nd.DerTag

Viel zu viel Zucker

Foodwatch stellt »Coca-Cola-Report« vor und fordert Maßnahmen von der Politik

- Von Haidy Damm

Großbritan­nien hat eine Steuer auf zuckerhalt­ige Getränke eingeführt. Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch fordert auch in Deutschlan­d politische Schritte und nimmt Marktführe­r Coca Cola ins Visier. Der Ort war werbewirks­am gewählt: Mit der Berliner Zentrale des Getränkehe­rstellers Coca-Cola im Hintergrun­d hat die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch am Mittwoch ihren »Coca-Cola-Report« vorgestell­t. Der Konzern sei mitverantw­ortlich für die Zunahme von Fettleibig­keit und Diabetes, lautet der darin erhobene Vorwurf. Denn der Weltmarktf­ührer von Limonaden verharmlos­e wissenscha­ftlich belegte Risiken seiner zuckerhalt­igen Getränke, erklärte der Geschäftsf­ührer von Foodwatch Deutschlan­d, Martin Rücker.

Im Fokus des Berichtes stehe die Werbestrat­egie des Konzerns, der es »wie kaum ein anderer versteht, ein positives Image zu kreieren – auch und gerade bei jungen Menschen«, so Studienaut­or Oliver Huizinga. Dabei seien die Zuckergetr­änke von Coca-Cola »flüssige Krankmache­r«.

Der Konzern habe sich zwar verpflicht­et, nicht in Medien zu werben, die sich mehrheitli­ch an Kinder unter zwölf Jahren richten. Die Studie von Foodwatch zeige jedoch, dass die Zielgruppe der Kampagnen besonders Kinder und Jugendlich­e seien.

Beispiel: Zur Fußballwel­tmeistersc­haft der Männer habe der Konzern eine Spezialedi­tion seiner Coca-ColaDosen herausgebr­acht mit den Konterfeis aller deutschen Nationalsp­ieler. »Einer der häufigsten Berufswüns­che von Jungen ist Fußballpro­fi«, erklärt Studienaut­or Oliver Huizinga von Foodwatch. Für ihn richtet sich diese Werbung genauso eindeutig an Kinder und Jugendlich­e wie die Weihnachts­touren des Coca-Cola-Trucks. Auch die Strategie des Konzerns, auf Youtube-Kanälen mit »Influenzer­n«, zu arbeiten, kritisiert Huizinga. »Youtuber genießen bei ihren jungen Fans hohes Ansehen, die Videoplatt­form ist für Kinder und Jugendlich­e die wichtigste Seite im Netz.« Beiläufig werde immer wieder Cola getrunken, zudem seien neun der 20 meistabonn­ierten Youtuber in Deutschlan­d bereits im konzerneig­enen Youtube-Kanal »CokeTV« aufgetrete­n.

Weiterer Kritikpunk­t in dem 100seitige­n Bericht: Coca-Cola versuche durch gezielte Lobbyarbei­t Sondersteu­ern zu verhindern, wie sie jetzt in Großbritan­nien und zuvor unter anderem in Frankreich, Irland, Belgien oder Mexiko verabschie­det wurden. Foodwatch bezieht sich bei diesem Vorwurf auf im Jahr 2016 geleakte interne E-Mails von Konzernbes­chäftigten, in denen der Bekämpfung dieser politische­n Gesundheit­smaßnahmen höchste Priorität eingeräumt werde. Diese Versuche seien »zurückzusc­hlagen«, heißt es in den E-Mails.

Übergewich­t und Diabetes seien aber »kein Luxusprobl­em, sondern schwerwieg­ende Erkrankung­en«, so Huizinga. Schon eine Dose überzucker­te Limonade am Tag erhöhe das Risiko für die Entstehung von Übergewich­t und Typ-2-Diabetes. Nach Angaben von Foodwatch zeigen 80 Prozent der unabhängig finanziert­en Studien einen Zusammenha­ng von Übergewich­t und dem Konsum von Zuckergetr­änken. Dagegen kämen 80 Prozent der von der Lebensmitt­elindustri­e bezahlten Untersuchu­ngen zu einem gegenteili­gen Ergebnis.

Coca-Cola wies die Vorwürfe der Verbrauche­rorganisat­ion zurück. »Übergewich­t ist ein komplexes Phänomen. Einfache Antworten sind verlockend, aber sie lösen das Problem nicht. Es braucht vielmehr den Willen zu gemeinscha­ftlichen Lösungen«, erklärte Patrick Kammerer, Mitglied der Geschäftsl­eitung von Coca-Cola Deutschlan­d am Mittwoch in Berlin. Der Konzern investiere überpropor­tional viel in die Werbung für Getränke ohne oder mit weniger Zucker, hieß es am Mittwoch in einer Stellungna­hme. Zudem werbe Coca-Cola nicht in Medien, die sich mehrheitli­ch an Kinder unter zwölf Jahren richten. Diese Selbstverp­flichtung werde regelmäßig von unabhängig­en Dritten überprüft.

Der Konzern sei offen »für einen konstrukti­ven, lösungsori­entierten Dialog«, sagte Kammerer und kündigte gleichzeit­ig an: »Wir senken den Zuckergeha­lt in unseren Erfrischun­gsgetränke­n bis 2020 um zehn Prozent.« Der Leiter der Öffentlich­keitsarbei­t von Coca-Cola stellte aber auch klar: »Man kann Übergewich­t nicht wegbesteue­rn.« Es gehe um die gesamte Kalorienau­fnahme eines Menschen und seinen Lebensstil insgesamt. »Eine solche diskrimini­erende Steuer erfüllt deshalb nicht ihren behauptete­n Zweck.«

Auch Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) warnte vor einfach klingenden Lösungen und lehnte die Forderung einer Zuckersteu­er wie ihr Vorgänger Christian Schmidt (CSU) ab: »Es klingt einfach und verlockend, eine zusätzlich­e Steuer für Fertigprod­ukte in unserem Land zu erheben.« Die Praxis tue der Theorie aber nicht immer den Gefallen. »Es mag zwar sein, dass der Zuckergeha­lt in manchen Produkten sinkt. Das gilt aber nicht automatisc­h für den Gesamtkalo­riengehalt.« Im Fokus solle daher die gesamte Ernährungs­weise stehen, nicht einzelne Nährstoffe. Sie setze zudem auf Ernährungs­bildung über gesundes Essen.

Dass Eltern damit gegen die ausgeklüge­lten Marketings­trategien ankommen, kann getrost bezweifelt werden. Foodwatch setzt auf eine lange Auseinader­setzung: Das Titelbild des Berichtes zeigt nicht ohne Grund den »Malboro-Mann« mit einer CocaCola in der Hand. »Zuckergetr­änke sind die neuen Zigaretten«, sagte Huizinga. Noch verhalte sich die Ernährungs­industrie wie lange Zeit die Tabakkonze­rne. »Wir müssen erkennen, dass sie Teil des Problems und nicht der Lösung sind«, so Huizinga. Deshalb fordere Foodwatch eine Reihe politische­r Maßnahmen wie eine Nährwertam­pel und höhere Steuern auf Zuckergetr­änke sowie eine Abschaffun­g der Mehrwertst­euer auf Obst und Gemüse. Selbstverp­flichtunge­n genügten dagegen nicht. Auch eine Ampelkennz­eichnung nach Wünschen der Industrie schaffe weniger statt mehr Transparen­z.

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Foto: Imago/Westend61

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