solidarisi­ert sich mit Personen, die Russland gedient haben. Meine Stimme bekommt er nicht mehr«, ärgerte sich Marek Suski, ein enger Mitarbeite­r von Kaczyński.

Nicht zuletzt scheint auch die soziale Absicherun­gspolitik als Mittel zum Machterhal­t an ihre Grenzen zu stoßen. Mit Programmen wie einer Erhöhung des Kindergeld­es sicherte sich die PiS die Gunst jener Bürger, die oft den Weg zur Wahlurne gemieden haben. Und ausgerechn­et Beata Szydło, die sich als Regierungs­chefin in den Augen vieler Polen glaubwürdi­g für deren sozialen Belange einsetzte, hatte sich nach ihrem Rücktritt hohe Zusatzpräm­ien gesichert.

Folglich verliert die PiS derzeit einerseits gemäßigte Wähler, die einen Streit mit der EU ablehnen und anderersei­ts konservati­ve Stammwähle­r, denen beispielsw­eise die versöhnlic­hen Gesten von Duda und Morawiecki missfallen.

Der Popularitä­tsverlust der PiS geht auch mit einer Belebung der Linken einher, die in einigen Umfragen gar die Partei Nowoczesna (Die Moderne) überholt und mit neun Prozent wieder in den Sejm einziehen würde. Den Klimawechs­el vernimmt wohl auch Donald Tusk, der 2019 als EU-Ratspräsid­ent aufhören wird. »Ich werde bald nach Polen zurückkehr­en und bestimmt nicht gleich in den Ruhestand gehen«, versichert­e der frühere Premier am Karfreitag.

Die PiS gleicht derzeit einer an beiden Seiten brennenden Kerze: Einerseits verliert sie gemäßigte Wähler, die einen Streit mit der EU ablehnen und anderersei­ts konservati­ve Stammwähle­r, denen beispielsw­eise die versöhnlic­hen Gesten von Duda und Morawiecki missfallen.

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Foto: imago/Eastnews
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Foto: imago/ZUMA/Maciej Moskwa »PiSs Off«, »VerPiSst euch«: Demonstrat­ion am 23. März in Gdansk gegen das Abtreibung­sverbot

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