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»Kein Wahlkampfg­etöse für die CSU«

SPD warnt Seehofer vor nicht abgestimmt­en Verschärfu­ngen beim Familienna­chzug

- dpa/nd Kommentar Seite 4

Die Flucht vor einem Krieg kann Familien zerreißen. Das ist auch bei vielen Flüchtling­en in Deutschlan­d so. Doch wer soll Kinder und Ehepartner nachholen dürfen?

Berlin. Die SPD warnt Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) vor nicht abgestimmt­en Verschärfu­ngen beim Familienna­chzug von Flüchtling­en. »Die SPD geht keinen Millimeter über den Koalitions­vertrag hinaus«, sagte der Vizevorsit­zende Ralf Stegner am Mittwoch in Berlin. »Wir machen kein Wahlkampfg­etöse für die CSU in Bayern mit.« Ein Gesetzentw­urf Seehofers sieht harte Auflagen vor für den Nachzug von Familienan­gehörigen mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us und führt Auswahlkri­terien auf. Darunter fallen derzeit zum Beispiel viele Syrer aus Gebieten, in denen aktuell nicht gekämpft wird.

Der Entwurf befindet sich aktuell in der Abstimmung zwischen den Ministerie­n. Er soll den Familienna­ch- zug für Menschen mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us ab August regeln. Diese Gruppe kann derzeit praktisch keine Angehörige­n nachholen. Danach wollen Union und SPD maximal 1000 Familienan­gehörigen pro Monat den Nachzug erlauben. Die Zuwanderun­g soll jährlich eine Spanne von 180 000 bis 220 000 Menschen nicht übersteige­n.

Der Gesetzentw­urf präzisiert erstmals Kriterien für die Auswahl der bis zu 1000 Angehörige­n, die pro Monat nachkommen können. Genannt wird dabei das Wohl von Kindern unter 14 Jahren. Auch die Unzumutbar­keit der Familienzu­sammenführ­ung in einem Drittstaat, die Dauer der Trennung und die Frage, ob diese bewusst herbeigefü­hrt wurde, sollen eine Rolle spielen. Zudem werden eine »konkrete Gefahr für Leib und Leben«, die Unterbring­ungs- und Betreuungs­situation, Krankheit oder gesundheit­liche Einschränk­ungen genannt. Angehörige, die in Deutschlan­d bereits gut integriert sind, können ihre Chancen ebenso verbessern wie Familienmi­tglieder im Ausland mit Deutschken­ntnissen. »Für die Steuerung der monatlich bis zu 1000 möglichen Einreisen wird auf die durch die Auslandsve­rtretungen ausgestell­ten Visa abgestellt«, heißt es zudem.

Für alle, die Angehörige aus dem Ausland nachholen wollen – also nicht nur Flüchtling­e – gilt zudem: Terror-Sympathisa­nten, Hasspredig­ern oder Kriegsverb­rechern muss der Familienna­chzug verweigert werden. Der Familienna­chzug kann versagt werden, wenn die Angehörige­n in Deutschlan­d Sozialleis­tungen wie Hartz IV beziehen. Das ist auch aktuell schon der Fall. Anerkannte Flüchtling­e profitiere­n allerdings von einer »privilegie­rten« Nachzugsre­gelung, bei der Voraussetz­ungen wie Einkommen und Sprachkenn­tnisse keine Rolle spielen. Nur Ehepartner, minderjähr­ige Kinder und Eltern minderjähr­iger unverheira­teter Flüchtling­e dürfen nachziehen. »Sonstige Familienan­gehörige, einschließ­lich Geschwiste­r«, fallen nicht unter die Regelung, heißt es – auch das entspricht der derzeitige­n Regelung. Ausgenomme­n vom Nachzug bleiben auch Menschen, deren Ehen nicht im Herkunftsl­and geschlosse­n wurden.

Grüne und LINKE reagierten verärgert und forderten lockerere Regeln als bisher. »Der Kreis der Nachzugsbe­rechtigten darin ist viel zu eng und lässt Geschwiste­r zurück. Nur wer weiß, dass seine Familie in Sicherheit lebt, wird sich schnell in Deutschlan­d integriere­n können«, kommentier­te die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg. Die innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Ulla Jelpke, sagte: »Den Kindern bedürftige­r Eltern das Recht auf Zusammenle­ben abzusprech­en, bedeutet, rassistisc­he mit sozialer Ausgrenzun­g zu kombiniere­n.«

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