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Arterien mit Zuckerguss

Dänische Studie zeigt negative Auswirkung­en erhöhten Zuckerverb­rauchs auf die Durchblutu­ng

- Von Andreas Knudsen

Zu viel Zucker, etwa aus gesüßten Getränken, verengt offenbar die Blutgefäße. Das wurde jetzt bei einem Experiment in Dänemark nachgewies­en. »Du hast süßes Blut«, erklärte mir meine Großmutter gerne, wenn ich als Junge von einer unserer Expedition­en aus den Feuchtwies­en in der Umgebung unserer Stadt mückenzers­tochen nach Hause kam. Der wissenscha­ftliche Wert dieser Erklärung dürfte zweifelhaf­t sein. Auf dem Boden der Tatsachen steht hingegen eine kürzlich veröffentl­ichte Studie zum Einfluss einer erhöhten Zuckeraufn­ahme auf die Durchblutu­ng der Adern.

Eine Forschergr­uppe des Kopenhagen­er Institutes für Sport und Ernährung führte eine Interventi­onsstudie durch, in der zwölf gesunde junge Männer über 14 Tage hinweg viel Zucker zu sich nahmen. Im Gegensatz zu Beobachtun­gsstudien ist die Interventi­onsstudie ein Experiment, mit dem der Effekt einer genau definierte­n Änderung der Ausgangsbe­dingungen untersucht werden soll. Im einfachste­n Fall bildet der Untersuche­r zwei Gruppen: Bei der Interventi­onsgruppe wird die zu untersuche­nde Interventi­on durchgefüh­rt, bei der Kontrollgr­uppe unterbleib­t sie.

Im Kopenhagen­er Experiment ergänzte die Gruppe dreimal am Tag ihre Ernährung mit Wasser, in dem 75 Gramm Zucker aufgelöst wurden. 225 Gramm Zucker am Tag sind eine große Portion, aber zum einen wollten die Forscher eine deutliche Änderung bestimmter Parameter erreichen. Zum anderen ist die Menge so ungewöhnli­ch nicht für jenen Teil der Bevölkerun­g, der täglich mehrfach Cola und ähnlich stark gesüßte Getränke konsumiert. Die Messresult­ate nach Ablauf der Versuchspe­riode waren dann wie beabsichti­gt deutlich und durchaus erschrecke­nd. Im Test saßen die jungen Männer und wurden aufgeforde­rt, auf einer Art Kraftmasch­ine so stark wie möglich zu treten. Dabei wurde die Durchblutu­ng der mit Gewichten belasteten Beine gemessen. Bei Bewegungen solcherart ist der Körper in der Lage, sehr schnell die Blutzirkul­ation zu justieren und die Durchblutu­ng zu erhöhen.

Im Vergleich zur Situation vor der erhöhten Zuckereinn­ahme war die Durchblutu­ng bis zu 17 Prozent schlechter. Bei sonst gleichen Bedingunge­n für die Versuchspe­rson war der Zusammenha­ng deutlich, aber eben auch besorgnise­rregend. »Ab und zu einen halben Liter Cola zu trinken, ist nicht schädlich, solange man sich im Übrigen gesund und abwechslun­gsreich ernährt. Aber wenn man seinen Körper ständig und massiv einem hohen Zuckerkons­um aussetzt, so wie wir es mit unseren Versuchspe­rsonen gemacht haben, ist das Ergebnis nach nur 14 Tagen eine Durchblutu­ng, wie wir sie sonst nur bei einigen Männern ab 65 Jahren sehen«, fasste Ylva Hellsten, eine beteiligte Ärztin, die Studienerg­ebnisse zusammen.

Als Ursache für die massive Verringeru­ng der Durchblutu­ng machte die Forschergr­uppe die Karamelisi­erung der Flimmerhär­chen, auch Zilien genannt, in den Blutbahnen aus. Sie filtern, vereinfach­t gesagt, Schadstoff­e aus dem Blut, können dies aber nur ungenügend leisten, wenn sie durch einen regelrecht­en Zuckerguss steif werden. Das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer Herz-Kreislauf-Krankheit, da letztlich das Herz durch die zusätzlich­e Belastung gestresst wird. Es muss das Blut durch nunmehr engere Gefäße pumpen.

Das Institut für Sport und Ernährung hatte sich bereits früher mit der Problemati­k erhöhten Zuckerverb­rauchs befasst. So untersucht­en die Wissenscha­ftler die Veränderun­gen, die sich einstellen, wenn ein halbes Jahr täglich ein halber Liter Cola getrunken wurde. Festgestel­lt wurden erhöhter Blutdruck und Fettansamm­lungen in Leber und Muskeln.

»Erst jetzt«, so die Medizineri­n Hellsten, »bekommen wir ein tieferes Verständni­s der Mechanisme­n eines mehrjährig­en Zuckermiss­brauchs. Langjährig­er und hoher Zuckerverb­rauch erhöht das Risiko für sogenannte Lebensstil­krankheite­n. Deshalb ist es so wichtig, sich ständig vor Augen zu halten, was man täglich zu sich nimmt.« Sie unterstric­h aber auch, dass sich die Durchblutu­ng bei den jungen Männer nach dem Ende des Untersuchu­ngszeitrau­mes rasch wieder auf dem früheren Normalnive­au stabilisie­rte.

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