Nach dem Foul vors Gericht
Im Zuge einer brutalen Attacke auf einen Gegenspieler wurde Eishockeyprofi Steven Pinizzotto wegen vorsätzlicher Körperverletzung angezeigt
Kann ein Sportler wegen eines Fouls juristisch belangt werden oder gehören Verletzungen zu Sportarten mit Körperkontakt einfach dazu? Eine klare Antwort ist schwierig. 46 Minuten waren gespielt im ersten Halbfinale um die deutsche Meisterschaft. Eishockeyprofi Steven Pinizzotto schaute nicht, wohin der Puck rutschte. Die Augen des Münchners galten nur dem Gegner Matthias Plachta. Der Mannheimer sah Pinizzotto zwar noch kommen, doch dem Einschlag konnte er nicht mehr ausweichen. Plachta wurde an die Bande geschleudert und vom Ellbogen des Gegners voll im Gesicht getroffen. Der deutsche Nationalspieler blieb beim Stand von 2:3 minutenlang mit einer Gehirnerschütterung auf dem Eis liegen und wurde vom Gegner sogar noch gestenreich verhöhnt.
Den Schiedsrichtern war das Brutale am Foul nicht aufgefallen, ihnen war vermutlich die Sicht verdeckt. Eine Strafe gab es erst wegen des Gerangels danach. Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) sperrte den Kanadier, der mit den Münchnern zuletzt zwei Mal Meister wurde, am selben Abend aber noch für fünf Spiele. Der 4:2-Sieg der Münchner blieb jedoch unangetastet. Das alles geschah vor einer Woche, am Dienstagabend be- kam die Geschichte eine neue Wendung: Gegen Pinizzotto wurde Anzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung erstattet. »Es wurde ein Verfahren eingetragen. Wir werden überprüfen, ob Ermittlungen aufzunehmen sind«, teilte die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding mit.
Nun stellt sich die Frage, ob ein Sportler wegen eines Fouls juristisch belangt werden kann. Die Antwortet lautet prinzipiell ja, doch es geschieht nur selten; vor allem, weil der Vorsatz nachgewiesen werden muss, was meist sehr schwierig ist. Im Fall von Pinizzotto scheint dies aber anhand der Fernsehaufnahmen möglich.
Im Jahr 2012 bestätigte das Oberlandesgericht Hamm einen vorinstanzlichen Richterspruch und verurteilte einen Kreisliga-Fußballer zur Zahlung von 50 000 Euro Schmerzensgeld, weil er seinen Gegner so schwer verletzt hatte, dass dieser seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Laut Urteil müssen sich auch Spieler in »Kampfsportarten«, wozu Fußball und Eishockey juristisch offenbar zählen, an die Regeln halten. Zwar hafte ein Sportler nicht, wenn er seinen Gegenspieler bei regelgerechter und dem Fairnessgebot entsprechender Spielweise verletze. Handelt er jedoch unter Verstoß gegen die Regeln rücksichtslos und nimmt dabei die Verletzung des Gegners billigend in Kauf, kann er verurteilt werden.
Dass Pinizzotto gegen die Regeln verstoßen hat, scheint nach der Sperre durch die DEL klar, auch wenn Staatsanwaltschaft und Gericht selbst noch zur gleichen Auffassung gelangen müssen. Das mehr als fahrlässige Riskieren einer Verletzung ist jedoch schwieriger zu beweisen. Die Verteidigungsstrategie, wonach Fouls und daraus resultierende Verletzungen Teil des Spiels sind, hat vor Gericht oft Erfolg, so etwa beim Fußballer Macchambes Younga-Mouhani von Union Berlin, der dem Bochumer Ma- tias Concha im Dezember 2010 das Schien- und Wadenbein gebrochen hatte, letztlich aber nicht die geforderten 200 000 Euro Schmerzensgeld zahlen musste.
Fouls wie das von Pinizzotto kommen immer wieder vor im Eishockey. Staatsanwaltschaft oder Gerichte könnten also zum Ergebnis kommen, dass sie Teil des Sports sind und sich Spieler wie Plachta damit bewusst diesem Verletzungsrisiko aussetzen. Es wäre eine Art Freifahrtsschein für als »schmutzig« bekannte Spieler wie Pinizzotto. Eine Verurteilung hingegen könnte vielleicht mal zum Umdenken im Eishockey führen.