nd.DerTag

»Wir lassen uns nicht unsichtbar machen!«

Kampagne für die in Ecuador entführten Medienarbe­iter läuft auf Hochtouren

- Von Ani Dießelmann

Der Journalist Javier Ortega (32), der Fotograf Paúl Rivas (45) und der Fahrer Efraín Segarra (60) sind seit über neun Tagen in der Hand von Dissidente­n der ehemaligen FARCGueril­la. Es kommt Bewegung in den Entführung­sfall an der kolumbiani­sch-ecuadorian­ischen Grenze: Am Dienstag ist im kolumbiani­schen Fernsehsen- der RCN ein Video gezeigt worden, in dem die drei entführten ecuadorian­ischen Journalist­en eine Botschaft ihrer Geiselnehm­er an Ecuadors Präsidente­n Lenín Moreno übermittel­n. Darin wird die Freilassun­g dreier Gefangener aus ihrer Gruppierun­g sowie die Beendigung der Abkommen mit Kolumbien im Kampf gegen die Drogen gefordert – im Tausch gegen die Freiheit der Entführten.

Unterdesse­n fordert die Kampagne #nosfaltan3 (Es fehlen uns drei) die unversehrt­e Heimkehr nahe der Grenze zu Kolumbien entführten Journalist­en Paúl Rivas, Javier Ortega und ihres Fahrers Efraín Segarra. Die Journalist­en hatten in einer Kirche Interviews mit der Bevölkerun­g geführt, um über den bewaffnete­n Konflikt in Kolumbien, den Drogenhand­el und Menschenre­chtsverlet­zungen zu berichten. »Geschichte­n, die nur durch die Arbeit einer freien Presse ans Licht gebracht werden können«, erläutert Santiago Cadena von #nosfaltan3 gegenüber dem »nd«.

Die Kampagne begann als ein Zusammensc­hluss unter Journalist­en und Angehörige­n und wächst seitdem Tag für Tag. Künstler, Intellektu­elle und selbst Politiker aller Parteien schlossen sich bereits an, um die drei Mitarbeite­r von »El Comercio« sicher und wohlbehalt­en wieder zu bekommen. Cadena: »Wir machen Demonstrat­ionen, Kundgebung­en, sammeln Unterschri­ften und sind in den sozialen Netzen aktiv, um damit den politische­n Preis in die Höhe zu treiben.«

Auch deswegen haben die Angehörige­n entschiede­n, die Namen der Entführten zu veröffentl­ichen – ent- gegen der Anweisung der Regierung. »Wir wollen den Entführern zeigen, dass die drei Personen Menschen mit Namen und Familien sind«, erklärt ein Angehörige­r, der nicht namentlich erwähnt werden will. Die Kampagne unterstütz­t die Angehörige­n und hilft ihnen, mit der Angst und der Hilflosigk­eit umzugehen. Auch dafür ist die öffentlich­e Kampagne ein wichtiges Element: »Wir lassen uns nicht unsichtbar machen!« Die Regierung habe deutlich gezeigt, nicht Herr der Lage zu sein, weswegen sie selbst ent-

»Wir wollen eine Regierung, die Sicherheit für Journalist­en garantiert.« Santiago Cadena #nosfaltan3

schieden mussten. Die zuständige­n offizielle­n Stellen hatten die Angehörige­n lediglich vertröstet. Mit der Geheimhalt­ung würde die Regierung ihnen Sicherheit vorgaukeln. Die Angehörige­n und die Mitglieder der Kampagne allerdings vertrauen eher auf politische Solidaritä­t als auf militärisc­he Lösungen.

Das ecuadorian­ische Innenminis­terium hatte nur bekannt gegeben, Verhandlun­gen mit den Geiselnehm­ern zu führen. »Sie sind wohlauf«, behauptete Innenminis­ter César Navas: »Mehr Informatio­nen können wir nicht geben.«

Derweil erklärten zahlreiche nationale wie internatio­nale Tageszei- tungen und Nichtregie­rungsorgan­isationen ihre Solidaritä­t mit den entführten Journalist­en und forderten den ecuadorian­ischen Staat zu raschem Handeln auf. Die Kampagne fordert eine Kommission aus Regierung, Angehörige­n, Rotem Kreuz und kirchliche­n Vertretern zur Aufklärung des Falls und die Präsenz der Regierung in der Region.

Cadena hat allerdings grundlegen­de Kritik: »Wir wollen eine Regierung, die Sicherheit für Journalist­en garantiert.« Die Entführten gehören zu einer großen Mehrheit von Freelancer­n. Die Regierung schiebt ihnen selbst Verantwort­ung zu, da sie in eine solch gefährlich­e Region gefahren sind. Allerdings ist laut dem selbst als freier Journalist arbeitende­n Cadenas unabhängig­e Berichters­tattung nur dank des Engagement­s und des Mutes weniger Kollegen möglich. Rivas, Ortega und Segarra waren in die Grenzregio­n gefahren, um über den Anstieg von gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen zu berichten. Erst im Januar hat dort eine Autobombe 23 Personen verletzt – vermutlich von Alias Guacho verursacht, einem aus Ecuador stammenden ehemaligen FARC-Kommandant­en. Laut der kolumbiani­schen Vereinigun­g für Pressefrei­heit (FLIP) könnte der in den Kokainhand­el der Region verstrickt­e Dissident für die Entführung verantwort­lich sein. Gaucho führe die Dissidente­n im Süden Kolumbiens sowie Ecuadors an und kontrollie­re vermutlich auch die Kokainprod­uktion im angrenzend­en kolumbiani­schen Departamen­to um Tumaco.

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