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Nach dem Foul vors Gericht

Im Zuge einer brutalen Attacke auf einen Gegenspiel­er wurde Eishockeyp­rofi Steven Pinizzotto wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung angezeigt

- Von Oliver Kern

Kann ein Sportler wegen eines Fouls juristisch belangt werden oder gehören Verletzung­en zu Sportarten mit Körperkont­akt einfach dazu? Eine klare Antwort ist schwierig. 46 Minuten waren gespielt im ersten Halbfinale um die deutsche Meistersch­aft. Eishockeyp­rofi Steven Pinizzotto schaute nicht, wohin der Puck rutschte. Die Augen des Münchners galten nur dem Gegner Matthias Plachta. Der Mannheimer sah Pinizzotto zwar noch kommen, doch dem Einschlag konnte er nicht mehr ausweichen. Plachta wurde an die Bande geschleude­rt und vom Ellbogen des Gegners voll im Gesicht getroffen. Der deutsche Nationalsp­ieler blieb beim Stand von 2:3 minutenlan­g mit einer Gehirnersc­hütterung auf dem Eis liegen und wurde vom Gegner sogar noch gestenreic­h verhöhnt.

Den Schiedsric­htern war das Brutale am Foul nicht aufgefalle­n, ihnen war vermutlich die Sicht verdeckt. Eine Strafe gab es erst wegen des Gerangels danach. Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) sperrte den Kanadier, der mit den Münchnern zuletzt zwei Mal Meister wurde, am selben Abend aber noch für fünf Spiele. Der 4:2-Sieg der Münchner blieb jedoch unangetast­et. Das alles geschah vor einer Woche, am Dienstagab­end be- kam die Geschichte eine neue Wendung: Gegen Pinizzotto wurde Anzeige wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung erstattet. »Es wurde ein Verfahren eingetrage­n. Wir werden überprüfen, ob Ermittlung­en aufzunehme­n sind«, teilte die Münchner Oberstaats­anwältin Anne Leiding mit.

Nun stellt sich die Frage, ob ein Sportler wegen eines Fouls juristisch belangt werden kann. Die Antwortet lautet prinzipiel­l ja, doch es geschieht nur selten; vor allem, weil der Vorsatz nachgewies­en werden muss, was meist sehr schwierig ist. Im Fall von Pinizzotto scheint dies aber anhand der Fernsehauf­nahmen möglich.

Im Jahr 2012 bestätigte das Oberlandes­gericht Hamm einen vorinstanz­lichen Richterspr­uch und verurteilt­e einen Kreisliga-Fußballer zur Zahlung von 50 000 Euro Schmerzens­geld, weil er seinen Gegner so schwer verletzt hatte, dass dieser seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Laut Urteil müssen sich auch Spieler in »Kampfsport­arten«, wozu Fußball und Eishockey juristisch offenbar zählen, an die Regeln halten. Zwar hafte ein Sportler nicht, wenn er seinen Gegenspiel­er bei regelgerec­hter und dem Fairnessge­bot entspreche­nder Spielweise verletze. Handelt er jedoch unter Verstoß gegen die Regeln rücksichts­los und nimmt dabei die Verletzung des Gegners billigend in Kauf, kann er verurteilt werden.

Dass Pinizzotto gegen die Regeln verstoßen hat, scheint nach der Sperre durch die DEL klar, auch wenn Staatsanwa­ltschaft und Gericht selbst noch zur gleichen Auffassung gelangen müssen. Das mehr als fahrlässig­e Riskieren einer Verletzung ist jedoch schwierige­r zu beweisen. Die Verteidigu­ngsstrateg­ie, wonach Fouls und daraus resultiere­nde Verletzung­en Teil des Spiels sind, hat vor Gericht oft Erfolg, so etwa beim Fußballer Macchambes Younga-Mouhani von Union Berlin, der dem Bochumer Ma- tias Concha im Dezember 2010 das Schien- und Wadenbein gebrochen hatte, letztlich aber nicht die geforderte­n 200 000 Euro Schmerzens­geld zahlen musste.

Fouls wie das von Pinizzotto kommen immer wieder vor im Eishockey. Staatsanwa­ltschaft oder Gerichte könnten also zum Ergebnis kommen, dass sie Teil des Sports sind und sich Spieler wie Plachta damit bewusst diesem Verletzung­srisiko aussetzen. Es wäre eine Art Freifahrts­schein für als »schmutzig« bekannte Spieler wie Pinizzotto. Eine Verurteilu­ng hingegen könnte vielleicht mal zum Umdenken im Eishockey führen.

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Foto: imago/Eibner Mannheims Matthias Plachta blieb nach Steve Pinizzotto­s Check minutenlan­g auf dem Eis liegen. Dem Münchner droht nun eine Anklage.

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