Beliebter Strafverfolger
Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Cristoforo Rautenberg geht in den Ruhestand
Brandenburger Generalstaatsanwalt geht in den Ruhestand.
Er war Deutschlands dienstältester Generalstaatsanwalt – jetzt geht Erardo Rautenberg vorfristig in den Ruhestand. Der 65-Jährige, im Sommer 2017 erkrankt, verlässt aus gesundheitlichen Gründen sein Amt. Es ist das Ende einer Ära in Brandenburg. Der langjährige Generalstaatsanwalt des Landes, Erardo Cristoforo Rautenberg, begab sich jetzt – aufgrund einer Krebserkrankung – vorzeitig in den Ruhestand. Der groß gewachsene Sozialdemokrat mit der unvermeidlichen Fliege am Hals und dem halblangen, inzwischen ergrauten Haar war gewissermaßen für Brandenburg ein Mann der ersten Stunde. Nach der politischen Wende übernahm er die Schwerpunktstaatsanwaltschaft DDR-Unrecht und wurde im Jahre 1996 Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.
Zuvor hatte der 1953 in Argentinien geborene Rautenberg, dessen Familie 1954 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt war, eine juristische Karriere im Westen der Republik gemacht, unter anderem war er Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Gleich solchen Persönlichkeiten des Landes wie Hans Otto Bräutigam, bis 1998 Justizminister, oder Hinrich Enderlein (FDP), Wissenschaftsminister im ersten Kabinett von Manfred Stolpe (SPD), war Erardo Rautenberg ein Glücksfall für Brandenburg und ein Garant für rechtstaatliche Prinzipien. Und dies in einer Zeit, in der solche Prinzipien dem Anschein nach nicht unbedingt selbstverständlich waren im Umgang mit ehemaligen DDR-Partei- und Staatsfunktionären.
Erardo Rautenberg hatte als Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft DDR- und vereinigungsbedingte Kriminalität frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass ein großer juristischer Aufwand zu einem höchstwahrscheinlich unscheinbaren Ergebnis führen würde, und empfohlen, die begrenzten juristischen Kapazitäten auf erfolgversprechenden Feldern einzusetzen. Es kam, wie Rautenberg vorausgesagt hatte. Aus den mehr als 100 000 Beschuldigungen gegen DDR-Bürger folgten nur wenige Verurteilungen.
War dieses Ergebnis Ausdruck dafür, dass die DDR eben kein »Unrechtsstaat« war? Erardo Rautenberg hatte sich an der Debatte um diesen Begriff beteiligt und den Unrechtsstaatsbegriff für die DDR abgelehnt. Nicht weil ihm gefallen hätte, was dort passiert war oder weil er jeden Zug der DDR-Politik gebilligt hätte – Rautenberg ist das, was man einen lupenreinen Demokraten nennen kann –, sondern weil er als Rechts- und Honorarprofessor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) juristisch argumentierte. Und für ihn kann man den Rechtsstaat nach den Grundsätzen des deutschen Grundgesetzes definieren. Aber man könne eben nicht alles, was dem nicht entspricht, zum Unrecht erklären, weil dies in der Konsequenz dazu führen müsste, dass 99,99 Prozent aller jemals auf der Erde existierenden Staaten Unrechtsstaaten wären. Rautenberg wies auch darauf hin, dass diese begriffliche Gegenüberstellung nahelege, dass alles, was in der Bundesrepublik geschehe, Recht sei und alles, was die DDR hervorgebracht habe, Unrecht. Eine zutiefst sinnlose Debatte, die aber bis heute von interessierter Seite angeheizt wird. Rautenberg setzte sich zugleich aber auch dafür ein, einen bundesweiten Gedenktag für die Opfer der SEDDiktatur einzuführen, er schlug hierfür den 17. Juni vor.
Menschen wie Erardo Rautenberg ist es zu danken, dass der Versöhnungsgedanke nach 1990 in den Vordergrund gestellt wurde, wie er im Landtagsbeschluss »Mit menschlichem Maß die Vergangenheit bewerten« von 1994 zum Ausdruck kam. Der Generalstaatsanwalt hat vor Jahren den damaligen Justizminister Volkmar Schöneburg (LINKE) verteidigt und eine pauschale Neuüberprüfung von DDR-Richtern und DDR-Staatsanwälten abgelehnt, wie sie 20 Jahre nach der Wende vorgenommen werden sollte. Wenn diese neuen Erkenntnisse nicht vorlägen, sei laut Rautenberg an der Wirksamkeit der Entscheidung damaliger Richterwahlausschüsse »im Interesse der Rechtssicherheit nicht zu rütteln«. Vor zehn Jahren wurde jedoch auch in Brandenburg der Stil der Versöhnung ersetzt.
Erardo Rautenberg ist ein geradezu passionierter Anhänger rechtsstaatlicher Verhältnisse. Das schlechthin Gute, Schöne und Ideale – so weit es in der menschlichen Gesellschaft überhaupt herstellbar ist – sieht er in den bürgerlich-demokratischen Verhältnissen gegeben, wie sie in der Revolution 1848/49 auch in Deutschland aufscheinen sollten. Rautenberg publizierte zum Thema, zu Mythos und Wirklichkeit der schwarz-rot-goldenen Fahne, der deutschen demokratischen Trikolore. Dieses Banner zog naturgemäß den Hass der Reaktion und der Nazis auf sich, die die Fahne als »Judenfahne« diskreditierten. Schwarz stand nach der Lesart der Faschisten für das Katholisch-Päpstliche, Rot für das bolschewistische Moskau und Gold für das »unermessliche Judengeld«.
Mit Herz und Verstand hat Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg sich dem Kampf gegen rechtsextreme Gesinnung und rechtsextreme Straftaten verschrieben, er war als »NaziJäger« im ganzen Land Brandenburg gefürchtet. Auch die Beziehungen zum Nachbarland Polen lagen im sehr am Herzen.
Mit Herz und Verstand hat Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg sich dem Kampf gegen rechtsextreme Gesinnung und rechtsextreme Straftaten verschrieben, er war als »Nazi-Jäger« im ganzen Land Brandenburg gefürchtet.