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»Überall in Berlin brennt es«

Feuerwehr verlängert Mahnwache vor Rotem Rathaus / Solidaritä­t von Vivantes bis zum Zoll

- Von Johanna Treblin

Ver.di, die Gewerkscha­ft der Polizei und die Deutsche Feuerwehr Gewerkscha­ft fordern den Senat zu Gesprächen auf. Aus der Innenverwa­ltung heißt es: »Wir haben verstanden, dass wir etwas tun müssen.« Seit mehr als einer Woche protestier­en Feuerwehrl­eute vor dem Roten Rathaus mit einer Mahnwache gegen schlechte Arbeitsbed­ingungen. Rund um die Uhr stehen sie seit Montag vor Ostern in Schichten um eine wärmende Feuertonne herum, sitzen auf Campingstü­hlen oder trinken Tee und Kaffee unter einem roten Pavillon, der als Vorratskam­mer dient. Die Betreiber nahe gelegener Restaurant­s bringen ganze Mahlzeiten vorbei, Passanten schenken den Demonstran­ten Kuchen. Eine Reihe von Politikern hat die protestier­enden Feuerwehrl­eute schon besucht. Darunter ihr oberster Dienstherr, Innensenat­or Andreas Geisel (SPD).

Das rechnet ihm Gewerkscha­fter Dietmar Bauske hoch an. »Geisel hat uns hier während seines Urlaubs und in krankem Zustand besucht.« Das sei ein positives Zeichen gewesen. Doch konkrete Ankündigun­gen für Verbesseru­ngen gebe es bisher nicht.

Deshalb soll die Mahnwache weitergehe­n – zunächst unbegrenzt. Die Schichtplä­ne bis Ende nächster Woche sind bereits gefüllt. »Wir haben nicht viele Möglichkei­ten, um gegen unsere Arbeitsbed­ingungen zu protestier­en«, sagt Bauske. Er ist Hauptbrand­meister in Zehlendorf und Mitglied der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), die die Mahnwache gemeinsam mit ver.di und der Deutschen Feuerwehr Gewerkscha­ft (DFeuG) organisier­t. Bauske nimmt in seiner Freizeit teil – wie alle hier. 90 Prozent der Feuerwehrl­eute sind Beamte. Als solche dürfen sie nicht streiken.

Die Gründe für den Protest sind vielfältig, im Grunde spiegeln sie den Zustand der gesamten Berliner Verwaltung wieder. »Seit vielen Jahren wird bei der Feuerwehr gespart«, sagt Bauske. »Man hätte schon viel früher eine Aktion wie diese machen müssen.«

»Jetzt quietscht es.« Ver.di-Sprecher Andreas Splanemann sagt: »Jahrelang lautete das Motto ›Sparen bis es quietscht‹. Jetzt quietscht es so stark, dass die Situation nicht mehr so einfach zu lösen ist. Egal wo man anfängt, man hat immer neue Probleme.« Größtes Problem ist der akute Personalma­ngel. Der führt dazu, dass die Feuerwehr immer häufiger den Ausnahmezu­stand ausruft. »Bitte nur dringende Anrufe«, fordert sie die Bevölkerun­g dann auf. Denn auch das ist ein Problem: Der Notruf 112 wird viel zu oft für Nichtigkei­ten angerufen.

Die Feuerwehrl­eute fordern daher nicht nur einen höheren Lohn, um den Beruf wieder attraktive­r zu machen und so geeignete Bewerber zu finden, nicht nur eine Aufstockun­g des Personals und eine Verbesseru­ng der Infrastruk­tur, sondern auch eine öffentlich­keitswirks­ame Kampagne, mit dem Ziel, die »Alarmzahle­n zu reduzieren«, sagt ver.di-Betriebsgr­uppensprec­her Stefan Ehricht. »Wir sind schließlic­h kein Informatio­nsdienst.«

Dass die Feuerwehrl­eute so nicht weiterarbe­iten wollen, zeigt die Mahnwache auch deshalb, weil sie spontan eingericht­et wurde – obwohl in diesem Jahr sowieso Tarifverha­ndlungen im Öffentlich­en Dienst laufen.

Anfrage auch von BVG und BSR

Sie trifft auf jeden Fall einen Nerv. Einige Polizisten haben sich bereits mit den Feuerwehrl­euten solidarisi­ert, und für den Donnerstag­nachmittag hat sich »eine größere Gruppe« angekündig­t, weiß Ehricht, der auch berichtet, dass sich bereits einige Polizisten in die Schichtplä­ne eingetrage­n haben – ehrenamtli­ch, versteht sich. Anfragen habe es auch von Mitarbeite­rn des Klinikums Vivantes gegeben, der Berliner Ver- kehrsbetri­ebe, der Berliner Stadtreini­gung und dem Zoll. Splanemann wundert das nicht. »Es brennt ja eigentlich überall in Berlin, nicht nur bei der Feuerwehr.«

»Wir haben verstanden.«

»Wir wissen, dass es Unzufriede­nheit gibt, und wir haben verstanden, dass wir etwas tun müssen«, sagt Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverw­altung für Inneres. »Wir haben auch schon etwas getan«, ergänzt er und verweist auf den aktuellen Doppelhaus­halt 2018/2019, in dem 350 neue Stellen für die Feuerwehr vorgesehen sind und Mittel für fast 100 neue Fahrzeuge. Auch über die übrigen Forderunge­n versuche die Innenverwa­ltung, gemeinsam mit der Feuerwehrf­ührung zu einer Lösung zu kommen.

Auch die drei Gewerkscha­ften, die hinter der Mahnwache stehen, wollen mit dem Senat in Gespräche eintreten. Am Mittwochna­chmittag kündigten sie einer gemeinsame­n Erklärung einen Forderungs­katalog an, auf den sich ver.di, GdP und DFeuG verständig­t haben. Details dazu gaben sie nicht bekannt.

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Fotos: nd/Ulli Winkler Mahnwache der Feuerwehrl­eute vor dem Roten Rathaus
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Dietmar Bauske

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